Namaste geht immer. Gabriele Prattki
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Rückblick
Sabina und Ella hatten sich als Kolleginnen kennengelernt. Als Ella erfuhr, dass Sabina eine Wohnung suchte, vertraute sie ihr an, dass sie Probleme mit ihrem Mann hatte und eine neue Bleibe suchte. Ohne ein einziges Möbelstück zog Ella bei Sabina ein. Über sie lernte Sabina die anderen Globetrotter kennen und erfuhr von deren Art zu reisen, die sie nicht kannte. Da sie zu der Zeit selbst gesundheitliche und ebenfalls Beziehungsprobleme hatte, schien jede Veränderung ein Lichtblick zu sein.
So hatte sie 1982 Ellas Vorschlag zu einer Reise nach Westafrika gern angenommen und sich bei den Vorbereitungen um nichts gekümmert, weil sie Ella und ihrer Erfahrung vertraute.
In Côte d`Ivoire hatten sie Kontakt zu sogenannten Entwicklungshelfern, bei denen sie ein paar Tage bleiben durften. Der Techniker in Abidjan arbeitete nur deshalb noch dort, weil er sein Gehalt und den Luxus liebte, den er sich zu Hause nicht hätte leisten können. Er sammelte und exportierte heimlich wertvolle Kunstgegenstände. In den acht Jahren seiner Tätigkeit sei er zum Rassisten geworden, erklärte er, weil die Einheimischen eine andere Arbeitsmentalität hätten und nervtötend langsam wären. Oft würden sie so tun, als ob sie ihn nicht verstehen könnten. Das machte ihn rasend. Entsprechend menschunwürdig behandelte er seine Hausangestellten, was Sabina und Ella betreten zur Kenntnis nahmen.
In Ferkessedougou, einer Stadt im Norden des Landes, war die Frau eines anderen Technikers an einer lebensgefährlichen Form von Malaria erkrankt und wurde in Deutschland behandelt. Der Mann nahm Ella und Sabina eines Nachts mit zu einer Dorfzeremonie. Ella war erfreut und neugierig, Sabina erst ängstlich, dann fasziniert und wie betäubt von den fremden Gerüchen, Trommelgeräuschen und tanzenden Gestalten, die sie und Ella bald mit in ihren Kreis aufnahmen. Jene Nacht blieb eine Erinnerung voller Magie.
In einem einfachen Restaurant im damaligen Obervolta kamen Kinder an ihren Tisch und starrten hungrig auf das Essen für Sabina und Ella. Sabina konnte kaum einen Bissen zu sich nehmen, schob den Teller beiseite und blickte die Kinder an. Die stritten sich um die Reste.
Ella hatte herausgefunden, dass es östlich von Ouagadougou, der Hauptstadt des Landes, ein Dorf mit einem Häuptling geben musste, der Französisch sprach. Nachdem sie und Sabina aus einem Buschtaxi mitten in der weiten, trostlosen Wüstenlandschaft der Sahara ausgestiegen waren, suchte Ella danach. Der Himmel war rot vom Wüstenwind. Einige Kinder kamen ihnen entgegen, die sie nach gestenreicher Verständigung zu jenem Dorf führten. Ella war begeistert, als sie dem Häuptling, einem jungen Mann, vorgestellt wurden und sie ihn zum Dorfleben befragen durfte. Bei der Führung durch den Kral wurden sie, die fremden Frauen, freundlich und oft zahnlos lächelnd begrüßt.
Für das Jahr 1983 plante Ella, die schon einige Male in Indien gewesen war, eine Reise nach Ladakh und fragte Sabina, ob sie mitkommen wolle. Sie war unsicher, sagte aber schließlich zu.
2012
Während der Besichtigungstour durch New Delhi informiert der Reiseleiter die Gruppe über den Fortschritt in Indien und New Delhi seit der Jahrhundertwende.
Sabina notiert Stichworte. Zahlreiche indische Bauern sind durch Landverkauf reich geworden. Die Städte haben sich wegen der ständig zunehmenden Anzahl an Menschen immer weiter ausgedehnt. Dort, wo früher Bauern ihr Land bestellten, stehen heute kilometerweit Hochhäuser und kleinere Häuser mit Apartments.
Reiche indische und ausländische Investoren kaufen Boden und Immobilien. Slums werden an vielen Stellen abgerissen, doch an den Rändern der Neubaugebiete entstehen sie wieder. Die dort lebenden Menschen zahlen Miete für die wenigen Quadratmeter, auf denen sie hausen, nutzen aber Strom und Wasser kostenlos. Das soll vermieden werden. Megastädte wie New Delhi bieten den Slumbewohnern Wohnraum gegen Bezahlung an. Die Umsiedlungspläne scheitern jedoch am geringen Einkommen dieser Menschen.
Riesige Drahtgeflechte hängen über den Straßen, ein Wirrwarr aus Leitungskabeln an Holzpfählen und Straßenlaternen. Sabina staunt, dass das Gewimmel aus Menschenmassen und Verkehrsmitteln zu fließen scheint. Bettler tauchen aus der Menge auf, sobald die Touristengruppe aus dem Bus steigt. Menschen liegen unter Decken auf kleinen, mit Bäumen begrünten Arealen an Kreuzungen. Kinder turnen, verbiegen ihre Körper wie Akrobaten, um Geld von den Autofahrern zu bekommen, die im Stau oder an einer Ampel halten. Heute leben die Slumbewohner wohl nicht mehr in Müllbergen wie damals, oder wird das nicht gezeigt?
1983 – Erste Indienreise
Ella und Sabina fanden nach ihrer Ankunft in New Delhi für zwei Nächte eine preiswerte Unterkunft. Sie beschlossen, auch für die zwei Nächte nach der Ladakh-Reise dort Quartier zu nehmen, bevor Sabina die Rückreise antreten und Ella drei Wochen nach Burma reisen würde.
Als sie zum ersten Mal an den Slums vorbeifuhren, musste Sabina sich übergeben. Sie hatte zunächst geglaubt, es seien riesige Müllhalden. Das stimmte auch, aber Menschen hausten darin. Sie war entsetzt und weinte. Die Menschenmassen in den lauten Straßen der damaligen Zehn-Millionen-Metropole ängstigten sie. Unvermeidlich kam sie ständig mit Menschen, die ihr fremd waren, in Berührung. Alle schienen es eilig zu haben. Und bei den Gerüchen war jede Nuance zwischen himmlisch duftend und erbärmlich stinkend vertreten.
Ella reagierte meist gelassen, während Sabina fassungslos war. Elend, Dreck, die riesige Kluft zwischen Armen und Reichen, die in New Delhi überall gegenwärtig war – regte sich niemand darüber auf? Wurde irgendetwas dagegen unternommen?
Einmal weigerte sie sich, in eine Fahrradrikscha einzusteigen. Sie fand es entsetzlich, von einem abgemagerten alten Mann gezogen zu werden und wollte, ohne die Entfernung zu kennen, zum Roten Fort laufen. Ella wies sie darauf hin, dass der Mann mit den Rikscha-Fahrten seinen Lebensunterhalt verdiente. Widerwillig stieg sie ein.
2012
Auf dem Weg zur Jama Masjid, der Freitagsmoschee, informiert Kishan die Gruppe über Details in perfektem Deutsch, was das Zuhören leicht macht. Englisch mit indischem Akzent fände Sabina auch interessant.
Die englische Sprache wurde in Indien nach der Unabhängigkeit beibehalten, weil man sie als Standortvorteil im globalen Wettbewerb entdeckt hatte. In den verschiedenen Bundesstaaten Indiens gilt daneben je eine von sechzehn ausgewählten Mehrheitssprachen als offizielle Amtssprache.
Der Erbauer der Moschee, Mogulherrscher Shah Jahan, zog jeden Freitag mit seinem Hofstaat in prunkvoller Prozession von seinem Palast zur Moschee und demonstrierte auf diese Weise seinen Machtanspruch über Religion und Staat.
Die Moschee – ein Wunderwerk der Architektur mit Kuppeln, Toren, Galerien und Ecktürmen in faszinierender Symmetrie.
Sabina gefällt der vertikale Wechsel von rotem Sandstein und Marmorbändern; die Wirkung ist großartig und schlicht zugleich. Der Innenhof der größten Moschee Indiens bietet 25000 Gläubigen Platz. Dass Menschen solche Schönheit erschaffen können, erstaunt Sabina immer wieder.
Sie findet sich im Moment gar nicht schön, sondern komisch. Am Eingang erhielten die Frauen eine Art knöchellangen Mantel in, wie sie findet, hässlich