Hab Frau, kann arbeiten!. Sebastian Dittié

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Hab Frau, kann arbeiten! - Sebastian Dittié

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das nicht zu heftig?“, fragte mich mein momentan einzig anwesender Lichtblick. Denn eine Chance zur Rechtfertigung oder auch nur zu einer Antwort hatte ich dem „Delinquenten“ während des gesamten Gesprächs nicht gegeben.

      Aber ich fand es einfach zum Kotzen und hatte keine Lust mehr, mich für solche Flachpfeifen einzusetzen und unnötig Energie zu vergeuden.

      Da saß ich nun und hatte eine Laune, die Milch sogar aus größerer Entfernung und in geschlossener Verpackung hätte gerinnen lassen. Wäre mir jetzt eine Bewerbung in die Finger gekommen, aus der gleichgeartete Vermittlungshemmnisse zu erkennen gewesen wären, ich hätte sie unverzüglich in die KDV-Ablage verbracht. Oder nein, wahrscheinlich hätte ich die Bewerbung sogar im Aktenvernichter versenkt, um eine Wiederkehr endgültig auszuschließen. – Wie kann man nur sein Leben und seine Zukunft wegen einer Sportveranstaltung gefährden?

      „Hey, jetzt komm’ mal wieder runter!“

      Die mir gegenübersitzende Fluglotsin wies mir geschickt eine für mich geeignete Landebahn zu, indem sie schlussfolgerte, dass eben gewisse Sportereignisse gewisse Urgewalten auslösen können.

      So stellten wir eine neue Arbeitsvermittlergesetzmäßigkeit fest: Sportveranstaltungen wie Olympische Spiele, Fußballspiele und Turniere entwickeln eine eigene Arbeitsmoraldynamik.

      Nach einer kurzen Debatte von schier endlosen dreizehn Sekunden einigten wir uns auf das von nun an zu beachtende Prozedere bei nennenswerten Sportveranstaltungen:

      1 Da das Erreichen von Bewerberkunden und der Kontakt zu ihnen kurz vor, während oder unmittelbar nach einer Sportveranstaltung sehr schwierig ist, sollte die Arbeitsaufnahme nicht für diese Zeit, also kurz vor, während oder unmittelbar nach einer Sportveranstaltung, geplant oder mit dem Arbeitgeber vereinbart werden.

      2 Bei Einstellungen empfiehlt sich das Studium des aktuellen Sportveranstaltungskalenders, längere Eingewöhnungszeiten sollten berücksichtigt werden.

      3 Auch ist das Abbummeln von Überstunden unter Berücksichtigung von Sportveranstaltungen zu planen.

      4 Mit Beginn und über die Dauer von Veranstaltungen ist mit geringerem Kundenverkehr zu rechnen.

      Die Häufigkeit solcher Termine und Ereignisse auf das Gesamtjahr gesehen, zuzüglich der Summe der Schönwetterperioden, lässt einen Arbeitsvermittler schon ziemlich blass aussehen. Da bleiben unter dem Strich nur wenig tatsächliche Arbeitstage übrig. Rechnete man die Bewerbungen mit eingeschränkten und vermittlungshemmenden Vorgaben mit ein, ließe sich die benötigte Beschäftigungszeit eines Arbeitsvermittlers auf das Niveau einer Teilzeitkraft begrenzen.

      Eine trübsinnige, deprimierende Überlegung, die aber zumindest auf diesen Montag nicht zutraf. Es nieselte immer noch und das Telefon hatte wieder sehr viel mehr geschellt als am Freitag.

      Die Zeit war ebenfalls schnell vergangen und ein freundliches Rufen meiner Frau: „Hey, kommst du mit, wir haben Feierabend“, kam mir zur rechten Zeit. Ein Blick auf die über dem Kalender hängende Uhr ließ mit einem Schlag meine Laune steigen. Denn schließlich würde uns der nächste Tag erneut die Gelegenheit bieten, uns Gedanken über Wetter, Uhrzeit und anderer Urgewalten zu machen.

       Floristik und allerlei Blühendes

      Die Arbeits- und Personalvermittlung ist im Grunde eine Maklertätigkeit. Nur dass anstelle von Immobilien oder Finanzdienstleistungen, Arbeitsstellen und Jobs vermittelt werden. Noch ein Unterschied zum Immobilienmakler besteht darin, dass sich der Arbeitssuchende das Objekt der Begierde nicht vorher anschauen kann, sondern erst durch die tägliche Arbeit erfährt, ob die Arbeitsaufnahme die richtige Entscheidung war. Das Gleiche gilt für den Arbeitgeber, der erst nach einer gewissen Zeit des Vertragsabschlusses aus der praktischen Tätigkeit heraus erkennt, ob der neue Mitarbeiter für seine Firma der Richtige ist.

      Aber auch wenn die Personalvermittlung eindeutig eine Maklertätigkeit ist, woran es nichts zu diskutieren gibt, ist sie in der Praxis doch mehr mit dem Gartenbau und der Floristik im weitesten Sinne vergleichbar. Es ergeben sich zumindest gewisse Parallelen.

      Pflanzen, die viel Licht und Sonne benötigen, gedeihen nicht an schattigen Plätzen. Ist die Bodenbeschaffenheit für die Pflanze ungeeignet, kümmert diese vor sich hin. Ein Gärtner hat viele solche Faktoren zu berücksichtigen, damit seine Gewächse blühen, gedeihen und sich entwickeln können.

      Ähnliches trifft auf die Tätigkeit des Personalvermittlers zu. Es gehört zu seinen Aufgaben, Bewerbungen zu sichten, zu prüfen und zu bewerten und sie mit den Stellenprofilen abzugleichen. Wenn schließlich der Deckel zum Topf passt, dann passt auch der Interessent zum Arbeitgeber. Das heißt im Vergleich zum Gartenbau: Kommt der Bewerber an die falsche Position, so verkümmert er dort mit ziemlicher Sicherheit. Sitzt er jedoch auf dem richtigen Posten, hat er die besten Chancen, diesen zu sichern und sich weiterzuentwickeln!

      Heute traf ein ganzer Schwung neuer Stellengesuche ein. Schnell waren die Bewerbungen, die als Alibi gegenüber der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter dienen, von den offensichtlich ernst gemeinten Zuschriften getrennt.

      Eine übel riechende, schmuddelige Bewerbungsinformation übergab ich sofort der „Kompostierung“. Denn die plötzlich auftretende achtziger Körnung auf meinen Armen ließ mich auf die mühevolle Kenntnisnahme des weiteren Inhalts verzichten.

      „Ich habe noch gelernt, dass das Erscheinungsbild einer Bewerbung als Visitenkarte des Interessenten gilt. Ich möchte nicht wissen und mir vorstellen, wie derjenige persönlich auftritt, der diesen Mikrokosmos erschuf!“

      Ich schaute zu meiner Frau, sie blickte fragend zurück. Zwischen Zeigefinger und Daumen haltend streckte ich die nämliche Akte mit gekräuselter Nase ihr entgegen. Die tiefen Falten, die prompt auf ihrer Stirn erschienen, dazu ihre plötzlich blassgraue Gesichtsfarbe ließen ihr Gesicht auf einen Schlag um Jahrzehnte altern. Gleich einer virtuellen Animation über Alterungsprozesse. Eine Computersimulation hätte diese 3-D-Präsentation nicht toppen können.

      „Eindeutig Kompost! Sofort in den Müll! Ich hoffe nur, wir haben keinen weiteren Sondermüll!“

      Da ist sie also wieder, die Parallele zum Gartenbau, bei dem die Kompostierung als ein Prozess definiert wird, bei dem organisches Material unter Einfluss von Luft, Bakterien und anderen Mikroorganismen abgebaut wird. Zugegeben, eine gewöhnliche Bewerbung ist bestimmt nicht als organisch zu bezeichnen. Aber diese spezielle arbeitete bereits an ihrer selbständigen Auferstehung und Lebensform, die vermutlich in Kürze zu erwarten gewesen wären!

      Ich bin froh, dass sich solche biologischen Anschläge weitestgehend in Grenzen halten. Es wäre unschön und zeitvergeudend, die Büroräume ständig dekontaminieren zu müssen.

      Mein Griff zum Brieföffner war das untrügliche Zeichen, dass ich bereits zum nächsten Arbeitsschritt wechselte. Das Erlebte gehörte zu diesem Zeitpunkt der Vergangenheit an und war damit quasi vergessen.

      „Oh, wie schön ist das denn! Ist das Klasse“, schallte es mir entgegen. Kein erschreckter Blick oder wenigstens ein Erstaunen war im Gesicht meiner Kollegin erkennbar, sondern ein herzhaftes Lachen begleitete ihren Ausbruch. Jetzt war ich an der Reihe, erstaunt aus der Wäsche zu schauen.

      „Oh, du scheinst freundlichere Post erhalten zu haben“, wobei sich mir zugleich alle möglichen Fragen auf einen Schlag stellten.

      „Häh?“

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