Treibsand und andere seltsame Geschichten. Ruedi Strese

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Treibsand und andere seltsame Geschichten - Ruedi Strese

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sie umgeben war.

      Gleich danach mußte ich noch ein Verhör über mich ergehen lassen, allerdings konnte ich die Kriminalpolizei anscheinend überzeugen, daß ich mit diesem vermutlichen Verbrechen nichts zu tun haben könnte. Was sollte ich nun tun? Wohin? Ich würde hier noch einige Wochen zu schaffen haben… zum Glück war es Sommer, und ich konnte notfalls im Wald übernachten, was ich dann auch in der nächsten Zeit tat.

      Als erneut ein Tag kam, an dem es wenig zu tun gab, lief ich wieder durch den Ort und schaute auch an dem merkwürdigen Laden vorbei. Ich sah dort das Szenario, wie der Wirt des Straßencafés es beschrieben hatte. Das geschlossene Geschäft und den großen Mann mit der Schweinemaske, der darin hin und her lief. Ich beschloß, der Sache doch auf den Grund zu gehen und ging um das Gebäude herum. Ich wollte am Hintereingang auf den Kerl warten, der diesen abstrusen Schabernack trieb, und ihn enttarnen.

      Ich versteckte mich hinter einem Baumstamm und beobachtete das Geschehen, welches es nicht gab. Es geschah nämlich einfach nichts, und ich wurde bald sehr müde. Ich lehnte meinen Kopf an den Baumstamm und nickte ein…

      Plötzlich verspürte ich einen heftigen Schlag. Vor mir stand der Mann mit der Schweinemaske, er hatte ein Eisenrohr in den Händen und holte gerade erneut aus. Ich konnte noch rechtzeitig ausweichen, und der Schlag ging gegen das Holz, er strauchelte, und ich nahm ihm das Rohr ab und schlug zu. Einmal, zweimal. Und noch einmal. Und noch einmal. Und… was war los mit mir? Ich fühlte mich völlig erschöpft und sank neben dem Mann, der aufgehört hatte, sich zu bewegen, zu Boden. Ich nahm ihm die Maske ab. Es war der Besitzer des Straßencafés… ich konnte nur noch feststellen, daß er tot war.

      Bloß weg hier… diesmal war ich nicht mehr unschuldig, ich selbst war es gewesen. Ja, Notwehr. Am Anfang. Aber ich hatte zu oft zugeschlagen. Ich würde mir mit der Arbeit etwas einfallen lassen müssen. Eine Krankheit vielleicht. Irgendeinen Arzt, der mir ein Attest schrieb, würde ich finden. Ich ging um das Haus herum, auf die Straße, denn ich mußte genau in diese Richtung.

      Ich warf noch einen kurzen Blick zurück auf den Laden, und mir wurde schlecht. Hinter der Auslage stand eine Person in Schweinemaske und winkte mir zu. Ich trat taumelnd an das Geschäft heran, und die Person hob die Maske ab und lächelte. Ich schrie auf und rannte und rannte, bis ich den Ort lange hinter mir gelassen hatte. Dann, ganz plötzlich, verließ mich jegliche Kraft und ich brach zusammen… es war so… ich selbst war es gewesen, der dort gestanden und mich angelächelt hatte.

      AM DORFTEICH

      Ein paar Erlen standen um den kleinen Dorfteich, doch waren sie bereits sehr alt und beantworteten jeden Windstoß mit ausgiebigem Knarren, während nur das Ufer in Richtung des Marktplatzes mit etwas Schilf und Rohrkolben gesäumt war. Die Oberfläche des Teiches war restlos mit Wasserlinsen bedeckt, und wenn doch dann und wann eine lichtere Stelle zu sehen war, so hatte wohl gerade eine Karausche Luft geholt oder war ein großer Frosch ins Wasser gesprungen.

      Gerade war ein flüchtiger Regenschauer vorübergegangen, schon warf die Sonne wieder ihre Strahlen auf den Ort, lebensspendend für die zahlreichen Blumen und Gräser auf den nahegelegenen Weiden, doch so manchem Wassergetier, welches versehentlich an das Ufer geraten war, unerbittlich den Tod bringend.

      Ein paar Dorflümmel kamen laut johlend herbeigerannt, sie waren wohl alle zwischen zehn und zwölf Jahren alt, bis auf einer, welcher vielleicht ein, zwei Jahre älter sein mochte; anscheinend war er ihr Anführer, was sich aus seinen fordernden Gesten und seiner markigen Stimme entnehmen ließ. Einer der kleineren Jungen nahm einen Stein und warf ihn ein paar Meter, daß er laut plumpsend in den Teich fiel. Ein weiterer tat es ihm gleich, und bald war ein richtiger Weitwurfwettbewerb daraus geworden. Der Anführer beteiligte sich anfangs nicht, eine ganze Weile schaute er scheinbar desinteressiert, doch schließlich nahm auch er einen Stein in die Hand. Er wartete, bis sich die Augen aller anderen auf ihn gerichtet hatten, holte aus und warf, weit, bis fast an das gegenüberliegende Ufer.

      Kaum war der Stein jedoch im Wasser gelandet, hob sich die Wasserlinsendecke, und es ertönte ein markerschütternder Schrei. Die Dorflümmel stoben in alle Richtungen auseinander wie aufgescheuchte Hühner. Nur der Anführer blieb stehen und schaute griesgrämig drein. Gerade hatte er seinen Vater, den Dorfriesen, bei seinem Mittagsschlaf im Tümpel gestört. Das bedeutete zwei Wochen gekürztes Taschengeld! Der Dorfriese hatte sich nun ganz erhoben, er war über dreißig Meter hoch, seine Haut hing in langen Falten herab und war über und über mit Schlamm und Wasserlinsen bedeckt. Sein gräßlicher breiter Mund war weit geöffnet und verbreitete einen widerlichen Fäulnisgeruch, seine unzähligen Augen glotzten in die Ferne. Rasch bemühte sich der Anführer der Dorflümmel um eine Entschuldigung, doch der Riese winkte ab und sprach: „Du meinst es ja doch nicht ehrlich.“ Dann brach er in bittere Tränen aus und lief mit großen Schritten davon.

      DAS EINSCHREIBEN

      Die Zeit war stehengeblieben. Zumindest, wenn ich der Ansicht meiner Uhr folgen durfte. Vielleicht war aber auch einfach die Batterie leer. Der Blick aus dem Fenster bestätigte diese Interpretation, Menschen liefen und Autos fuhren. Auch ein Blatt fiel herab, anstatt in der Luft an einem Ort zu verweilen.

      Auf der anderen Straßenseite brannte lichterloh die Postfiliale. Möglicherweise ärgerlich, denn ich sollte ein Einschreiben abholen. Wir würden sehen, dachte ich, und verließ meine Wohnung, rutschte das Geländer herunter und wäre fast auf einen älteren Herrn gefallen, der mit einkaufsvollen Papiertüten den Weg nach oben, zu seiner Wohnung, suchte. Sein Schimpfen hallte durch den Hausflur wie die Schreie der Gepeinigten in den Folterkellern der Tyrannen, berührte mich jedoch kaum, denn auf mich wartete ein Einschreiben.

      Ich stand dann vor der Postfiliale, ein brennender Mitarbeiter rannte heraus, und ein Sack voller Sand wurde zum Löschen über ihn geschüttet, worauf er begann, wild zu schauen, und der Speichel lief ihm die Mundwinkel herab, tropfte auf den Sand, aus dem er schließlich Kleckerburgen baute, die es ohne Weiteres mit dem Palais Idéal des Briefträgers Cheval aufnehmen konnten. Anschließend brach er zusammen, zu stark waren seine Verletzungen. Mein Anliegen sollte ich nicht vergessen.

      Flammen schlugen mir durch die Drehtür entgegen, ich sah, daß dort eine Zahl Angestellter dennoch weiter an den Schaltern stand, es handelte sich um Androide, deren Kleider jedoch verbrannt waren; die Plastikbeschichtung, aus welcher einst ihre Gesichter bestanden hatten, tropfte herab und verschwand zischend in den vom Boden züngelnden Lohen.

      Ich ging an einen Schalter, war der einzige Mensch hier drinnen und legte einem der Androiden meinen Benachrichtigungszettel hin. Er ging in das Lager und kam mit einem Umschlag zurück. Ich bedankte mich und verließ die Filiale. Es wurde auch höchste Zeit, denn zahlreiche kleine rote Wesen krochen an meinem Gewand empor.

      Draußen regnete es mittlerweile, wodurch eine Mitarbeit der Feuerwehr bei meiner Befreiung vom Feuer sich erübrigte, lächelnd überquerte ich die Straße und ging die Treppe hinauf, wo immer noch zeternd der ältere Herr mit den Papiertüten zu einem Kunstwerk geworden war, so sehr hatte er sich seinen Worten entsprechend geformt, war halb mit dem Geländer verwachsen, um mir ein erneutes Herabrutschen zu erschweren.

      Kurz darauf war ich in meinem Wohnzimmer angelangt, setzte mich an den Tisch und las den Brief. Ich erfuhr Dinge, die ich bereits wußte, so sollte eine mir einst vertraute moderne Wunderheilerin mehrere Jahre nach ihrem Tod mit einem Roboterhund ein Wesen geschaffen haben, welches nun allein für sein Dasein mit dem Großen Freiheitspreis ausgezeichnet worden war – letztlich nur eines von vielen Symptomen brutalster Belanglosigkeit.

      Ich lächelte melancholisch. Nicht mehr lange, dann würden derartige Schöpfungen an meinem Doppelfenster vorbeifliegen und mir die Betrachtung meiner darin gedeihenden

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