Dunkeltage im Elbsandstein. Thea Lehmann

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Dunkeltage im Elbsandstein - Thea Lehmann

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Leiche wurde fotografiert und schließlich abtransportiert, in die gerichtsmedizinische Abteilung von Dr. Gräber. Wo sie gelegen hatte, war der Boden immer noch nass und voller Regenwürmer.

      Sascha kam wieder, immer noch mit dem Telefon am Ohr. Er klappte es schließlich zu und meinte: »Weder der Name Dirk Schmidt noch das Kennzeichen sind aktenkundig. In der Zentrale prüfen sie noch, wo das Auto angemeldet ist und wo dieser Dirk Schmidt wohnt.«

      Den schwarzen BMW fanden die Beamten unverschlossen vor. Auf dem Beifahrersitz lagen mehrere Fastfood-Verpackungen, die Rückbank war leer.

      Die Sebnitzer Polizisten lotsten inzwischen den Abschleppwagen über den schmalen Feldweg, der den BMW in die Spurensicherung bringen würde.

      »Irgendwie passt hier nichts zusammen«, sagte Leo zu Sascha. »Ein toter junger Mann mit einer dicken Brieftasche liegt ein ganzes Stück vor einem unverriegelten Auto. Das sieht weder nach einem Überfall noch nach einem handfesten Streit aus. Was wollte er in dieser abgelegenen Gegend auf einem noch abgelegeneren Feldweg?« Er sah auf und betrachtete die sanft geschwungenen Bergrücken in der Ferne.

      »Die Aussicht hier ist ja ganz schön, aber das war wohl kaum der Grund für ihn hierher zu kommen. Woran ist er gestorben? Und wer oder was hat sein rechtes Bein zerschmettert?«

      Seufzend schaute er um sich. Außerhalb der Absperrung trampelten die Schaulustigen die vom Vortag noch feuchte Wiese platt. Wenn da jemals Spuren gewesen waren, konnte man die getrost abschreiben.

      »Hat jemand von Ihnen am Samstag oder Sonntag irgendetwas Auffälliges beobachtet?«, rief er in die Traube von Menschen.

      Alle verneinten. Aber das überraschte ihn nicht. Auf eine so vage Frage konnte man keine vernünftige Antwort erwarten.

      »Hat jemand von Ihnen diesen schwarzen BMW am Samstag oder Sonntag hierherfahren sehen?«, versuchte er es noch mal.

      »Ich wohne in der Parkstraße. Am Samstagnachmittag ist da ein sandfarbener Geländewagen hinter gefahren«, sagte eine junge Frau mit Kinderwagen. »Um welche Uhrzeit, wissen Sie das noch?«, fragte Leo nach. Sie überlegte. »So gegen drei vielleicht. Mein Kleiner ist da gerade wieder aufgewacht«, sagte sie. Sascha notierte ihren Namen und ihre Telefonnummer. Dann nahmen sie sich Helga Dünnebier vor.

      »Wann genau haben Sie den Toten gefunden?«

      »Na, so gegen viertel elf würd ich sagen. Da kam ich gerade vom Pilzesuchen zurück«, antwortete sie und straffte ihren krummen Rücken.

      »Also zehn Uhr fünfundvierzig«, folgerte Leo.

      »Nein, zehn Uhr fünfzehn«, verbesserte ihn Sascha. Helga Dünnebier sah irritiert von einem zum anderen. »Gehen die Uhren in Bayern anders?«

      »Aber …?« Leo sah Sascha an.

      Der winkte ab. »Das verstehst du nicht. Mach einfach weiter.«

      Leo erinnerte sich, dass er das schon öfter gehört hatte: viertel irgendwas. Jeder sagte in so einem Fall »viertel nach zehn« – nur die Sachsen, die machten ein viertel elf draus. Er wandte sich wieder an Frau Dünnebier:

      »Haben Sie den Leichnam angefasst? Oder das Auto?«

      »Iieh, Gott bewahre!«, sagte Helga Dünnebier entrüstet. »Wo der doch tot war. Und kennen tu ich den ja auch ni.«

      »Ist Ihnen, bevor Sie das halbe Dorf hierher beordert haben, irgendetwas aufgefallen? Lagen Gegenstände herum, haben Sie Spuren wahrgenommen?«

      Oma Dünnebier schüttelte den Kopf. »Ne, ich hab da nix gesehen, aber ehrlich gesagt, so gut sehen tu ich ja auch ni mehr.«

      Als Watzke gegen Mittag aufwachte und aus dem Fenster sah, war er sofort höchst alarmiert. Zwei Polizisten marschierten vom Sägewerk kommend über den Waldweg auf sein Häuschen zu. In wenigen Minuten würden sie vor seiner Tür stehen. Die Gewissheit, dass sie ihn nun doch gefunden hatten, grub sich wie eine Bleikugel in seine Magengrube. »Der Notfallplan!«, schoss es ihm durchs Gehirn. Er hastete so schnell er konnte die enge Treppe hinunter und in den Stall. Dort klappte er die Aluleiter zusammen und legte sie an die Seite. Den Rucksack stellte er in den Vorraum im Stall. Als er die Stalltür zum Hausflur verschloss, klopfte es bereits. Ohne Hose, im lose hängenden Hemd und barfuß öffnete er.

      Die beiden Polizisten musterten ihn erstaunt.

      Watzke war sich der absurden Situation bewusst, aber sie tangierte ihn nicht. Er hatte im Dorf ohnehin den Ruf, ein komischer Kauz zu sein. Ihm war es egal, wenn er nun mit noch vom Schlaf zerwühlten Haaren und einer schlackerigen Unterhose zur Mittagszeit in der Haustür stand.

      »Ja, bitte?«, sagte er so neutral wie möglich, obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug und er die Arme vor dem Körper verschränken musste, damit man nicht sah, wie sehr seine Hände zitterten.

      Die Polizisten stellten sich als Beamte der Polizeiinspektion in Sebnitz vor und wollten wissen, ob ihm am Wochenende irgendetwas Besonderes aufgefallen war. Man habe einen verwaisten BMW und einen toten Mann oben beim Dorf gefunden.

      Watzke war so erleichtert, dass er einen fahren ließ. Die beiden jungen Polizisten traten synchron einen Schritt zurück.

      »Nee, also, da kann ich Ihnen nicht helfen. Ich schlafe immer sehr lange und sitze nachts über meinen Büchern, aber dass was Besonderes passiert wär, habe ich in den letzten Tagen nicht bemerkt.« Er sprach gepflegtes Hochdeutsch und nur bei genauerem Hinhören ließ sich eine leichte Berliner Färbung feststellen.

      »Sie haben also nichts festgestellt? Keine nächtlichen Geräusche, ungewöhnlich viel Autoverkehr oder Ähnliches?«, fragte einer der Polizisten.

      Watzke schüttelte energisch den Kopf. Die Spitzen seiner langen Haare flogen ihm um die Ohren, der Rest klebte am Schädel.

      »Nein, leider, mir ist überhaupt nichts Merkwürdiges aufgefallen«, beeilte er sich zu sagen. Dem Naserümpfen des einen Polizisten zufolge schien er nicht nur optisch eine Zumutung zu sein.

      »Na«, sagte der Polizist. »Wenn Ihnen doch noch etwas einfällt, dann rufen Sie bitte hier an.« Er reichte ihm mit ausgestrecktem Arm eine Karte, auf der mehrere Telefonnummern notiert waren. Die beiden hatten es eilig, von hier wegzukommen, und verabschiedeten sich. Das war Watzke nur recht. Er nahm die Karte und ging zurück ins Haus.

      Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, verriegelte Watzke sie und lehnte sich mit zitternden Knien dagegen. Das war knapp gewesen! Die würden ihn nicht noch einmal in die Finger kriegen, niemals!

      Wenn er einmal in der Woche nach Sebnitz zum Einkaufen ging, war er mental immer darauf vorbereitet, andere Menschen zu treffen. Aber gleich morgens auf leeren Magen zwei Polizisten! Diese Begegnung brachte ihn völlig aus dem Konzept. Was hatte das zu bedeuten? Waren sie gekommen, um ihn auszuspionieren? Hatten sie ihn letztlich doch gefunden? Wussten sie von seinem Geheimnis? Er wankte in die kleine Küche und ließ sich auf die Bank sinken. Stück für Stück analysierte er den Vorfall. War es nur ein Vorwand gewesen? Oder sprachen sie die Wahrheit und das Ganze hatte nichts mit ihm zu tun? Er drehte und wendete die Gedanken in seinem Kopf so lange hin und her, bis er sich wieder beruhigt hatte. Die Kälte kroch an seinen nackten Beinen nach oben und zwang ihn dazu, in den ersten Stock zu gehen und sich anzuziehen. Er schnupperte kurz an seinen Achseln und stellte fest, dass es wohl wirklich Zeit war, mal wieder zu baden. Unschlüssig starrte er auf den Kalender neben seinem Bett. Heute war Montag. Eigentlich badete er nur mittwochs.

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