Darky Green. Adrian Plass

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Darky Green - Adrian Plass страница 15

Darky Green - Adrian Plass

Скачать книгу

Tennant lachte auch, wenn auch nicht so laut wie Mike, und sagte: »Bizarres kleines Geschöpf, was?«

      Darky hatte keine Ahnung, was bizarr war. Er wollte es auch nicht wissen. Er brauchte es nicht zu wissen.

      Hätte man ihm je erlaubt zu lesen, was tatsächlich in seinem Dossier stand, so hätte Darky vielleicht angefangen, jene dunklen, schwierigen Halberinnerungen zu verstehen, die in ihn hineinrauschten wie Gespenster, um sich in den Lücken einzunisten, die durch Unordnung und emotionale Nachlässigkeit entstanden. Die ersten Seiten des Dossiers schilderten, wie er als Krabbelkind den größten Teil jedes Tages in seinem wackeligen kleinen Kinderbettchen zubrachte, ohne Windelwechsel und ohne Essen, sich an dem hölzernen Seitengitter festhielt und mit beiden Händen daran rüttelte und unter Tränen die Rückkehr seiner jungen redegewandten, aber überforderten alleinstehenden Mutter von ihren eigene Lücken füllenden Aktivitäten herbeisehnte, damit sie sich um ihn kümmerte. Mit achtzehn Monaten war Darky in die Fürsorge und zu dem ersten von etlichen Pflegeelternpaaren gekommen, die alle großes Mitleid empfunden hatten, als sie von seinen bisherigen Lebensumständen hörten, aber letzten Endes keine Zuneigung zu der merkwürdigen kleinen Persönlichkeit, die diese Umstände hervorgebracht hatten, zu entwickeln vermochten.

      Seine Mutter sah er nie mehr wieder. Eine Weile lang hatte er oft an sie gedacht, während er heranwuchs. Sie war geradezu der Inhalt aller seiner Hoffnungen und Träume. Wenn er nachts wach lag, war er manchmal ganz sicher, dass er sah, wie sie ihm aus der Dunkelheit zulächelte, drei Handbreit über dem Fußende seines Bettes. Sie hatte das Gesicht eines Engels, getrübt nur vom Kummer darüber, von ihrem Sohn getrennt zu sein. Sie liebte und vermisste ihn. Irgendetwas, irgendjemand hielt sie immer davon ab, zu kommen und ihn zu holen. Eines Tages würde sie ganz sicher auftauchen und ihren kleinen Jungen finden, und dann würde sie ihn mit sich nach Hause nehmen und alles würde wieder gut sein. Dies geschah freilich nie und mit den Jahren verwandelte sich die Sehnsucht in Darky in Zorn und Ablehnung. Verschiedene Pflegeeltern und Fürsorgemitarbeiter hatten ihm den gleichen Trost angeboten. Seine Mutter hatte ihn geliebt, aber sie war zu jung gewesen, um sich richtig um ihn kümmern zu können. Blödsinn. Wenn sie sich je um ihn geschert hätte, wäre er jetzt bei ihr. Er wollte sie nie wiedersehen. Und damit hatte es sich.

      Darky Greens morgendliche Routine lief stets genau gleich ab. Der Moment unmittelbar nach dem Aufwachen löste meist eine vorübergehende Panik aus. Dafür gab es eine Reihe von Gründen. Der Umstand, dass das zugeknöpfte Ende der Bettdecke sich manchmal während der Nacht zur Seite oder gar nach oben gedreht hatte, wo es doch nach unten gehörte; die Haare, die teils in alle Richtungen standen wie geknickte Federn, teils an der Seite seines Kopfes klebten; das zurückgebliebene Gefühl, in den fremden, unbekannten Gefilden des Schlafes das Ruder nicht in der Hand zu haben – all diese Dinge ließen ihn mit einem Satz aus dem Bett springen und sich in die beruhigende Routine des Waschens und der Schadensbehebung stürzen. Je eher alles wieder in Ordnung war, desto eher war die Gefahr vorüber. Er war sich dessen zwar nicht bewusst, aber der erwachsene Darky hatte immer noch Angst davor, Privilegien einzubüßen. Toilette, Dusche, Abtrocknen, reichlich Axe Dimension unter die Arme und um den Schritt, saubere Unterhosen an, Bett machen, Zimmer aufräumen. Dann war es Zeit, sich anzuziehen und an seinen Haaren zu arbeiten.

      Anziehen war eine Kleinigkeit für Darky. Ein Fliegenschiss. Seit er zu Geld gekommen war, hatte er intensiv daran gearbeitet, sich einen »Look« zu verschaffen. Nachdem er ihn gefunden hatte, blieb er dabei. Es war viel einfacher, wenn alles seine Ordnung hatte. Die Unterwäsche lag in der großen Kommode in der Schublade oben links. Die Socken rechts. Jedes Paar sah gleich aus. Glatt weiß. Der Rest seiner Garderobe bestand aus sechs fast identischen Paar schwarzer Jeans in Kindergröße mit Aufschlag, vier Sätzen zu je fünf geknöpften Hemden in Blau, Rot, Grün und Schwarz, einer Sammlung von ledernen Schnürsenkelkrawatten im Cowboystil, teils silbern, teils golden gefärbt, vier Paar Hosenträger, alle rot, und vier dreiviertellangen Jacken im Teddyboystil, farblich passend zu den Hemden. Die Jacken waren Darkys Stolz und Freude. Er liebte es, sie in seinem Kleiderschrank hängen zu sehen, ihm als sein Eigentum ergeben und sich täglich demütig und bereitwillig seiner Auswahl unterwerfend. Ein Harem von Jacken. Sie stammten von »Edward The Seventh«, einer zweistöckigen Nobelboutique, die versteckt in einer kleinen Seitengasse der Regent Street lag, nicht weit vom Oxford Circus, und sie hatten einen Haufen Geld gekostet. Der Kauf einer weiteren dieser Jacken war einer der wenigen Gründe, aus denen sich Darky je irgendwo anders als in Lipsham oder Kington aufhielt. Er hatte mit der Boutique vereinbart, dass er angerufen wurde, wenn eine neue Farbe hereinkam. Das waren herrliche Ausflüge. Er genoss sie wie nichts anderes. Bald war es wieder so weit. Noch schöner war es, wieder nach Hause zu kommen und seine Neuerwerbung in seinen Kleiderschrank zu hängen, dann vom Bügel zu nehmen und wieder aufzuhängen, dann wieder abzunehmen und wieder aufzuhängen. Seine vier Paar Schuhe standen in einer säuberlichen Reihe auf dem Boden an der Seite des begehbaren Kleiderschranks, poliert und einsatzbereit. Es waren die spitzesten Schuhe, die er in seiner Größe finden konnte; fast wie echte Winkle Pickers nach italienischer Art.

      Heute die blaue Jacke und ein blaues Hemd, dazu eine silberne Krawatte. Genau das Richtige für die Brautschau.

      Sobald sein Körper mit Kleidung bedeckt war, fühlte sich Darky schon viel wohler. Er war schon als Kind immer klein für sein Alter gewesen. Das Umziehen in Gegenwart anderer Jungen – oder das Finden von Wegen, es zu vermeiden –, war eines der schlimmsten, stressigsten Dinge in seinem Leben gewesen. In einem Heim in der Nähe von Hastings hatte man ihm wegen seiner pfeifenreinigerähnlichen Arme und Beine und seines klapperdürren Körpers den Spitznamen »Dolly« gegeben. Seither hasste er dieses Wort und Hastings ebenso. Hastings war ein großes, breites Gesicht mit einem höhnischen Grinsen darauf. Am liebsten hätte er Hastings mit einem Spaten eins über den Kopf gezogen und es spätabends irgendwo hinten im Garten vergraben. Jetzt, als Erwachsener, war er für immer zu klein für sein Alter. Er wünschte, er hätte mehr Schamhaare, und nicht in dieser schrecklichen rötlichen Farbe. Und noch manches anderes. Aber seine Kleidung, die hatte er gut im Griff, und das änderte alles. Oh ja, mein Sohn, das änderte alles.

      Nun war es Zeit, sich vor seinem strategisch angebrachten Badezimmerspiegel die Haare zu kämmen. Beinahe ein körperliches Vergnügen. Zuerst das Gel. Herausdrücken. Einreiben. Dann das Beste. Mit den Fingern durch die Haare nach hinten verteilen. Weich und kühl und feucht. Ein paar Mal mehr, als eigentlich nötig gewesen wäre. Tat das gut.

      Zum nächsten Teil der Prozedur brauchte er beide Arme und den ganzen Oberkörper. Er neigte sich auf die Seite, hob die Ellbogen auf eine Höhe mit seinem Kopf und schob sich mit der Linken die langen, blonden Strähnen zum Hinterkopf hin, während er mit der Rechten mit künstlerischem Schwung aus dem Handgelenk den Kamm führte, etwa so wie ein breiter Pinselstrich auf einer Leinwand. Dann schwang er den Oberkörper auf die andere Seite hinüber, als machte er Aerobic-Übungen, brachte die Arme wieder in Stellung und wiederholte den beschriebenen Kämmvorgang auf der anderen Seite. Dann noch ein letzter, entscheidender, geübter Vorwärtsstrich durch die Haare oben auf seinem Kopf, um die extravagante Tolle zu erzeugen, die sein Selbstbild mit einem schwachen Hauch von Clint Eastwood parfümierte.

      Hätte er die Wahl gehabt, so hätte Darky am liebsten sein eigenes Gesicht nie wieder angeschaut. Deshalb waren die Haare und die Kleidung so wichtig. Wie so viele Männer pflegte er eine andauernde, mühsam aufrechterhaltene Fantasie über sein Aussehen, eine Hoffnung wider alle historische Erfahrung, er wäre vielleicht doch attraktiver, als er fürchtete, und die Mädchen verheimlichten aus Gründen, die nur sie selbst kannten, den positiven Anklang, den er bei ihnen fand. Für Darky war das harte Arbeit, aber jene Ruhekissen machten es ihm leichter, die Last zu tragen. Die Ironie dabei, wenn dieses Wort auch für ihn völlig unverständlich gewesen wäre, war, dass Darky trotz seines einen schielenden Auges, seiner beiden vorstehenden Schneidezähne und seiner dreieckigen Kopfform tatsächlich der Kümmerling aus einem Eastwood-Wurf hätte sein können. Eine schlecht getroffene Miniaturausgabe. Eine eingeschrumpfte Version des Originals. Eine Spitting-Image-Puppe, die in

Скачать книгу