Schaurige Geschichten aus Berlin. Jan Eik
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Beim Anflug auf denselben Flughafen Schönefeld stürzte am 12. Dezember 1986 etwa drei Kilometer vor der Landebahn eine TU 134 der Aeroflot in ein Waldstück bei Bohnsdorf. Bilanz: 72 Tote, darunter eine Schulklasse. Die für die »Luftkontrollzone Berlin« verantwortlichen Alliierten konstatierten »menschliches Versagen« als Unglücksursache. Die Flüsterpropaganda der Ost-Berliner Nachrichtenagentur FAMA wusste es besser: Die Ursache hieß Wodka.
Zu guter Letzt leistete sich der 19-jährige Soldat Wladimir Gregorenko, den seine Braut verlassen hatte, noch eine Kapriole, die ein paar Jahre früher böse ausgegangen wäre. Am frühen Morgen des 19. November 1990 rasselte er in einem schweren sowjetischen Schützenpanzer über Avus und Kudamm, donnerte über rote Ampeln und rammte in der Bülowstraße einen VW-Bus der Polizei.
Nach halbstündiger Irrfahrt verließ er an der Waltersdorfer Chaussee das Stadtgebiet. Bei Potsdam gelang es einem russischen Unteroffizier, den Sehschlitz des Schützenpanzers mit seiner Jacke zu verstopfen. Wladimir wanderte in den Knast.
Als besonders gefährlich hat sich auch in Berlin die Erdgasversorgung herausgestellt. Mehrfach manipulierten Kriminelle die Zuführungen zu Wohnhäusern und verursachten schwere Unglücke. Die schwerste Explosion ereignete sich am 4. August 1998 kurz nach sechs Uhr in der Lepsiusstraße 57 in Steglitz, bei der ein viergeschossiges Wohnhaus völlig zerstört wurde. Die traurige Bilanz: sieben Tote, eine gerettete Person, ein geretteter Hund und eine gerettete Katze.
Huren, Hexen, Zauberer
Eine unabhängige Justiz?
Wer da glaubt, unsere Altvorderen hätten es sich mit der Justiz leichtgemacht, der irrt. Betrachtet man allerdings die Zeit, die einst zwischen der Tat, der Anklage, dem Urteil und dessen Vollstreckung verging, so können wir Späthinteren von so kurzen Zeiträumen nur träumen.
Joachim Nestor belieh 1508 den Rat von Berlin und Cölln mit der oberen und unteren Gerichtsbarkeit, die vorher als Lehen in den Händen von Einzelpersonen gelegen hatte. 1536 mussten die Städte das untere Stadtgericht für 2250 Gulden erneut vom kurfürstlichen Küchenmeister Hans Tempelhof erwerben.
Bei todeswürdigen Verbrechen war es im 16. Jahrhundert üblich, das Urteil vom Schöffenstuhl in Brandenburg sprechen oder zumindest bestätigen zu lassen. Auch als das Berliner Kammergericht zwischen 1617 und 1632 zeitweilig Strafprozesse führte, schickten die überlasteten Räte die Akten gerne nach Brandenburg. Ab 1611 gestattete ein Landtagsabschied, dass in peinlichen Sachen fortan auch das Urteil von der Frankfurter Juristenfakultät geholt werden dürfe – um die Landesuniversität zu fördern!
Natürlich war die Justiz nicht unabhängig. Der Kurfürst musste die Urteile bestätigen und griff häufig genug direkt oder durch seine Räte ein. Als 1624 beispielsweise 13 Soldaten Pferde gestohlen hatten und erklärten, sie hätten keinen Raub begehen wollen, gedachten die Schöffen und Richter, sie nicht ohne klares Geständnis hinrichten zu lassen. Der Dompropst und die Kurfürstin verwandten sich für die Diebe, und Kurfürst Georg Wilhelm begnadigte fünf von ihnen.
Die Strafen waren im Allgemeinen drakonisch. Jedoch verschwanden die mittelalterlichen Gottesurteile allmählich, bei denen die Angeklagten, um ihre Unschuld zu beweisen, furchtbaren Prüfungen ausgesetzt wurden, die sie nur mit der besonderen Gnade Gottes bestehen konnten. In Berlin mussten die Beschuldigten ohne Brandverletzungen ein glühendes Eisen von bestimmtem Gewicht neun Schritte weit tragen, unverletzt einen Ring oder Stein aus einem Kessel siedenden Wassers fischen oder im Zweikampf gegen den Prozessgegner den Sieg davontragen.
Der Todeswürfel
Die häufig überlieferte Berliner Sage vom Todeswürfel verlegt ein solches Gottesurteil noch in die Zeit des Großen Kurfürsten. Da habe in Berlin ein wohlhabender Waffenschmied gelebt, der eine wunderschöne Tochter besaß. Zwei Leibtrabanten des Kurfürsten, Heinrich und Rudolf, entbrannten in Liebe zu der liebreizenden Jungfrau, die sich jedoch anfangs für keinen zu entscheiden vermochte. Erst als der stillere Heinrich durch eine überraschende Erbschaft plötzlich zu Geld gekommen war und er überdies den alten Waffenschmied eines Abends vor den Misshandlungen roher Gesellen zu schützen wusste, wandte sie sich ihm zu. Rudolf, mit heftigerem Charakter, verging fast vor glühender Eifersucht und schlich den beiden auf Schritt und Tritt nach. Als er sie eines Abends beim Abschied am Brunnen belauerte, brachten ihn die Liebkosungen, die das Mädchen Heinrich gewährte, derartig in Wut, dass er mit dem Schwert auf die Ärmste einstach, kaum dass Heinrich verschwunden war.
Man fand das Mädchen in seinem Blut liegend. Der Mordverdacht fiel zwar sofort auf Rudolf, dessen Eifersucht bekannt war, aber auch Heinrich, der noch kurze Zeit zuvor mit dem Mädchen gesprochen hatte, kam als Täter in Frage.
Der unglückliche Vater verlangte vom Kurfürsten die Bestrafung des Verbrechers. Der ließ auch wirklich die beiden Trabanten verhaften. Beide leugneten die Tat entschieden und legten auch auf der Folter kein Geständnis ab. Der Kurfürst wollte deshalb kein Urteil fällen, sondern stellte die Entscheidung Gott anheim. Er befahl, die beiden sollten um ihr Leben würfeln; wer den höheren Wurf tat, sollte als unschuldig gelten.
Vor der Front der angetretenen Leibtrabanten wurde eine Trommel aufgestellt, dabei stand ein Geistlicher, und unweit davon wartete der Sarg auf den Unterlegenen. Vergeblich forderte Heinrich noch einmal von seinem Kameraden, sich schuldig zu bekennen. Der nahm wortlos die beiden Würfel und warf zwei Sechsen auf das Trommelfell. Damit war Heinrich so gut wie gerichtet. Doch der ließ sich nicht beirren, flehte zu Gott, er möge ein Zeugnis seiner Unschuld ablegen, und warf die Würfel so heftig auf die Trommel, dass der eine in zwei Teile zersprang, die eine Sechs und eine Eins zeigten. Auch der zweite zeigte die Sechs, so dass nun 13 Augen auf der Trommel lagen. Rudolf, von diesem offenbaren Gericht Gottes ergriffen, stürzte wie vom Blitz getroffen zu Boden und leugnete seine Schuld nicht länger. Der Kurfürst verurteilte ihn zu ewigem Gefängnis, um ihm Zeit zur Reue zu lassen, doch er verfiel im Kerker dem Wahnsinn und erhängte sich. Auch Heinrich wurde seines Lebens nicht mehr froh. Er suchte und fand den Tod in der Schlacht. Der zersprungene Todeswürfel aber wurde noch lange in der Kunstkammer des königlichen Schlosses in Berlin aufbewahrt.
Der Kaak
Die Strafen des Stäupens (Züchtigen mit Ruten) und des Prangerstehens im Halseisen an der Schandsäule wurden für Verurteilte, denen Schimpf und Schande angetan werden sollte, gleich unter dem Kaak an der Gerichtslaube des alten Berliner Rathauses vollzogen. Die noch heute vorhandene Kopie des Kaak stellt einen großen Vogel mit Flügeln, Eselsohren und einem verzerrten Menschengesicht dar. Die Gerichtsstube lag über der Durchfahrt zur Ratswaage, darüber befand sich im Dachboden die Folterkammer. Im Keller des Rathauses gab es ein Gefängnis, den sogenannten Krautgarten. Hinrichtungen durch das Schwert fanden jahrhundertelang vor beiden Rathäusern statt, bis sich im Jahre 1694 die Anwohner des Berliner Rathauses wegen der damit verbundenen häufigen Verkehrsstörungen beschwerten. Erst dann wurde das Hochgericht auf den Neuen Markt verlegt.
Die Gerichtslaube, ein Anbau am alten Berliner Rathaus, ist heute gleich zweimal als Rekonstruktion vorhanden. Da sie 1872 dem Neubau des Roten Rathauses im Wege war, versetzte man das offene Gebäude in den Schlosspark Babelsberg. Hundert Jahre später passte es den Bauherren des Nikolaiviertels ins historisierende Konzept, eine Gaststätte in der Poststraße als zweite Kopie der Gerichtslaube zu errichten.
Das Hurenhaus
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