Hab Frau, kann arbeiten!. Sebastian Dittié
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Sehr geehrte Damen und Herren,
über Ihre Internetseite bin ich auf das Stellenangebot „Verkaufshilfe in Vollzeit gesucht“ aufmerksam geworden.
Da ich alle Voraussetzungen, wie die flexible Einsatzbereitschaft in allen Schichten innerhalb der Öffnungszeiten (werktags von 8–20 Uhr), uneingeschränkt erfülle und etwas Verkaufserfahrung mitbringe, möchte ich mich auf die ausgeschriebene Stelle bewerben.
So bin ich wie folgt flexibel einsetzbar:
Montag von 9.30–13.00 Uhr,
Dienstag von 10.00–12.30 Uhr,
mittwochs geht leider nicht,
Donnerstag 10.00–14.30 Uhr und
Freitag 9.00–12.00 Uhr.
Samstag ist Familientag, aus familiären Gründen schließe ich für mich die Arbeit am Wochenende generell aus.
Sollte meine Bewerbung von Interesse sein, so bitte ich um die Einladung zu einem persönlichen Gespräch. Damit ich rechtzeitig planen kann, zirka 14 Tage vorab.
Über eine Berücksichtigung meiner Bewerbung freue ich mich und verbleibe
mit freundlichen Grüßen …
„Na endlich, wo waren Sie denn?“, tönte es mir entgegen. „Ich versuche schon die ganze Zeit, Sie zu erreichen. Was ist geschehen? Wir haben uns doch für neun Uhr verabredet, um das weitere Vorgehen betreffend Ihrer Bewerbung zu besprechen.“
Die Antwort war leider nicht zu verstehen, der Telefonlautsprecher war natürlich nicht aktiviert, sodass meine Neugierde im Augenblick des Geschehens unbefriedigt blieb. Denn aus Datenschutzgründen ist das Mithören nur dann erlaubt, wenn der Gesprächspartner hierzu sein „Okay“ gegeben hat, auch wenn die somit herrschende Beschränkung in diesem Fall nur mir galt, da ich als einziger Kollege meiner Mitarbeiterin und Ehefrau direkt vis-à-vis im selben Raum saß und sich keine weitere Person in Hörreichweite befand. So war ich auf Gedeih und Verderb auf meine Kombinationsfähigkeit angewiesen.
Ich stellte mich der Herausforderung und ging alle mir geläufigen Möglichkeiten durch, um mich schließlich für eine zu entscheiden. Mir fiel, bei aller Überlegungsanstrengung und gebotener Eile, nur eine ein:
– Abwarten! –
Zu weiteren Überlegungen kam ich nicht. Meine Frau hatte wohl meine Situation erkannt und erlöste mich aus meiner Anspannung.
„Ach, Sie haben bis jetzt geschlafen? Da habe ich Sie wohl aus dem Bett geholt? Aber wir waren doch für neun Uhr verabredet, es ist bereits elf Uhr dreißig. Sind Sie sicher, dass Sie sich auf die ausgeschriebene Stelle bewerben möchten, immerhin beginnt hier der Frühdienst um sechs Uhr!“
„Natürlich, wenn ich arbeite, wird das anders“, war die anzunehmende, aber sehr schwach wirkende Antwort, die ich zwar aufgrund der Stummschaltung nicht vernehmen, aber aus der eindeutigen Gestik und Mimik meiner Frau schließen konnte. Sie bat jedenfalls etwas genervt und leicht verärgert die Gesprächspartnerin um die rasche Nachreichung von noch fehlenden Unterlagen.
Eine taktische Notbremse, um das Gespräch vorzeitig zu beenden, die anzuwenden ist, wenn man von dem Gegenüber nicht mehr so überzeugt ist. So erhält der Bewerber eine letzte, aber auch allerletzte Chance, die drohende Absage abzuwenden. Wird diese Gelegenheit nicht entsprechend der Anweisung und im vollen Umfang wahrgenommen, ist für uns sein Gang ins Nirwana der KDV unumstößlich und unabwendbar. Eine Begnadigung oder Reinkarnation hat es bislang nie gegeben! Ein bewährtes Verfahren und inzwischen eines der ungeschriebenen Bürogesetze.
Wir stellen immer wieder fest, dass wir viele Arbeitslose, überwiegend Leistungsempfänger der Arbeitsagenturen oder Jobcenter, erst zu fortgeschrittenen Tageszeiten erreichen können. Eine Eigenheit, die man Studenten – scherzhaft mit einem „Guten Abend, meine Damen und Herren, guten Morgen, liebe Studenten“ – zuordnet. Neben dem bereits geschilderten Wetterphänomen ist auch die zunehmende Erreichbarkeit von Arbeitslosen zu fortgeschrittenen Tageszeiten aufzunehmen. Ein zweiter Absatz kann ergänzt werden, nämlich dass die uneingeschränkte zeitliche Flexibilität einiger Arbeitsloser einer sehr weitgefächerten, individuell auslegbaren Interpretationsbreite unterliegt.
Diese inoffizielle, vielleicht etwas despektierliche, Erfassung einer Gesetzesmäßigkeit begossen wir nun mit einem frischen Pott Kaffee, um die bis ins Detail entsprechend erarbeiteten wichtigen Ergebnisse gebührend zu würdigen. Und wenn dies nicht so zutreffend war, dann war es zumindest eine äußerst zufriedenstellende und eine gerne aufgenommene Ausrede, die Arbeit kurz zu unterbrechen.
An dieser Stelle sei gesagt, dass, hätten wir bisher alle in der Praxis bestätigten Gesetzmäßigkeiten mit einem Schluck Alkohol begossen, dies sich sicherlich zu einem ernstzunehmenden Problem entwickelt hätte. Also ist Kaffee eine angenehme Alternative.
Ein Phänomen, das sich ebenfalls auf unsere Arbeit auswirkt, sind große Sportveranstaltungen.
„Wie bitte? Das kann doch nicht wahr sein! Sie wollen mich hochnehmen, oder? Wo ist die versteckte Kamera?“, reagierte ich auf die Information eines Geschäftsführers, an dessen Unternehmen ich einen mit großen Vermittlungshemmnissen behafteten Arbeitslosen erfolgreich vermittelt hatte, der jetzt auf einmal der Arbeit ferngeblieben war.
Er hatte keinen Schulabschluss vorweisen können, mehrere Ausbildungen abgebrochen, und trotzdem konnte ich den Arbeitgeber zu einem vom Bewerber zu absolvierenden Praktikum überzeugen. Dies hatte er auch mit Bravour gemeistert und damit den Hauptgewinn, eine sozialversicherungspflichtige Vollbeschäftigung mit anständigen Sozialleistungen, gezogen. Und nun dies!
„Tja, das kam auch für uns überraschend“, startete der Firmenchef seine Erklärung. „Er fehlte schon letzten Donnerstag unentschuldigt und ist auch am Freitag nicht zum Dienst erschienen. Da ich von ihm einen guten Eindruck hatte, genau wie in Ihrer Einschätzung beschrieben, dachte ich mir, dass ich mal bei ihm anrufe. Sein Sohn erzählte mir dann, dass er wohl den Vier-zu-zwei-Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Ecuador am Mittwoch zu sehr gefeiert hätte, sodass er den Freitag zur weiteren Reha hatte anhängen müssen.“
Eine endgültige Entscheidung zum Fortbestand dieses Arbeitsverhältnisses war zwar noch nicht getroffen worden, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass dieses nur mehr auf sehr wackligen Fundamenten stand.
Überraschend war für mich die Erkenntnis, dass besonders während sowie unmittelbar nach großen sportlichen Ereignissen, unabhängig vom Endergebnis, eine plötzliche Epidemie auszubrechen scheint, welche speziell sportinfizierte Mitarbeiter von der Arbeit fernhält. Wobei es sich in der Regel um die Mitarbeiter handelt, die sich zu der Disziplin des einarmigen Reißens der „Ein-Liter-Dimension“, also des Biertrinkens, hingezogen fühlen.
Dass diese Disziplin, trotz breiten Zuspruchs, noch nicht olympisch ist, verwundert mich. Die Anerkennung als Breitensport wäre doch längst überfällig …
Es galt nun, zu retten, was zu retten war. Ich musste umgehend Kontakt zum Vermittelten