Ordo Templi Magica. Karin Bachmann
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Als er fertig war, wurden seine Augen erneut verbunden und er wurde in eine Kammer geführt, die jeglicher Einrichtung entbehrte. Man gab ihm ein großes Buch und eine Kerze, er solle sich darin versenken. Die Tür schloss sich hinter ihm und er starrte im Kerzenlicht die kahlen Wände an. Es war kühl und in Ermangelung einer Sitzgelegenheit schritt Paul erst einmal die Wände ab. Er vermutete irgendwo eine Kamera, konnte im ersten Moment aber nichts entdecken.
Also legte er den Umhang ein paar Mal zusammen, legte ihn nahe einer Wand und setzte sich darauf. Das Buch zog er auf seine Oberschenkel. Es war in Leder gebunden und ziemlich schwer. Sein Blick fiel auf die gegenüberliegende Wand und zuerst dachte er, an der Wand säße eine Stubenfliege. Als diese sich aber nicht bewegte, schaute er genauer hin und sah einen leichten Glanz. Also doch eine Kamera, dachte er. Seine Maske hatte er noch an, also würde er diese auch nicht leichtsinnigerweise abnehmen, wer wusste schon, wer die Kameraaufzeichnungen ansah.
Er sah auf dem Ledereinband des Buches das Keltische Symbol, in dessen Mitte das Satanskreuz prangte. Er fuhr mit dem Finger die Goldprägung nach und als er mittig über das Satanskreuz fuhr, rieselte ihm auch jetzt ein eisiger Schauer über den Rücken.
Entschieden schlug er das Buch auf. Regeln über Regeln fand er auf den ersten Seiten. Beinahe wie die zehn Gebote in der Bibel, jedoch ausführlicher und ähnlich der Suren im Koran.
Was er alles nicht durfte und sollte, war hier ausführlich festgehalten, Paul fragte sich, wie man unter diesen Umständen sein altes Leben weiterführen konnte, wahrscheinlich sehr eingeschränkt. Er nahm sich fest vor, ab sofort sein Handy nur noch für Lappalien zu benutzen, vermutlich wussten sie durch Ortung seines Handys immer, wo er sich in Zukunft aufhalten würde. Er musste zumindest das Schlimmste annehmen.
Die Liste der Regeln war zugleich mit den passenden Strafen beschrieben, so dass man erst gar nicht in Versuchung kam, einen Fehltritt zu begehen.
Außerdem musste man schwören, dass nie ein Wort nach außen dringen durfte. Dafür bezahlte man mit dem Leben.
Nach einigen Seiten kamen die Bedingungen um in den Orden einzutreten, unter anderem die ausnahmslose Verehrung des Großmeisters gepaart mit gebührendem Respekt. Hätte Paul nicht schon mitbekommen, welche Gräueltaten der Großmeister abhielt, man hätte diesen für einen Heiligen gehalten.
Dann gab es einen Leitspruch, der alles rechtfertigte, was der Führer als Wahrheit verkündete. Egal, ob es moralisch verwerflich war, oder sogar kriminell, durch die Leugnung der Existenzberechtigung anderer, die nicht an den Orden und seine Macht glaubten, hatten die anderen Menschen keine Rechte, und konnten somit gebraucht oder sogar vernichtet werden.
Paul gruselte es innerlich, konnten die Menschen ohne mit der Wimper zu zucken so etwas einfach akzeptieren und hier im Orden frisch und fröhlich mitwirken? Würde sich ein normal veranlagter Mensch auf so etwas einlassen? Anscheinend ja, denn es gab enorm viele Sekten und diese hatten auch regen Zuspruch. Eine Leitfigur, die einem sagte, wo es langging, die einem Dinge versprach, die mit göttlicher Reinheit gleichzusetzen waren, die sich allerdings erst nach dem Ableben erfüllen würden, und schon waren die Menschen am Nacheifern. So einfach war das.
Aber Paul vermutete noch etwas anderes. Den Willen eines Menschen konnte man auch formen, Gehirnwäsche einmal ausgeklammert. Durch Trance und Meditation wurde der Geist frei und da konnte man ein Samenkorn einpflanzen.
Was Paul jedoch nicht wusste, die meisten Mitglieder wurden erpresst. Sie hatten einen schlechten Lebenswandel und mussten vor allen Mitgliedern eine Beichte ablegen. Dadurch wurden sie mit ihrem eigenen schlechten Lebenswandel bei der Stange gehalten. Denn ihre geheime Identität konnte jederzeit vom Großmeister aufgehoben werden und damit hatte er sie in der Hand. Waren die Mitglieder, oder solche, die es erst werden wollten, an diesem Punkt angekommen, konnten sie schon nicht mehr zurück.
Paul kam es vor, als seien Stunden vergangen, die Kerze war fast heruntergebrannt. Er konnte nicht mehr knien und erhob sich mühsam, sein Bein war eingeschlafen. Er schritt die wenigen Meter in seiner Zelle, wie er sie insgeheim nannte, auf und ab. Bisher hatte er niemanden mehr gesehen oder gehört, vielleicht ließen sie ihn hier eingesperrt und vergaßen ihn einfach, wer wusste das schon. Er hörte seinen Magen lautstark gegen das unfreiwillig auferlegte Fasten protestieren, und nun war auch die Kerze erloschen. Er hatte zwar noch seine Taschenlampe, doch was hätte es für einen Sinn, leere Wände zu beleuchten. So setzte er sich wieder, legte seinen Kopf gegen die Wand und versuchte ein wenig zu schlafen.
Kapitel 8
Nach weiteren Stunden ging die Tür auf und der Lichtschein einer Fackel erhellte den Raum. Paul war noch etwas benommen, denn richtigen Schlaf hatte er nicht bekommen. Sein Genick war steif und sein Körper fühlte sich unbeweglich an. Mit einem Blick auf seine Armbanduhr bestätigte die Uhrzeit sein Gefühl, es war zwei Uhr in der Nacht, eine Zeit, in der er sonst selig schlief.
Man bat ihn mitzukommen, seine Augen wurden nicht verbunden, denn er wurde nur zwei Räume weitergeführt. Hier waren Duschen, Waschbecken und auch Toiletten. Ein Mann sagte ihm, er solle sich gründlich reinigen, denn die Reinigung sei ein wichtiger Punkt ihrer Rituale. Das hatte Paul natürlich in dem großen Buch des Ordens schon gelesen.
So ging er zuerst einmal auf ein Örtchen, das war schon seit einiger Zeit nötig und zog sich dann aus, um zu duschen. Seine Maske musste er nun abnehmen, es war niemand im Raum und er konnte nur hoffen, dass hier nicht auch überall Kameras angebracht waren. Er hielt aber seinen Kopf ständig gesenkt, vielleicht konnte er so sein Gesicht verbergen. Frische Handtücher lagen bereit und er wollte gerade in seine Kleidung schlüpfen, als er merkte, dass sie verschwunden war. Nur seine Maske war da. Also zog er sich diese über und schlang ein frisches Handtuch um die Hüften. Kaum war er damit fertig, ging auch schon die Tür auf und er wurde in ein weiteres Zimmer geleitet. Er musste sich in die Mitte des Raumes stellen und die Arme ausbreiten. Drei vermummte Gestalten zündeten Weihrauchkessel an und schwenkten damit herum. Die drei Gestalten umrundeten ihn und der Rauch umnebelte seine schlanke Gestalt. Eine Reinigungszeremonie, dachte Paul. Die drei Männer sangen unaufhörlich mit monotoner Stimmlage und Paul tränten schon die Augen vom Rauch, als endlich dieses Zeremoniell beendet wurde. Sie verbanden seine Augen und führten ihn wieder hinaus. Diesmal ging es die Treppe wieder hinauf, Paul konnte sich gut vorstellen, wo er sich befand. Er war sehr froh über seinen guten Orientierungssinn. Ihm war etwas kalt, denn er lief noch immer in seinem Handtuch durch die Gegend. Was würde da noch auf ihn zukommen, fragte er sich bang.
Die Augenbinde wurde ihm wieder entfernt und er sah sich mindestens den Blicken von dreißig Augenpaaren ausgesetzt, die alle aus dunklen Löchern ihrer Maske auf ihn starrten. Jeder von ihnen trug eine schwarze Robe und nun stimmten sie einen Gesang an, der Paul frösteln ließ. In der großen Säulenhalle schallten die Töne wider und es klang ergreifend und gleichzeitig gruselig-gespenstisch. Seine Nackenhaare stellten sich unweigerlich auf, doch er atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Der steinerne Opfertisch war nicht weit entfernt. Er stand jedoch genau in der Mitte der maskierten Männer. Der Kreis, der um ihn gebildet worden war, war wie mit einem Zirkel gezogen. Keiner stand auch nur einen Millimeter verkehrt. Diese Perfektion hatte irgendwie etwas Beängstigendes. Der monotone Gesang wurde immer lauter, bis er in einem Paukenschlag endete. Genau diesen Augenblick nutzte der Großmeister für sein Erscheinen und effektvoll quoll weißer Rauch hinter ihm auf. Es machte den Eindruck, als sei er eben aus dem Nichts aufgetaucht. Paul dachte noch, was man so alles mit Lichttechnik und Effekten wie Rauch, machen konnte, war schon gewaltig beeindruckend. Schlagartig verstummten alle, es war so still im Raum, dass noch nicht einmal ein Atmen