Art of Fake.. Zulehner Christoph

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Art of Fake. - Zulehner Christoph

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französische Stadt Le Mans. Diese hat durchaus etwas mit teuren Armbanduhren zu tun. Wahrscheinlich haben auch diejenigen unter Ihnen, die sich nicht für Motorsport interessieren, schon einmal von dem 24-Stunden-Rennen von Le Mans gehört. Es wird seit 1923 jährlich am zweiten Juniwochenende ausgetragen. Die „24 Stunden von Le Mans“, wie das Rennen auch kurz genannt wird, sollten den Automobilherstellern ursprünglich Gelegenheit geben, die Zuverlässigkeit ihrer Fahrzeuge unter Beweis zu stellen. Dieser Aspekt spielte nach dem Zweiten Weltkrieg kaum noch eine Rolle. Dafür wurde das Rennen immer mehr zur Legende – wegen der Strapazen für Mensch und Maschine und nicht zuletzt auch wegen vieler tragischer Zwischenfälle.

      1970 waren die „24 Heures du Mans“ längst legendär. In diesem Jahr inszenierte der Regisseur Lee Katzin den amerikanischen Spielfilm „Le Mans“ mit Steve McQueen in der Hauptrolle. Hollywoodstar McQueen hatte selbst die Idee zu dem Film gehabt und fungierte auch als Co-Produzent. Der Film hat teilweise dokumentarischen Charakter – es werden echte Szenen des Rennens verwendet. Im Mittelpunkt steht das Duell zwischen dem US-amerikanischen Rennfahrer Michael Delaney, gespielt von Steve McQueen, und seinem deutschen Rivalen Erich Stahler, dargestellt von Siegfried Rauch. Das Handlungsgerüst ist eher dünn, denn es ging vor allem darum, das Publikum mit noch nie gesehenen Aufnahmen eines Autorennens zu fesseln. Es dauert ganze 38 Filmminuten, bis die Schauspieler überhaupt das erste Wort sprechen. Der eigentliche Hauptdarsteller ist also das Rennen. Und der vielleicht auffälligste Nebendarsteller ist eine Uhr. In dem Film trägt Steve McQueen nämlich stets eine TAG Heuer. Und das ist kein Zufall.

      Die Luxusuhr von Steve McQueen in dem Film „Le Mans“ gilt als eines der frühesten Beispiele für Produktplatzierung bei Hollywoodstars. 20 Jahre später war Product Placement dann nichts Besonderes mehr. Die James-Bond-Filme der Neunziger wirken teilweise, als seien sie von einem Homeshopping-Kanal produziert worden. Doch 1970 war die auffällige Platzierung eines Luxusprodukts in einem Film revolutionär. McQueen trug eine Heuer „Monaco“ mit quadratischem Zifferblatt. Zusätzlich prangte das TAG-Heuer-Logo auf seinem Rennanzug. Das Rennen „gegen die Uhr“, der Härtetest für das Material, die faszinierenden Fahrzeuge von Porsche und Ferrari, mit denen die Rivalen gegeneinander antraten – alles das passte perfekt zum Image des Schweizer Uhrenherstellers und seiner luxuriösen Produkte. Diese Urszene schwingt heute noch mit, wenn Hollywoodstars sich mit Armbanduhren präsentieren. Egal, ob George Clooney mit einer Omega – oder Kevin Costner mit einer Lemans. Gesprochen klingt das übrigens genauso wie „Le Mans“.

      FROM RAGS TO RICHES TO RUINS

      Erst habe er die Welt mit einem französischen Namen für seine Uhrenfirma genarrt, schrieb die überregionale Tageszeitung „Die Presse“ über Alfred Riedl, nun könne er es sich leisten, für 25 Mio. Euro eine Ruine zu renovieren. Die Ruine ist die Burg Taggenbrunn in Kärnten, unweit der Firmenzentrale von Jacques Lemans in Sankt Veit an der Glan. Alfred Riedl erwarb sie mitsamt umliegenden Weinbergen im Jahr 2011. Seitdem ist der bodenständige Unternehmer, der einst sein erstes Geld bei einem Energieversorger verdiente, zum Burgherrn avanciert. Im 14. und 15. Jahrhundert wurde einmal ganz Kärnten von Taggenbrunn aus regiert. Doch was heißt das schon im Vergleich zu Riedls internationalem Geschäftserfolg? Nach einer aktuellen Marktstudie ist Jacques Lemans die meistverkaufte Uhrenmarke in Österreich und Deutschland im Preissegment bis 200 Euro. Die Schweizer? Sollen sie doch weiter eine Swatch kaufen, wenn sie sich eine Patek Philippe oder eine Rolex nicht leisten können. Dem Burgherrn kann es wurscht sein. Er freut sich lieber darüber, dass sich die Zahl seiner Verkaufsstellen in Vietnam binnen kurzer Zeit von 30 auf 100 mehr als verdreifacht hat. 1,2 Millionen Uhren pro Jahr setzt Jacques Lemans heute weltweit ab.

      Alfred Riedl ist mir rundum sympathisch. Nicht obwohl, sondern weil er sich als großer Faker gezeigt hat. In meinen Augen ist der Fake eine unerlässliche Kulturtechnik und ich bewundere all jene Menschen aufrichtig, die sie exzellent beherrschen. Der Fake ist eine positive Strategie der Selbstbehauptung und eine Eintrittskarte ins Establishment. Alfred Riedl hat diese Eintrittskarte gelöst. Dabei ist er durch und durch ehrlicher Kaufmann geblieben, so wie es sich für einen Faker im Business gehört. Mehr noch, in mehr als vier Jahrzehnten Unternehmertum habe er noch nie einen Kredit benötigt, betont Alfred Riedl. Das unterscheidet ihn von Blendern wie Donald Trump, der sich immer wieder durch fadenscheinige Insolvenzen seiner Schulden entledigte. Ein Faker betrügt nicht, sondern er gibt ein Versprechen, das er dann auch einlöst. Wären Alfred Riedls Uhren keine Qualitätsprodukte, dann hätte Jacques Lemans wohl kaum diesen lang anhaltenden internationalen Erfolg. Ein guter Faker weiß, was er sich und dem Markt schuldet. Er liefert.

      Die kleine Schummelei mit dem französischen Namen ist in Alfred Riedls Imperium heute längst kein Thema mehr. Der Name Kevin Costner ist dafür ein umso größeres. In dem Film „Black or White“ aus dem Jahr 2014 schaute Hauptdarsteller Costner immer wieder auffällig auf die Jacques Lemans an seinem Handgelenk. Sie ist Teil einer „Kevin-Costner-Kollektion“, die der Hollywoodstar angeblich mitgestaltet hat. Doch es ist längst nicht bei einem Werbevertag zwischen Riedl und Costner geblieben. Anders als einst Steve McQueen oder heute George Clooney wurde Kevin Costner nämlich sogar zum Geschäftspartner seines Uhrenausstatters. Nach Angaben des Kärntner Herstellers hat sich Costner mit 15 Prozent an der US-Vertriebsfirma von Jacques Lemans beteiligt. Wenn die Marketingkampagne mit Kevin Costner für den einstigen Faker Alfred Riedl so etwas wie ein Ritterschlag war, dann kommt dieser geschäftliche Einstieg eines Hollywoodstars der Kaiserkrönung gleich.

      2 | DER BALLSPORTLER

      Sie ist Bestandteil so ziemlich jeden Sportfilms, den Hollywood je gedreht hat: die „Locker Room Scene“. Mindestens eine dieser Szenen im Umkleideraum gehört einfach dazu, sobald es in einem amerikanischen Streifen um Sport geht. Ganz gleich, ob um Profisport oder Collegesport. Das Klischee ist dermaßen etabliert, dass es auf YouTube mittlerweile sogar Playlisten der 10 besten oder witzigsten „Locker Room Scenes“ gibt. Den besonderen Reiz dieser Art von Szene versteht man als Europäer wahrscheinlich nur, wenn man sich Amerikas puritanische Doppelmoral vor Augen hält: Einerseits gilt kinematografische Nacktheit jenseits des Atlantiks als Teufelszeug. Deshalb achtet Hollywood strengstens darauf, dass die Kamera den entblößten männlichen Körper in einer „Locker Room Scene“ niemals zur Gänze zeigt. Entweder endet also der Bildausschnitt in Höhe des Bauchnabels oder man sieht ein um die Hüften geschwungenes Handtuch. Andererseits gehören verbale Anzüglichkeiten und zweideutige Bemerkungen so fest zu einer Szene im Umkleideraum wie Pompons zu tanzenden Cheerleadern. Manchmal ist das lustig. Meistens ist es – zumindest für Nichtpuritaner aus der Alten Welt – nur platt und peinlich.

      Eine der schönsten – und gleichzeitig folgenreichsten – „Locker Room Scenes“ aller Zeiten schrieb allerdings nicht Hollywood, sondern das Leben. Diese reale Begebenheit ist frei von jeder Schlüpfrigkeit. Dafür zeigt sie einen geradezu meisterhaften Fake. Schauplatz ist ein Umkleideraum der Football-Mannschaft Minnesota Vikings in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre. Die Minnesota Vikings aus Minneapolis gehören seit 1961 ununterbrochen zur amerikanischen National Football League (NFL) und damit zur höchsten Spielklasse im American Football. Unzählige junge Männer zwischen New York und San Francisco träumen bis heute davon, in dieser oder einer anderen NFL-Mannschaft spielen zu dürfen. Doch nur wenige von ihnen haben die Chance auf eine Berufung in die Teams der ersten Liga. Junge Spieler aus den Mannschaften der Colleges werden nämlich von Scouts für die NFL-Teams ausgewählt und dann berufen.

      Auch John, ein schwarzer Teenager aus dem ländlichen Texas, träumte bisher vergeblich von einer solchen Berufung, einem „Draft“. Immerhin hat er es jetzt schon einmal ins Frühjahrs-Trainingslager der Minnesota Vikings und in den dortigen Umkleideraum geschafft. Die kurzen, meist nur

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