Attentat Unter den Linden. Uwe Schimunek

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Attentat Unter den Linden - Uwe Schimunek

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      Kirchner überlegte, ob er so eine Bewegung auch hinbekommen würde. Nein, so etwas Entzückendes konnten nur Frauen machen. »Mein Name ist Kirchner, Adalbert Kirchner. Und meinen Arm biete ich Ihnen lieber nicht an. Sie würden nass werden.« Er wies ihr mit der rechten Hand den Weg, legte den Waffenrock über den linken Unterarm, nahm die Pickelhaube und … bemerkte, dass er immer noch keine Schuhe trug. Sollte er mit den nassen Strümpfen in die Stiefel schlüpfen? Oder die Strümpfe erst ausziehen? Oder barfuß laufen?

      Fräulein Tschech nahm ihm die Entscheidung ab, indem sie die Stiefel aufhob und sagte: »Kommen Sie! Bis zur Decke wird es gehen.«

      Sie liefen nebeneinander über die Wiese. Fräulein Tschech reichte Kirchner etwa bis zur Nase. Genau die Größe, die eine Frau haben musste, um sich an seine Schulter zu lehnen, dachte Kirchner. Schnell weg mit dem Gedanken - von Anlehnen, Umarmen und anderen Zärtlichkeiten waren er und die Frau neben ihm so weit entfernt wie ein Ochse von einem Universitätslehrstuhl. Und für den Augenblick fiel ihm auch nichts ein, was das ändern könnte. Die nasse Hose hing an ihm, als sei sie ein alter Lappen. Elegant sah das bestimmt nicht aus.

      »Ich hatte auch einmal einen Hund. Eine Schäferhündin.« Sie schaute zu ihm auf. Ihre Augen waren braun wie Kastanien.

      »Was ist mit Ihrem Hund?«

      »Er ist tot.«

      Warum stellte er so dumme Fragen? Als hätte die Vergangenheitsform in ihren Worten nicht genügt. Wie konnte er nur so grob sein?

      »Olga hat wahrscheinlich den Umzug in die Residenzstadt nicht vertragen. In der Kleinstadt war sie glücklicher.« Fräulein Tschech schaute in den Sommerhimmel, träumte anscheinend von Hund und Provinz.

      Kirchner biss sich auf die Zunge. Nur nicht gleich wieder eine so blöde Frage stellen! Doch sie sprach nicht weiter. Sie sah ihn nur an, als würde sie gern etwas sagen, aber traue sich nicht. Sie schwiegen. Was sollte er fragen, ohne sie noch trauriger zu machen? »Wo haben Sie mit Ihrem Hund gewohnt?« Das war sicher nicht die beste Frage, dachte Kirchner, aber immerhin beendete sie das Schweigen.

      »Unsere Familie hat in Storkow gewohnt. Mein Vater war dort Bürgermeister. Es war eine glückliche Zeit. Die Felder, die Wiesen … Wir hatten ein schönes Haus mit einem großen Garten.« Fräulein Tschech lächelte beim Reden, als erlebe sie die Stunden gerade noch einmal. Dann kräuselte sie die Stirn und sagte: »Aber die Menschen … Es gab viele üble Neider. Deswegen mussten wir dort weg.«

      Sie senkte den Kopf und schaute zu ihm. »Aber ich möchte Sie nicht mit meiner Vergangenheit langweilen …«

      Wenn es etwas gab, das Kirchner in diesem Augenblick nicht verspürte, dann war es Langeweile. Ihr Mund sah zwar auch geschlossen hübsch aus - aber wenn sich die Lippen bewegten, konnte er kaum seinen Blick von ihnen lösen.

      Sie hielt ihm die Stiefel hin, nur waren seine Strümpfe immer noch nass. Sie lächelte. Er schlüpfte in die Stiefel, es klang, als würde eine zahnlose Oma Kartoffelbrei schmatzen.

      Wie konnte er sie wiedersehen? Was konnte er sagen, ohne aufdringlich zu wirken? »Bestimmt kommt Ihr Vater bald zurück.« Das war nicht das Richtige. Warum fielen ihm keine passenden Worte ein?

      Sie nickte.

      Er stand auf, hob Waffenrock und Pickelhaube auf, verbeugte sich und sagte: »Ich gehe oft im Thiergarten spazieren …« Eine Hitzewelle stieg von seinem Hals hinauf zum Kopf. Verstand sie seine Worte richtig, oder wirkten sie zu dreist?

      Sie lächelte und machte einen Knicks. Kirchner drehte sich um und schritt in seinen durchnässten Hosen Richtung Stadt.

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