Darky Green. Adrian Plass

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Darky Green - Adrian Plass

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dort gar nicht überleben könnte. Ich kann euch sagen, dass ich gerne mit beiden Beinen fest auf dem trockenen Drittel bleibe. Ich glaube kaum, dass ich jetzt noch schwimmen lernen werde.

      Nun, ich glaube nicht, dass Miss Weston ebenso detailliert darüber gesprochen hat, wie Gut und Böse auf der Welt verteilt sind, aber ich glaube, ich hatte schon damals die undeutliche Vorstellung, dass die Menschen am besten in einer Atmosphäre überleben könnten, in der es Freundlichkeit und Rücksicht auf andere und Anteilnahme an dem, was in der Welt vor sich geht, und solche Dinge gibt. Daran habe ich mehr oder weniger mein ganzes Leben lang geglaubt. Aber vielleicht sind ja viel mehr als zwei Drittel der Welt von Dunkelheit bedeckt. Vielleicht sind Willkür und Bosheit in Wirklichkeit ja tief im Kern das Eigentliche und all die Dinge, die mir immer so wichtig waren – nun, vielleicht sind sie nicht mehr als ein kleines, zerbrechliches Boot, das nicht lange durchhalten kann, wenn es stürmisch wird.«

      Allmählich fand Tom Lances trostlose Stimmung ansteckend. Kein Wunder, angesichts der jüngsten Ereignisse. Er stützte seine Ellbogen auf die Knie und sein Gesicht in die Handflächen und versuchte sich etwas Konstruktives einfallen zu lassen, was er sagen könnte. Nachdem ihm das nicht gelang, sagte er trotzdem etwas.

      »Wodurch hat sich denn das Bild für dich so sehr verändert, Lance? Ich meine – ist da etwas Bestimmtes vorgefallen, oder …«

      »Eine Menge Dinge«, unterbrach ihn Lance, dessen Stimme immer noch trüb und schwer und leblos klang wie eine Schieferplatte. »Unzählige Dinge. Vor ein paar Wochen stand ein Artikel in der Zeitung. Ich glaube, im Fernsehen kam es auch. Es war in London. Ein Mann war zu Fuß auf dem Heimweg, nachdem er länger im Büro gewesen war. Eine Gruppe von drei oder vier jungen Männern und einem Mädchen hielt ihn mitten auf einer Brücke an und sie sagten ihm, er solle ihnen sein ganzes Geld geben, sonst würden sie ihn ordentlich zusammentreten. Er hatte nur zehn Pfund bei sich, und die gab er ihnen. Sie meinten, er lüge, er habe bestimmt noch irgendwo etwas versteckt. Zwei von ihnen hielten ihn fest, während die anderen seine Taschen durchsuchten. Als sie feststellten, dass er die Wahrheit sagte, ließen sie ihn aber nicht gehen. Sie schleuderten ihn zu Boden und fingen an, auf ihn einzutreten. Beth, Tom, sie traten ihn an den Kopf und ins Gesicht, so fest sie konnten. Stellt euch ein Gesicht vor, den Mund, die Nase, die Augen, und dann stellt euch vor, wie schwere Stiefel erbarmungslos da hineingerammt werden. Nicht nur erbarmungslos, sondern mit – Begeisterung. Versucht euch das vorzustellen. Versucht euch einmal zu der Vorstellung zu zwingen, wie ihr mit dem Fuß ausholt und mit aller Kraft in die weichen, verletzlichen Teile des Gesichtes eines Menschen tretet. Ihr werdet daran nicht einmal denken können. Nicht einmal in Gedanken könntet ihr euren Fuß dazu bewegen. Ihr werdet merken, wie euer ganzer Körper sich vor Abscheu und Ekel zusammenkrampft. Und dann stellt euch vor, wie ihr denkt, dass es richtig gut ist, das zu tun. Stellt es euch einfach mal vor.

      Danach fing einer von denen an, auf seinem Kopf herumzuspringen, während die anderen drum herumstanden und lachten. Nach einer Weile hatten sie genug davon; also hoben sie auf, was von ihm noch übrig war, warfen ihn übers Geländer in den Fluss und rannten weg. Wenig später wurde er so gut wie tot aus dem Wasser gezogen. Im Krankenhaus kam er noch einmal zu sich, gerade lange genug, um mit ein paar gestammelten Worten zu erzählen, was passiert war; dann starb er auf dem Operationstisch. Zehn Pfund, Beth. Sie trampelten auf seinem Kopf herum, weil er nicht mehr als zehn Pfund bei sich hatte, die sie ihm stehlen konnten. Woher nahmen sie die Wut und den Grund und das Recht dazu? Ein ganzes komplexes Leben, voller Menschen und Aktivitäten und Hoffnungen und Pläne, einfach zu Tode gestampft von den Monstern, die zweifellos in mir genauso lauern wie in diesen vier Leuten auf der Brücke. Alles für den Preis von einer Runde Bier oder zwei Kinokarten.«

      Lance schüttelte den Kopf. Die Geste hatte etwas Abschließendes, als wäre seine Beweisführung lückenlos und unwiderlegbar und als erübrigte sich jede weitere Debatte.

      »Lance, ich glaube, ich weiß, was du meinst, wenn du sagst, dass das Potenzial für solche Dinge in uns allen steckt«, wandte Beth behutsam ein, »aber du weißt genauso gut wie Tom und ich, dass du nie im Leben so etwas Brutales tun würdest. Genauso wenig wie Tom und ich. Du bist einer der freundlichsten, warmherzigsten Menschen, die ich kenne. Daran wird sich auch nichts ändern. Ist das nicht auch die Wirklichkeit? Warum sollte das nicht genauso wirklich sein?«

      »Es ist ja nicht nur das allein. Tom weiß, dass das noch nicht alles ist.«

      Lance legte sein Kissen zur Seite, stieg schwerfällig vom Bett und ging hinüber ans Fenster, um hinauszustarren. Direkt gegenüber dem Haus der Wilsons stieß der ausgestreckte Finger eines großen Stadtparks auf die Straße. Die letzten Sonnenstrahlen eines kurzen Tages umschmeichelten dort die mit Laub übersäte Erde unter den Bäumen und schufen mit ihrem schräg einfallenden Glanz einen herrlichen, rotgoldenen Teppich.

      »Ich habe diese Spätnachmittage im Oktober schon immer geliebt«, sagte Lance leise, »wenn die Sonne wie eine riesige, von innen beleuchtete Orange über den Horizont rollt und die Luft von dieser wunderbaren, berauschenden Mischung von Tragik und Ekstase erfüllt ist. Alles hat eine Tiefe, voller Möglichkeiten, alles ist voller Behagen und irgendwie auf den Kopf gestellt, und der erste, schwache, aufregende Hauch von Weihnachten, wie ein echtes Kind ihn wahrnimmt, liegt in der Luft. Manchmal denke ich, wenn ich wirklich wollte, könnte ich meine Hände und Arme tief in diese Jahreszeit hineintauchen, als wäre sie ein altes Holzfass voller kräftiger, dunkler, schwerer Erde.«

      Er drehte den Kopf und schaute wieder ins Zimmer. In seiner Stimme lag eine stille, hoffnungslose Gewissheit.

      »Sie verderben den Herbst, wisst ihr. Diese ganzen Leute. Sie verderben den Herbst. Sie nehmen ihm seine Bedeutung, seine Leidenschaft. Oder zumindest – sie könnten es tun, oder?« Er machte eine plötzliche, wilde Geste mit einer Hand. »Vielleicht nicht heute Abend, aber morgen oder übermorgen oder überübermorgen. Und seht ihr, wenn das möglich ist, wenn das passieren könnte – nun, du hast es ja in deinem Brief selbst gesagt, Tom. Leute wie wir, die mit Vorstellungskraft gesegnet und verflucht sind, müssen uns fragen, ob es sich überhaupt lohnt, uns anzustrengen und zu versuchen, eine andere Art Mensch zu sein. Denn die Sache ist die: Es macht denen überhaupt nichts aus, diese – diese Abkürzungen zu nehmen. Und wenn ihnen das alles egal ist, dann können sie einfach auf allem herumtrampeln, nicht wahr? Es macht das Leben viel einfacher, wenn einem alles egal ist. Und wenn sie dann tatsächlich auf allem herumtrampeln, dann haben sie gewonnen. Ihr müsst doch begreifen können, was ich meine. Sie haben durch Mogelei gewonnen. So, wie wenn man beim Schach oder bei Dame das Brett umstößt, wenn man am Verlieren ist. Plötzlich existiert das Spiel einfach nicht mehr, weil sie – es zerschlagen haben, ihm den Kopf eingetreten haben. Und schon spielt das ganze andere langweilige, brillante Zeug keine Rolle mehr.«

      Er wandte sich wieder dem Park zu.

      »So ist das nun mal. Ende der Geschichte. Sie verderben alles. Und allmählich macht mich das krank und hoffnungslos. Deswegen habe ich hier herumgesessen und nichts getan. Ich meine – was gibt es denn noch? Mir fällt nichts anderes ein, was ich tun könnte.«

      Tom fragte sich, wie Mrs. Wilson wohl reagieren würde, wenn sie erfuhr, dass er selbst, weit davon entfernt, Lance aus dem Sumpf der Verzweiflung herausziehen zu können, in dem er versunken war, allmählich das Gefühl hatte, er könnte sich genauso gut neben seinen Freund aufs Bett setzen und sich einer ganz ähnlichen Verzweiflung hingeben. Was er selbst kürzlich erlebt hatte, hatte eine Tür in ihm geöffnet, durch die Lances Pessimismus hereinkommen und sich in ihm einnisten konnte. Einen Moment lang sank ihm der Mut. Er kam sich ratlos und verloren vor.

      Jedes Mal, wenn Lance Toms Brief und seine negativen Auswirkungen erwähnt hatte, war es von Beth mit einem fassungslos vorwurfsvollen Blick oder Kopfschütteln in Richtung ihres Freundes quittiert worden. Tom wusste nur zu gut, was sie dachte. Warum in aller Welt hatte er, der doch die Anfälligkeit seines Freundes in bestimmten Bereichen kannte, Lance mit einer so ausgiebig ausufernden Bürde düsterer

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