E-Mail an Georg Friedrich Händel. Sabine Rydz

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E-Mail an Georg Friedrich Händel - Sabine Rydz

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sich aufnehmen, es unterstreicht seine Genialität als sagenhaften Kinderstar.

      Vehement, und mit leidenschaftlichem Temperament, fast wie ein begeisterter Italiener, musste der Herzog auf Händels Vater eingeredet haben, und so lenkte Vater Händel in den Musik-Deal des Sohnes ein, ob er wollte oder nicht. Dein Vater, Dr. Händel, sollte ab jetzt ohne wenn und aber, so quasi als kategorischen Imperativ, seinem Sprössling eine musikalische Ausbildung angedeihen lassen, er wäre sonst in Ungnade beim gnädigen Herzog August gefallen, na ja und das wollte der berühmte „Arzt des Volkes“, wie man in der Ex-DDR zu erfolgreichen Ärzten offiziell sagte, nicht riskieren, auf keinen Fall, das wäre ja Harakiri gewesen.

      Und glücklich fuhr der junge Georg Friedrich nun in der nächsten Zeit pausenlos zum Weißenfelser Hof, er war quasi vom Dachboden on the Stage des Herzogs avanciert, natürlich um dem adligen Publikum begeistert Vorzuspielen, ja so schnell kann’s gehen. Vielleicht ist er sich da wie ein Anarchist im Wunderland vorgekommen, aber auf jeden Fall ist er zum Nachtschwärmer geworden. Diese abendlichen Auftritte waren doch eine tolle Melange für ihn aus Musik-Darbietung, Schauspiel und Nervenkitzel, die ihn erregten und Emotionen transportierten. Er konnte dann kaum noch zu Bett gehen, er bedauerte das natürlich nicht, es war wie eine Liebesgeschichte mit lang-lang-anhaltender psychologischer Wirkung.

      Aber später bekam er ja auch einen richtig guten Musiklehrer, den Maestro Friedrich Wilhelm Zachow, der ein solider Organist an der Marktkirche in Halle war, und fortan den jungen Georg Friedrich intensiv unterrichtete, um ihn das Rüstzeug für seine musikalische Laufbahn zu geben. So konnte Georg Friedrich später mühelos öffentliche Auftritte mit vokaler Kirchenmusik und Kantaten-Aufführungen bestreiten, es wurden seine musikalischen Laufstege, sein ultimativer Catwork, das offizielle Musizieren wurde zur Droge des jungen Musikgenies. Schade nur, dass wir nicht wissen, wie sich der junge Musicus damals modisch präsentierte. Ob er tatsächlich in sportlicher Eleganz auftrat oder in vornehmen Kniehosen und Rüschen-Hemden mit hohem Kragen? Ja das wäre der ultimative Schick, dein Look, dein Style gewesen, ja und so hat er dann mit glühenden Blick begeistert in die Orgel- Tasten gegriffen. In dieser Pose konnte er sich überzeugend mit eigener Kirchenmusik präsentieren, seine Auftritte waren keine musikalischen Dressur-Akte, sondern gaben ihm mächtig Auftrieb, steigerten enorm sein Selbstbewusstsein. Keiner kam je leichfüßiger daher, um zu musizieren, für ihn waren eben die Sterne strahlender als strahlend, er hatte eben eine intensivere Betrachtungs- und Verarbeitungsweise als andere. Es war sein Lebensgefühl, als würde er mit einem Maserati durch Neapel düsen, vielleicht war es auch sein ultimatives Lebens-Elexier, wer, der Maserati?

      Nein natürlich die Musik, denn seine Lust auf Selbstdarstellung zeigte er bereits so dominant in frühester Jugend, da besaß er auch schon ein sensibles Feeling, wusste was ankam, wenn er so in die hungrigen Augen seiner frühen Fans beim Spielen sah, da beschlich ihn plötzlich eine unbändige Reiselust. Er wollte sofort hinaus in die weite Welt, nur das konnte all seine Wünsche, Träume und Fantasien befriedigen, aber nicht nur das, verehrter Georg Friedrich.

      Aber um auf internationale Tournee zu gehen, musste er doch noch einige musiktheoretische- und praktische Grundlagen trainieren oder erlernen, um seine Musikpassionen formvollendet darbieten zu können.

      Und wie schon bemerkt nahm er Unterricht bei seinem geschätzten Lehrer Zachow, zweifellos lernte er in Halle in der Marktkirche rasant schnell die Grundsätze der Harmonie, außerdem versteht sich das von selbst, jeder gute Musiker muss die hohe Kunst des Kontrapunktes beherrschen, und die Fähigkeiten der freien Improvisation wurden aus ihm herauskristallisiert, aber nicht nur auf seinen geliebten Tastinstrumenten, sondern auch auf der Oboe, sowie Violine, eigentlich auf allen Instrumenten. So begabt war der junge Georg Friedrich, dass er schon als Teenager fast auf allen Instrumenten spielen konnte. Unglaublich aber wahr, das konnte bis heute nicht getoppt werden, schon gar nicht von der Generation Relax. Oder?

      Traurig, ja richtig traurig eigentlich, dass ich so unbegabt bin, obwohl ich auch in Halle an der Saale geboren wurde, früher dachte ich immer deine Genialität hat etwas mit der Saale zu tun?

      Ja, sicherlich bei dir Georg Friedrich, aber leider nicht bei mir, dabei ist Wasser mein Lebens-Elexier, schließlich war ich mal Leistungsschwimmerin in der ehemaligen DDR, mein Lieber, außerdem ist es ja unser Urelement, na ja aber Talent kann man eben nicht erschwimmen und schon gar nicht erzwingen, ob nun mit Wasser oder ohne.

      Aber immerhin durfte ich Gitarre spielen lernen, schließlich gehörte ich ja zur Beat-Generation, dass wäre für den jungen Georg Friedrich sicherlich auch der Hype gewesen auf einer Gitarre seiner Kreativität freien Lauf zu lassen, leider 300 Jahre zu spät, mein Lieber, wir wollen ja auch mal unseren musikalischen Spaß haben.

      Aber du bist ja schon vor den Beatles zum Weltstar avanciert, und das in England, in London, im Mekka dieser hyper ventilierenden Musik-Stadt, ein Wahnsinn, unglaublich, das kommt alles nie wieder, dass irgend jemand aus Halle an der Saale fortgerissen vom Kontinent und in England so berühmt wird, geliebt und bedrängt wird von Männern und Frauen, und sogar als Bürgerlicher mit dem König und der Königin auf du und du steht und nicht mal politische Differenzen hat. Gute Reise weiterhin mein lieber Georg Friedrich, wir spielen fleißig deine Musik, sie hat Drang zum emotionalen Drama, zu einem blendendem Image hat sie vielen verholfen, und sie wirkt auf uns empathisch, einfach vital, mal adagio oder auch passionato, mal will man verführen und dann wieder erobern, fast wie Rivalen im Morgengrauen …

       Georg Friedrichs Familie und seine frühen

       musikalischen Aktivitäten und Träume

      „Wie lange soll ich bloß noch hier in Halle an Saale ausharren“, das wirst du dich pausenlos als talentierter junger Mann gefragt haben, denn unser schönes Halle war ja in der Barock-Zeit nicht gerade die ultimative Musik-Hochburg, und auch nicht das Dissidenten-Zentrum der ehemaligen DDR.

      Ja, du wolltest einfach mehr, nicht das Meer, aber eben hinaus in die Welt, endlich Freiheit spüren, du hattest keine Angst oder Skepsis gegenüber fremden Ländern, ganz im Gegenteil, du wolltest endlich Reisen, Aufbruch um jeden Preis, um die euphorischen Ankunft in einer neuen Welt zu erleben.

      Dieser Wunsch hatte sich ganz fest in dein aufnahmebereites Gehirn eingebrannt, sonst hättest du sicherlich auch Neurosen bekommen, ein Schreckensbild der Normalität, nicht nur bei Hochbegabten und Genies.

      Ein junger Mann deines Schlages verwandelt doch in der Fremde den Wind in Stürme, und wer sächsisch kann, ist überall in der Welt zu Hause, vor allem natürlich als genialer junger Musiker und Avantgard-Künstler, da spielt auch misstönender Gesang, ob Ost oder West keine Rolle, weil in der Kunst oder Musik geht es nicht nur um Geld, sondern um Provokation gepaart mit Durchsetzung von Talent, Kreativität. Oder? Was hast du für eine Position über Musik und Kreativität, würde mich sehr interessieren, kannst du nicht mal aus dem Olymp eine Mail schicken?

      Interessant wäre noch, ob unser Georg Friedrich zu diesem Zeitpunkt in Halle an der Saale lange blonde Haare trug, als er als junger zorniger Mann unterwegs war, aber keiner kann es genau sagen, oh pardon, er war ja nicht zornig, und mit Polizisten war er auch nicht in Straßenschlachten verwickelt, und schon gar nicht hat er die Hymne der amerikanischen Antikriegs- und Bürgerrechtsbewegung gesungen. „The Anser ist blowing in the wind …“ von Bob Dylan.

      Vielleicht doch? Mayby, sometimes?

      Ja, aber unser Georg Friedrich und Bob Dylan, sie wären gemeinsam der musikalische Hype zu allen Zeiten gewesen, wenn sie sich 1987 in Berlin zur 750 Jahrfeier kennen gelernt hätten. Zwei, die sich von assyrischen Gipslöwen und vom antiimperialistischen Kulturgut befreit haben und zwar schon in ihrer Jugend, und sie hätten sich auch mit Erfolg von der „Ensemble Musik“ strikt distanziert, wie sich das linientreue musikalische Treiben

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