Unheimliches Wien. Gabriele Lukacs

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Unheimliches Wien - Gabriele Lukacs

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Boyneburgk (geb. Holenia) führte zu dem – von Lernet gerne genährten – Gerücht, er sei ein geheimer Sohn Erzherzog Karl Stephans. Da war natürlich die Hofburg die einzig angemessene Unterkunft für ihn. Seine Verbindung zum „Transzendentalen, Irrationalen, Jenseitigen“, das ihn seit dem Ersten Weltkrieg gelockt habe, verkündete er 1957 in einem Interview. Lotte Ingrisch schreibt in ihrem „Reiseführer ins Jenseits“, dass Lernet ihr 1974 in einem Brief aus der Hofburg mitteilte: „Übrigens hat es hier wieder gegeistert, und zwar war’s unser vor mehr als einem halben Jahr verstorbener Hund Cinderella, der sich zweimal wieder gemeldet hat. Das erste Mal, als Cindy geisterte, sprang sie mit den Vorderpfoten an meinen Stuhlrand, wie sie immer tat, wenn sie Zucker wollte, unsichtbar natürlich, und der Stuhl wurde so weit zur Seite geschoben, dass ich mich, da ich mich zu setzen im Begriffe war, fast auf den Boden gesetzt hätte. Es war, auch in jenen Sphären, noch ein echter Lausbubenstreich des kleinen Hundes. Und das zweite Mal, als ich noch im Bett lag und Eva bei mir eintrat, lief ihr Cinderella voraus, natürlich gleichfalls unsichtbar, und sprang, wie es ihre Art war, auf das Fußende des Bettes, so dass das Bett auf und ab schwang. Man mag darüber denken, wie man will.“

       Der Reichskanzleitrakt der Hofburg, in dem sich der Hund Cinderella aus dem Jenseits meldete.

      Die spiritistischen Séancen der schönen „Sisi“

      Die erste Schriftstellerin mit Kontakten zum Jenseits, die in der Hofburg wohnte, war Kaiserin Elisabeth („Sisi“), zumindest hielt sie sich selbst für eine große Dichterin. Sie glaubte, Heinrich Heine (1797 – 1856) führe ihre Hand aus dem Jenseits, wenn sie ihre Gedanken in ihrem Tagebuch niederschrieb oder ihre zweifellos durchaus poetischen Gedichte verfasste. Bekannt ist, dass sie an spiritistischen Sitzungen teilnahm, gemeinsam mit einer alten Freundin aus Kindertagen, der Gräfin Irene Josephine Hermenegilde von Paumgarten (1839 – 1892), einem „Schreibmedium“. Was den Damen aus dem Jenseits diktiert wurde, ist leider nicht erhalten, wohl aber Briefe der Kaiserin an Irene, in denen sie Andeutungen über diese Geisterkontakte macht. Die Originalbriefe wurden übrigens im Jahr 2001 bei einer Auktion um 2.000 Euro an eine nicht genannte Privatperson versteigert.

      Merkwürdige Übereinstimmungen

      Vier bewunderte königliche Damen teilen in einigen Punkten ein ähnliches Schicksal:

      1  Maria Stuart, *1542, †1587 in England, Königin mit 16 Jahren.

      2  Marie Antoinette, *1755, †1793 in Paris, Königin mit 19 Jahren.

      3  Elisabeth (Sisi), *1837, †1898 in Genf, Kaiserin mit 18 Jahren.

      4  Diana Spencer, *1961, †1997 in Paris, Kronprinzessin mit 19 Jahren.

      Alle vier starben eines gewaltsamen Todes, aber in unterschiedlichen Epochen. Alle vier heirateten in sehr jungen Jahren und wurden Kronprinzessin, Kaiserin oder Königin. Und um alle vier ranken sich bis zum heutigen Tag Mythen, Gespenstergeschichten oder Verschwörungstheorien: Mary Stuart irrt kopflos durch Londons Straßen; auf der Place de Grève in Paris, wo einst die Guillotine stand, hört man Marie Antoinettes Seufzer; Sisi geistert in der Hofburg und Lady Dianas Tod gibt noch immer zu Spekulationen Anlass.

       TIPP

       Gottfried-von-Einem-Gedenktafel im Durchgang Michaelerkuppel – Innerer

       Burghof. Lernet-Holenia-Gedenktafel ebendort gegenüber (Batthyány-Stiege).

       Sisi-Museum (Innerer Burghof). Geöffnet täglich 9 : 00 – 18 : 00.

       Bücher von Lotte Ingrisch: Der Himmel ist lustig. Jenseitskunde oder Keine Angst vorm Sterben, Wien 2003. Physik des Jenseits, Wien 2004. Der Geister-Knigge, Wien 2006.

       Friedrich Hebbel wurde durch das „Wunder von Wien“ vom Selbstmord errettet.

      Vielleicht bewahren ja Künstler nach ihrem Tod die Verbindung mit den Stätten ihres irdischen Wirkens besonders leicht. Friedrich Hebbel, einer der bedeutendsten Dramatiker des 19. Jahrhunderts, wurde 1813 in Holstein geboren. Aufgewachsen in ärmsten Verhältnissen, kam er völlig mittellos am 4. November 1845 nach Wien, wo er in einem ungeheizten Mietzimmer in der Josefstadt logierte und sogar verzweifelt an Selbstmord dachte.

      Das „Wunder von Wien“

      Da geschah das Unerklärliche, sein persönliches „Wunder von Wien“. Wie vom Himmel gefallen, erschienen bei ihm die adeligen Brüder Wilhelm und Julius Zerboni di Sposetti, zwei reiche Schlesier italienischer Abstammung, die große Bewunderer seiner Arbeit waren. Sogleich wurde seine Übersiedlung ins vornehme Hotel Erzherzog Karl in der Kärntner Straße arrangiert. Hebbel erwachte erstmals unter „damastenen Decken mit goldenen Fransen“. Die beiden Zerboni versorgten ihn mit allem Nötigen, statteten ihn großzügig mit finanziellen Mitteln aus und führten ihn in die Gesellschaft ein. Hebbel wähnte sich im Paradies. Er schöpfte wieder Hoffnung: „Ich möchte fast glauben, dass mein Leben jetzt eine bessere Wendung nehmen wird, wenn ich auch über das Wie nichts zu vermuten wage. Warum? Weil ich weiß, dass es geschehen muss, wenn ich nicht zugrunde gehen soll … Und ich bin hier in Wien doch wirklich durch ein Wunder festgehalten worden. Dieses Wunder entschied für mein ganzes Leben.“ Er hatte schlagartig finanziell ausgesorgt und konnte sich hinfort ausschließlich seinem literarischen Wirken widmen. Hier wurde er zum bedeutendsten Dichter seiner Zeit. Er zog später in die Vorstadt, wo er noch einige Male innerhalb des 8. und 9. Bezirks das Quartier wechselte. Seit dem Jahre 1846 war er mit der Wiener Burgschauspielerin Christine Enghaus verheiratet, die ihm zwei Kinder gebar. Der Dichter starb 1863 im Alter von nur 50 Jahren und liegt am evangelischen Friedhof in Wien-Matzleinsdorf begraben. Wien war Hebbels Schicksal, und offenbar kann er sich noch immer nicht von der Stadt lösen, denn man begegnet ihm noch heute in einigen seiner Wiener Quartiere:

      1., Kärntner Straße 29 – 31, ehemaliges Hotel Erzherzog Karl

      1., Bräunerstraße 4, mit Gedenktafel

      1., Brandstätte 9, heute ein Neubau mit Café Korb

      8., Wickenburggasse 3

       Der Grabstein Friedrich Hebbels auf dem Matzleinsdorfer Friedhof

      8., Lenaugasse 2, mit Gedenktafel (Café Eiles)

      8., Loidoldgasse 4, mit Gedenktafel

      9., Wasagasse 24

      9., Liechtensteinstraße 13, mit Gedenkmedaillon

      14., Einwanggasse 29, Hebbels „Sommerfrische“

       Friedrich-Hebbel-Gedenktafel 1, Bräunerstraße 4. Der Geist des Dichters spukt noch immer in diesem Haus.

      Immer

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