Der bürgerliche Staat. Группа авторов

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erlesenen Terrors, was von ihren Liebhabern nicht nur im Falle der französischen Revolution und der beinharten Einrichtung der Bundesrepublik vergessen wird. Das gemeinsame Interesse an der Beseitigung vorbürgerlicher Formen der Staatsgewalt, das die gegensätzlichen Klassen zum Kampf brachte, entsprang ja schon einigermaßen unterschiedenen Anliegen: die einen sahen im alten Staat und den ihn betreibenden Ständen ein Hindernis für ihre Geschäfte, die anderen kämpften um ihre Existenz, die sie durch Arbeit sichern mussten. Die Erreichung des gemeinsamen Ziels fiel selbstverständlich nicht zur Zufriedenheit beider Klassen aus, da die vom demokratischen Gemeinwesen geschützte Möglichkeit, sich im Dienst an fremdem Eigentum zu erhalten, schnell eine bittere Notwendigkeit wurde. dass die Proleten, die die bürgerliche Republik erkämpften, den alten Staat beseitigen mussten, wollten sie leben, heißt eben nicht, dass sie sich im neuen Staat ihr Mittel geschaffen haben.

      Die Unzufriedenheit mit der harten Welt des Eigentums ist ein Springquell der beständigsten Ideologien: aus allen unangenehmen Konsequenzen von Freiheit & Gleichheit, die in den nächsten Seiten noch zur Sprache kommen, pflegen Linke einen Hinweis zu entnehmen auf die mangelhafte Realisierung dieser beiden Ziele der französischen Revolution. Sie bezweifeln die Realität der Gleichheit vor der Staatsgewalt mit den merklichen Unterschieden in der Gesellschaft, machen aus Gleichheit ein Ideal, dessen praktische Verwirklichung sie dem Staat anempfehlen und in ihm durchsetzen wollen. So wenig ihnen auffällt, dass eine gewaltsam aufrechterhaltene Freiheit irgendeinen Haken haben muss, so wenig gibt ihre Phantasie für die Vorstellung eines Gemeinwesens her, in welchem die Unterschiede zwischen den Leuten beseitigt werden. Diese Phantasie ist im Gegensatz zu linken Staatsidealisten recht populär und macht sich in literarischen sowie cineastischen Utopien genüsslich breit. Sie kontert auch im Munde von Politikern jede Kritik am Staat, wenn die Gleichmacherei großmütig abgelehnt wird. In solcher Kritik von Ansprüchen an den Staat wird um die rechte Begeisterung für ihn geworben, wobei über den abgeschmackten Vergleich mit früher und drüben auch der idiotische „Widerspruch zwischen Freiheit und Gleichheit“ entdeckt zu werden pflegt: mehr vom einen muss angeblich mit einem weniger vom anderen erkauft werden, so dass man alles sowieso nicht kriegen kann und es am besten ist, die Unzufriedenheit bleiben zu lassen und sich der Realisierung des dritten Grundwertes, der Brüderlichkeit (modern: Solidarität) zu befleißigen. Hier zeigt sich, dass auch die Unzufriedenheit mit der Unzufriedenheit anderer das falsche Denken über die abstrakteste Bestimmung des Staates gehörig ankurbelt. Das Interesse am Staat, die positive Stellung zu ihm beschwört das gemeinsame Anliegen und versucht, die offenkundigen Nachteile seines Wirkens mit einer Staatsableitung eigener Prägung als notwendiges Übel akzeptabel zu machen. Die Deduktion des Staates aus der Menschennatur gehört zum Standardrepertoire jedes aufgeklärten Studienrates und Professors, wobei einmal die Gegensätze der kapitalistischen Gesellschaft bemüht werden, und nicht die liebenswerten Unterschiede. Die Deduktion übersieht, damit sie geht, den Zwang zur Konkurrenz , den der Staat setzt, samt sämtlichen ökonomischen Eigentümlichkeiten, um das schiere Gegeneinander zum Ausfluss der Menschennatur zu erklären: homo homini lupus, ergo müssen ein paar Wölfe für den Frieden unter den restlichen Wölfen einstehen, und das ist dann die notwendige staatliche Ordnung. Im Werkeltagsleben kürzt sich die Zurückweisung von Kritik, die ja das staatliche Wirken am Interesse misst, ihn für sich als Mittel zu gebrauchen, auf die Bemerkung zusammen, dass Ordnung eben sein muss: wo kämen wir denn hin, wenn alles jedem gehört! Die Bereitschaft, es im eigenen Interesse mit anderen aufzunehmen und zugleich für die Schranken Partei zu ergreifen, die von der Ordnung anderen gesetzt sind, lebt also in einer Demokratie. Auch in ihrer faschistischen Abwandlung, die das Konkurrenzinteresse tadelt und dem einzelnen gebietet, sein Trachten ganz im Gemeinwesen aufgehen zu lassen, was echte Freiheit wäre.

      Die öffentlichen Festredner von Gleichheit & Freiheit, die im jeweiligen Staat die dem Menschen angemessene Sorte Ordnung erkannt haben wollen, finden die detaillierte Ausgestaltung dieser Frechheit wohlpräpariert in der wissenschaftlichen Literatur vor: keine Geistes-und Gesellschaftswissenschaft will es sich nehmen lassen, eine Definition des Menschen zu liefern, wobei die geringfügigen Variationen des Themas „Der Mensch ist von Natur aus ein Vieh, aber er zeigt sich gewöhnlich auch zu Höherem fähig!“ dem jeweiligen praktischen Fachinteresse entspringen, welches an der Ausgestaltung des „Höheren“ beteiligt sein will. Den Staatsbürger mit seinen beiden Seiten, dem Materialismus der Konkurrenz und dem von Abhängigkeit diktierten Staatsidealismus, machen sie sich allesamt zum Anliegen, verfabeln ihn zur anthropologischen Konstante, so dass die Zurichtung des Willens als eine einzige Bestätigung der Menschlichkeit erscheint: psychologisch, pädagogisch, politologisch, betriebswirtschaftlich und literaturtheoretisch-linguistisch. Als ob die Anwendung der Wissenschaften nicht darauf beruhen würde, dass die Individualität der Leistung, von sich zu abstrahieren, manches entgegenstellt! Zur Sache mit den vielen Einzelwesen, die einen Staatsvertrag eingehen, steht bei Marx alles Wichtige; ebenso über die Rolle Robinsons in der Geistesgeschichte! Die Würde des Menschen verlangt eben den wissenschaftlichen Staatsdienern auch das Ihre ab, zumal sie ja auch Kriterien dafür geben müssen, was von dem, das nur Menschen mit Staat im Kopf zuwege bringen, unter die Rubrik „unmenschlich“ fällt.

      © 2018 GegenStandpunkt Verlag

      § 2

       Souveränität – Volk – Grundrechte – Repräsentation

      Der Wille zur politischen Herrschaft findet seine Erfüllung in der Souveränität des Staates. Die Staatsgewalt geht vom Volke aus und entspricht seinem politischen Willen, indem sie ihn als das Allgemeininteresse gegen die Privatsubjekte durchsetzt. In der Verfassung werden die Beziehungen der Bürger untereinander bestimmt, und zwar in Form von gültigen Prinzipien staatlicher Gewaltanwendung. Die Grundrechte setzen das Bürgern und Staat Erlaubte fest, definieren also die Pflichten, für deren Erfüllung professionelle Repräsentanten des Volkswillens sorgen. Die bürgerliche Gesellschaft erhält ihre Gegensätze durch die Scheidung ihrer Mitglieder in grundberechtigte Menschen und zur Gewaltanwendung verpflichtete Volksdiener.

      Der souveräne Staat ist die von den Bürgern getrennte, selbständige Instanz, die mit keinem besonderen Interesse identisch ist und gerade und nur deswegen von allen anerkannte Gewalt ist, weil er sein Interesse, das Allgemeinwohl, gegen die Privatsubjekte durchsetzt. Indem er seine Gewalt dafür einsetzt, dass die besonderen ökonomischen Mittel nur gemäß seinem Interesse an Person und Eigentum verwandt werden, macht er sich den Interessen dienstbar, die der Verfügung über produktives Eigentum entspringen. Ihrem Inhalt nach ist seine Souveränität eine sehr relative Sache. Das gegen die einzelne Person und ihr Eigentum rücksichtslose Staatshandeln gilt der Funktion des Eigentums: nur durch seine Souveränität ist dieser Zweck gewährleistet. Diese wird erhalten durch den Willen des Volkes: der gemeinsame Wille mit dem Inhalt „Staat“ macht aus den Individuen einer Gesellschaft ein Volk , wobei sich dieser Wille in der Bestätigung der staatlichen Entscheidungen äußert. Ob Staat sein soll, ist nie Gegenstand einer freien Entscheidung, sondern durch Gewalt entschieden. Alle wollen Repräsentanten, ob sie diese wählen oder ob sie vom Staat selbst eingesetzt werden; und „im Namen des Volkes“ sollen sie souverän handeln.

      Der Schutz vor gewaltsamen Übergriffen der Privatsubjekte gegeneinander ist als Maxime staatlicher Souveränität Akt ihrer Gewährung. In den Grundrechten wird die negative Beziehung der konkurrierenden Privaten untereinander in der Form von Rechten und Pflichten gegenüber der politischen Gewalt fixiert. Nur soweit sie Pflichten gegenüber dem Staat auf sich nehmen, gewährt ihnen der Staat das Recht, freie Privatperson zu sein. Der Staat ist also Mittel der Gesellschaft, die er seiner Souveränität

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