Begegnungen im DDR-Knast. Artur Weiß

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Begegnungen im DDR-Knast - Artur Weiß

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sich um sie, leider ohne konkreten Befund. Vater und Sohn waren bestürzt über das Ergebnis, sie drängten die Ärzte um weitere Untersuchungen. Durch eine gründliche Blutanalyse war ein unbekannter Virus entdeckt worden. Während der wochenlangen Suche nach dem Unbekannten war Inge stark abgemagert, das machte die Ärzte ratlos. Im Haus der beiden Männer herrschte inzwischen das blanke Chaos. Der Vater war durch die Umstände in letzter Zeit völlig entnervt und bettlägerig. Sein Sohn Horst war nicht Herr der Lage, er musste ihn vom Krankenbett aus anleiten. Auf diese Weise bekamen beide ihre Situation in den Griff. Durch gute medizinische Versorgung kam der Kranke schnell wieder auf die Beine. Aber die Sorgen um seine Kinder belasteten ihn, die Krankheit seiner Tochter war besonders schwer. Ihr Zustand verschlechterte sich zunehmend und die Ärzte machten ihm keine Hoffnung mehr. Für Vater und Sohn zeichnete sich eine düstere Zukunft ab, zumal sie schon das wichtigste Familienmitglied verloren hatten. Es hatte den Anschein, als läge zurzeit ein Fluch über der Familie. Genau das bestätigte eine Nachricht aus dem Krankenhaus, Inge war ins Koma gefallen. Daraufhin eilten Vater und Sohn zu der Kranken, wo die Ärzte um ihr Leben kämpften. Auf Anraten der behandelnden Ärzte verließen nach kurzem Besuch beide das Krankenhaus. Dass jetzt noch die Tochter des Hauses mit dem Tode rang, war für die beiden Männer einfach zu viel. Sie machten sich Gedanken, wie es ohne die Frauen weitergehen soll. Eine Männerwirtschaft konnten sie sich nur schwer vorstellen. In der Zeit des Hoffens und Bangens kam die Todesnachricht von Inge. Obwohl Vater und Sohn darauf vorbreitet waren, hatte es sie doch hart getroffen. War doch der Schmerz vom Tod der Mutter noch zu frisch. Trotz des zweiten Schicksalsschlages mussten sie den ihnen schon bekannten Weg gehen. Mit ihnen gingen Freunde, Bürger des Ortes und eine Abordnung des Krankenhauses. Es war der Wunsch von beiden trauernden Männern, dass Inge neben ihrer Mutter ihre letzte Ruhe fand.

      Die beiden vom Schicksal schwer getroffenen Männer unternahmen den Versuch, ihr Leben neu zu ordnen. In einem Gespräch zwischen Vater und Sohn stellten sie fest, dass sie beide eng zusammenrücken müssen. Der Tod von Mutter und Schwester hatte Horst sehr mitgenommen und ihn nachdenklich gemacht. Er, jetzt schon achtundzwanzig Jahre alt, besann sich der mahnenden Worte seiner Mutter und Schwester, sich seinem Leben zu stellen. Dies setzte er in die Tat um und übernahm den Haushalt so gut er konnte. Sein Vater wusste das zu schätzen, was sie zu einem Team werden ließ. So war es auch eine Überraschung, dass Horst eines Tages eingekauft hatte und eine Freundin mit nach Hause brachte. Daraus ist zu ersehen, dass sich das Leben im Hause langsam wieder normalisiert. Was Horst fehlte, waren die abendlichen Zusammenkünfte mit seinen Freunden, welche er, aber eingeschränkt, wieder aufnahm, um ab und zu etwas Spaß zu haben. Seine zwei Freunde waren froh, dass Horst seinen Weg, von dem er durch die familiären Ereignisse etwas abkam, wieder gefunden hatte. Das Trio hatte eigene Vorstellungen vom Jugendleben als der Jugend Verband FDJ. Sie standen distanziert und ablehnend der DDR-Politik gegenüber. Ihnen war die persönliche Freiheit wertvoller als durch die SED-Politik gedengelt zu werden. Oft kam es vor, dass sie Diskotheken aufsuchten, wo Alkohol getrunken wurde, der dann seine Wirkung zeigte. So auch in der Nacht vom 16. zum 17. Juni 1972, wo die Stasi ganz besonders aktiv unterwegs war. An den Tagen davor und danach hatte die DDR-Regierung Angst, dass es zu Aufständen wie am 17. Juni 1953 kommen könnte. In dieser Nacht kam es tatsächlich zur Randale, wobei Transparente und Fahnen heruntergerissen wurden. An diesem Krawall hatten sich Horst und seine Freunde beteiligt. Mit dieser Tat bekräftigten sie ihre ablehnende Haltung der SED-Politik gegenüber. Auf ihrem Heimweg folgten ihnen unbemerkt einige Stasi-Leute. An einer Straßenkreuzung trennten sich die drei Freunde. Von nun an waren sie einzeln von jeweils zwei Stasi-Leuten verfolgt worden. Horst und einer seiner Freunde bemerkten, dass die Stasi ihnen folgt, so konnten sie zunächst entkommen. Den Dritten hat man im Dunkeln gestellt, der sich mit seinen Judokenntnissen zur Wehr setzte. Er hatte aber gegen zwei Stasischläger keine Chance, sie schlugen ihn mit ihren Stahlruten brutal nieder. Blutend ließen sie ihn liegen und verließen dann den Tatort. Als er wieder aufstehen konnte, gelang es ihm, sich schleppend sein Zuhause zu erreichen. Die Eltern, zutiefst erschrocken und in Sorge, wollten wissen, was geschehen ist. Sie hielten es aber für dringend, einen Krankenwagen zu rufen, damit ihr Sohn ärztlich versorgt wird. Noch in der Nacht wurde Werner gründlich untersucht und es wurde eine Diagnose erstellt. Sie ergab: Rippenbrüche, Verletzung innerer Organe sowie Hämatome am ganzen Körper. Die Ärzte verordneten mehrtägige Bettruhe für den Patienten. Gegen die Täter erstatteten Werners Eltern Anzeige gegen Unbekannt. Auch benachrichtigten sie seine Freunde Horst und Heinz, die über das brutale Vorgehen der Stasi entsetzt waren.

      Die beiden Freunde, Horst und Heinz, ließen es sich nicht nehmen, ihren misshandelten Kumpel Werner im Krankenhaus in einem Vierbettzimmer zu besuchen. Er war sichtlich erfreut, seine Freunde zu sehen. Sie trauten ihren Augen nicht, als sie sahen, wie ihn die Stasi zugerichtet hatte. Heinz war besonders betroffen und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Nach einer kurzen Begrüßung kamen sie schnell auf das, was in dieser Nacht geschehen war. Inzwischen hatten Horst und Heinz eine Vorladung von der Stasi erhalten. Als das Wort „Stasi“ fiel, meinte Heinz, „lasst uns in die Cafeteria gehen.“ Er traute den Mithörern im Zimmer nicht. Ihrem Freund Werner fiel das Laufen schwer, weil ihm alles wehtat. Lange noch hat sich das Trio am Kaffeetisch über ihre derzeitige Lage unterhalten. Es sah nicht gut für sie aus, weil die Stasi sie als Außenseiter eingestuft hatte. Dies sollte zur Gewissheit werden, weil die Drei ständig von allen Behörden überwacht wurden, auch in ihren Betrieben. Horst hatte mit seinem Vater über die Geschehnisse des Abends ausführlich gesprochen. Alles beunruhigte ihn sehr und er machte seinem Sohn heftige Vorwürfe. Er wusste aus eigener Erfahrung, wozu die DDR-Diktatur fähig ist. Er war bis zu seiner Rente leitend tätig und konnte somit hinter die Kulissen der Machthaber schauen.

      Auf alles gefasst und mit gemischten Gefühlen befolgten Horst und Heinz die Ladung der Stasi. Der Empfang dort war alles andere als freundlich, sie waren doch in deren Augen Staatsfeinde. Nach einer angemessenen Wartezeit wurden sie getrennt zur Sache vernommen. Während der Verhöre waren sie massiven Behandlungen und Drohungen ausgesetzt. Unverhohlen hatte man Heinz die Frage gestellt, ob er auch wie Werner eine Sonderbehandlung brauche. Er ließ sich aber nicht einschüchtern und vertrat im Rahmen des Möglichen seine Meinung. Die aufrechte Haltung und Furchtlosigkeit von Heinz verunsicherte den Vernehmer, so dass dieser den Raum verließ. Wenig später betrat er mit neuer Instruktion wieder den Raum. Es hatte den Anschein, dass in diesen Minuten ein Urteil gefällt worden war. Sich in seinem Sessel zurücklehnend und Heinz anstarrend, meinte der Stasi-Mann: „Du hast den Kampf gewählt, wir sind bereit dazu.“ Mit dem Entzug seiner Ausweispapiere und dem Hinweis, seinen Heimatort nicht zu verlassen, konnte Heinz wieder gehen. Auf dem Weg nach Hause versuchte er das Ganze einzuordnen und zu begreifen. Eine weitere Sorge war, wie seine Eltern das alles aufnehmen werden. Irgendwie tat es ihm leid, seinem Vater und seiner Mutter so viele Sorgen zu machen. Er bekam den Eindruck, dass ihn das alles noch hart treffen wird.

      Etwas geschickter stellte es Horst an, seinen Vernehmer nicht zu provozieren. Er hatte sich auf die mahnenden Worte seines Vaters besonnen, was sich für ihn auszahlte. Trotz rücksichtslosem Vorgehen der Stasi verhielt sich Horst besonnen, was ihm aber gegen den Strich ging. Er konnte das brutale Vorgehen gegen Werner nicht verstehen, der schwer verletzt im Krankenhaus seine ihm von der Stasi zugefügten Wunden auskuriert. Im Gegensatz zu Heinz war Horst von den Beamten mit der Bemerkung entlassen worden: „Sie hören von uns.“

      Mittlerweile sind einige Wochen vergangen, in denen sich Werner von seinem Überfall erholte. In dieser Zeit hat er hart an sich gearbeitet. Er musste für sich eingestehen, dass er allein gegen die Diktatur nichts ausrichten kann. Die ständige Bespitzelung im Krankenhaus überzeugte ihn davon. Seine behandelnden Ärzte entließen ihn, verordneten ihm aber drei Wochen Genesungszeit.

      Die Eltern und Werner selbst haben nur schwer die Ereignisse der letzten Wochen überstanden. Gemeinsam unternahmen sie den Versuch, mit sich ins Reine zu kommen. Sie wurden bei den Behörden vorstellig, hinsichtlich der Anzeige gegen Unbekannt, was sehr mutig von ihnen war. Werner wurde in ein Zimmer geholt und dort zu seiner Sache vernommen. Man machte ihm den Vorwurf, sich mit seinen beiden Freunden im Krankenhaus abfällig über die DDR geäußert zu haben. Womit bewiesen ist, dass flächendeckend die Menschen im Stasistaat bespitzelt wurden. Werner machte mehrmals den Versuch, das Geschehene herunterzuspielen,

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