Drogen. Barbara Gegenhuber

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Drogen - Barbara Gegenhuber

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sich bald als Anziehungspunkt für Drogenabhängige aus der gesamten Schweiz entwickelte. Die Konsument*innen lebten in dem Park und gingen dort offen ihrem Konsum, dem Drogenhandel, der Prostitution und anderen sonst gesellschaftlich unerwünschten Verhaltensweisen nach. Die Stadt tolerierte die Szene und überließ sie sich selbst, was nach und nach zur Ghettoisierung und Verelendung der dort wohnhaften Abhängigen führte. Eine kaum mehr zu bewältigende Anzahl an Überdosierungen und Drogentoten war die Folge. Der mittlerweile als „Needle-Park“ bekannte Platzspitz musste Anfang der Neunzigerjahre geschlossen werden, es brauchte andere Konzepte. Ein Mittelweg zwischen Repression und Freigabe, begleitet von Therapie und schadensminimierenden Angeboten, ist seither die Basis der Schweizer Drogenpolitik. Auch progressivere Konzepte wie die Substitutionsbehandlung mit Diamorphin (Heroin) kommen erfolgreich zur Anwendung, etwas, das in vielen anderen Ländern – Österreich eingeschlossen – politisch undenkbar ist.

      Neben diesen historischen Aspekten sieht man auch an aktuellen Diskussionen, dass die Drogenpolitik nicht nur vom Interesse an einem ordentlichen Umgang mit Süchtigen getragen ist. Während zum einen weiterhin ein Krieg gegen illegalisierte Substanzen geführt wird, gibt es derzeit auch ganz andere Bestrebungen: Die Legalisierung von Cannabis schreitet voran, die Regelungen in den USA sind in einigen Bundesstaaten mittlerweile wesentlich liberaler als im einstigen „Kifferparadies“ Amsterdam. Auch wenn die Tendenz in den USA recht eindeutig in Richtung eines liberaleren Umgangs mit der Substanz geht, ist ersichtlich, dass dieser nicht rein auf evidenzbasierten Fakten zum Nutzen oder der Schädlichkeit der Substanz basiert: Von den fünfzig Bundesstaaten ist in rund einem Drittel der Konsum weiterhin illegal, knapp ein Fünftel hat den Konsum legalisiert, ein weiteres Fünftel erlaubt Cannabis aus medizinischen Gründen und in einigen wenigen Staaten erfolgte eine Entkriminalisierung, ein Modell, dem beispielsweise auch Portugal sehr erfolgreich nachgeht.

      Die Regelungen sind von einer Vielzahl unterschiedlicher, einander zum Teil widersprechender Interessenlagen abhängig. Steuereinnahmen und Qualitätskontrolle sprechen für eine Legalisierung, die potenziell gesundheitsschädliche Wirkung jeder psychoaktiven Substanz ist nicht zu leugnen. Bleibt letztlich die politisch-ideologische Frage, wie viel gesundheitsschädliche Substanzen sich eine Gesellschaft um welchen Preis leisten will und ob man mehr auf Eigenverantwortung oder mehr auf Fremdbestimmung der Konsument*innen setzt.

      Wie ideologisch diese Debatte hierzulande geführt wird, sieht man auch daran, dass sie wenig differenziert ist. Die einen warnen vor Cannabis als Einstiegsdroge, während die anderen nicht einsehen, wieso sie im Keller Bier brauen, aber Gras am Balkon nicht züchten dürfen. Über die Hintertür der Verwendung zu medizinischen Zwecken kann etwas weniger emotionalisiert diskutiert werden, wobei genau diese Vermischung der Liberalisierungsdebatte mehr schadet als nützt.

       VON PROHIBITION BIS LEGALISIERUNG – WAS WIRKT?

      Anhand unterschiedlicher Konzepte von Repression über Entkriminalisierung bis zur Liberalisierung sollen im Folgenden unterschiedliche Zugangsweisen des gesellschaftlichen und politischen Umgangs mit Drogen und deren Konsument*innen thematisiert werden. Zwischen „verboten“ und „erlaubt“ existiert ein breites Spektrum an unterschiedlichen Regulierungsmöglichkeiten, die zur Anwendung kommen können.

      Am oberen Ende eines repressiven Umganges mit Drogen steht deren Verbot, dessen Nichtbeachtung mit bedingten oder unbedingten Haftstrafen geahndet wird. Es ist eine weit verbreitete Ansicht, dass ein Verbot von Substanzen zu geringerem Konsum derselben führen würde. Je strenger die Strafen, desto weniger würden die Menschen diese Substanzen konsumieren, so der allgemeine Tenor. Die Regierung der Philippinen und auch anderer asiatischer Länder verfolgt diesen Zugang mit Vehemenz, der Besitz oder Handel von Drogen wird streng geahndet, bis hin zur Todesstrafe. Dass damit Probleme mit dem Substanzkonsum nicht aus der Welt geschafft werden können, sieht man eindrucksvoll. Auf den Philippinen wird unter Präsident Rodrigo Duterte seit 2016 ein erbitterter Kampf gegen Drogen geführt. Anti-Drogen-Operationen der Regierung spüren Händler auf und scheuen auch davor nicht zurück, diese zu töten. Die offizielle Begründung für solche Todesfälle ist, dass die Täter Widerstand bei deren Verhaftung geleistet hätten. Menschenrechtsaktivist*innen sehen das anders, es ginge lediglich darum, die Dealer aus dem Weg zu räumen, um jeden Preis. Es gibt aber nicht nur dokumentierte Tötungen, sondern auch eine Reihe von ungeklärten Fällen. Killer, die nachts auf Motorrädern die Straßen durchkämmen, erschießen Händler und Konsument*innen, ohne Strafe fürchten zu müssen. Duterte selbst soll sogar einmal bei einem Besuch in den Slums vor hunderten Menschen gesagt haben: „Wer einen Junkie kennt, soll losgehen und ihn töten.“

      Offizielle Zahlen zu den Getöteten gibt es nicht. Es sind aber laut Schätzungen bereits mehrere Zehntausend Menschen, die auf den Philippinen im Krieg gegen Drogen ums Leben kamen. Dazu kommen übervolle Gefängnisse und die Sorge, dass die repressive Politik die Durchseuchungsrate mit HIV und Hepatitis C steigen lässt. Das Wahlkampfversprechen, die Drogenprobleme auf den Philippinen bis spätestens Dezember 2016 mit diesem erbitterten Kampf gelöst zu haben, wartet hingegen noch immer auf die Einlösung.

      Man braucht aber gar nicht auf derartige Extreme zu blicken, um zu erkennen, welche negativen Auswirkungen Drogenverbote haben können. Es reicht ein Blick auf die Drogenpolitik europäischer Länder und deren Umgang mit Cannabis. Vor etwa zehn Jahren wurden vermehrt über das Internet, aber auch in einschlägigen Geschäften, legale Alternativen zu illegalisierten Substanzen angeboten. Shops, in denen man Kräutermischungen als Ersatz für Cannabis oder auch „Badesalze“ als stimulierende Alternative zu Amphetaminen oder MDMA kaufen konnte, schossen wie Pilze aus dem Boden. Die Bezeichnungen „Kräutermischung“, „Badesalz“ oder auch „Pflanzendünger – oft auch noch mit dem Warnhinweis „Nicht zum menschlichen Verzehr geeignet“ versehen, wobei die Konsument*innen genau wussten, wie ernst diese Warnung zu nehmen ist – sollten den eigentlichen Zweck verschleiern: den Konsum zur Berauschung. Einigen Leser*innen wird vielleicht noch die Kräutermischung „Spice“ ein Begriff sein, die im Jahr 2008 in Österreich und anderen europäischen Ländern auftauchte. Verkauft wurde diese Mischung zur Aromatisierung der Raumluft, es war aber bald bekannt, dass sie wie Cannabis geraucht werden konnte. Chemische Analysen ergaben, dass es sich im Wesentlichen um Eibischkraut handelte, dass mit dem synthetischen Cannabinoid JWH-018 angereichert war. Dieses synthetische Cannabinoid stand im Gegensatz zu THC nicht auf der Liste der verbotenen Substanzen im Suchtmittelgesetz, insofern waren auch Vertrieb und Konsum der Substanz legal. Nachdem Letzterer aber, wie sich herausstellte, nicht unproblematisch war, reagierte der Gesetzgeber und verbot mit Dezember 2008 Räuchermischungen, die die chemische Verbindung „Naphthalen-1-yl-(1-pentylindol-3-yl)methanon/JWH-018“ enthalten. Problem gelöst? Mitnichten. Es tauchten laufend ähnliche Produkte mit geringfügiger Veränderung der Molekularstruktur auf, die zwar dieselbe Wirkung hatten, aber nicht verboten waren. So gab es statt „Naphthalen-1-yl-(1-pentylindol-3-yl)methanon/JWH-018“ plötzlich „(Naphthalin-1-yl)(2-methyl-1-propyl-1H-indol-3-yl) methanon (JWH-015)“. Für die Konsument*innen kein Unterschied, für die Verfolgungsbehörden schon, diese Struktur war durch die geringfügige chemische Änderung schließlich nicht mehr verboten. Ein ständiges Katz-und-Maus-Spiel zwischen Produzent*innen und Gesetzgeber.

      Darüber hinaus kamen ab 2009 immer neue Substanzen aus unterschiedlichen Wirkungsklassen hinzu. Neben synthetischen Cannabinoiden gab es zunehmend synthetische Drogen aus immer mehr und anderen Klassen – Cathinone, Piperazine und anderes mehr. Eine schier unüberschaubare Anzahl an Substanzen, die in sogenannten „Head-Shops“, aber auch online vertrieben wurden. Im Internet gab es Verkaufsseiten, die durchaus mit großen Versandhändlern für Bücher oder andere Waren vergleichbar waren. Produkte konnten bewertet, verglichen und mit einem Klick in den Warenkorb gelegt werden. Auch die Bezahlung funktionierte analog anderer Versandhändler mit Kreditkarte oder auf Rechnung, die Lieferung erfolgte in den nächsten Tagen frei Haus.

      Der Kauf dieser Substanzen war denkbar einfach und nicht verboten, die Problematik für die Konsument*innen jedoch eine ganz andere. Die Legalität

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