Dunkeltage im Elbsandstein. Thea Lehmann
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Er beschloss, es zu wagen. Watzke brauchte die Routine, um sich zu beruhigen. Da heute Montag war, würde er einkaufen gehen, wie immer. Nichts war auffälliger, als Routinen zu durchbrechen.
Weil er kein Auto besaß, ging er die acht Kilometer nach Sebnitz immer zu Fuß. Bei schönem Wetter war der Hinweg sogar ganz nett. Aber an diesem Montagnachmittag nieselte es wieder und das Wetter gab einen Vorgeschmack auf den bevorstehenden Winter. Watzke griff zu Tante Hermines altem Regenmantel und stopfte seine langen, inzwischen ziemlich grau gewordenen Haare unter einen speckigen Hut, bevor er aus der Haustür trat. Ohne das Sägewerk eines Blickes zu würdigen, machte er sich hinauf auf den Weg durch Ottendorf und wandte sich dort nach rechts Richtung Sebnitz. Er vermied es, auf die Häuser links und rechts der Straße zu schauen. Er wollte niemanden sehen und von niemandem gesehen werden. Am liebsten hätte er sich unsichtbar gemacht. Als sich die gewundene Straße hinter der Ortschaft wieder hinunter ins Sebnitztal senkte, hörte der Nieselregen auf. Die Sonne kam zwischen den Wolken hervor. Aus dem Wald leuchteten Birken und Buchen mit buntem Laub, und auf den Wiesen neben der Straße glitzerten die Regentropfen im Sonnenlicht. Wenn die noch warmen Strahlen auf die Straße trafen, stieg die Feuchtigkeit in kleinen Dampfschwaden auf.
Watzke atmete tief durch. Einmal mehr beglückwünschte er sich dafür, dass er von Berlin hierher nach Ottendorf gezogen war. Ohne Tante Hermine wäre sein Leben wahrscheinlich furchtbar kompliziert geworden. Jetzt war er dagegen fast am Ziel seiner Träume und die Zukunft erschien ihm so rosig wie schon lange nicht mehr, immer vorausgesetzt, dass die Polizisten nicht nach ihm suchten.
Watzke hörte ein Auto kommen. Er trat nach rechts an den Straßenrand, um den Wagen an der engen Stelle vorbeizulassen. Doch der fuhr nicht vorbei, sondern hielt neben ihm an. Eine junge Frau mit einer viel zu großen Strickjacke und einem geblümten Kleid saß am Steuer des silbergrauen Toyotas. Sie beugte sich über den Beifahrersitz und kurbelte das Fenster herunter. »Soll ich Sie ein Stück mitnehmen? Ich fahre nach Sebnitz.« Erwartungsvoll sah sie Watzke an.
Der war vor Schreck wie erstarrt. In seinem Gehirn ratterte es. Das war nun schon das zweite Mal heute, dass er von einem anderen Menschen angesprochen wurde. Immer wieder boten ihm Autofahrer auf dem Fußmarsch über die Landstraße nach Sebnitz an, ihn mitzunehmen, selten stieg er ein. Aber gerade heute? Waren sie ihm doch auf der Spur? War sie eine gut getarnte Agentin? Oder doch harmlos? Machte er sich verdächtig, wenn er ablehnte? War er in Gefahr, wenn er mitfuhr? Woran sollte er erkennen, ob sie ein Spitzel war? Fieberhaft flitzten seine Augen durch das Wageninnere. Er sah einen Einkaufskorb auf dem Rücksitz, einige Bonbonpapierchen auf dem Boden und einen Nylonbeutel im Fußraum des Beifahrersitzes. Wahrscheinlich war eine Geldbörse drin, wie eine Waffe sah das jedenfalls nicht aus. Watzkes Herz schlug bis zum Hals. Die junge Frau wurde langsam ungeduldig und sah ihn immer noch fragend an: »Wollen Sie jetzt mitfahren oder nicht?«
Sie hatte ein paar Silberfäden in ihrem langen, dunklen Haar und war völlig ungeschminkt. War das jetzt ein gutes Omen oder ein schlechtes? Watzke wusste immer noch nicht, wie er reagieren sollte. Die Sonne wurde von einer grauen Wolke verdeckt und es wurde plötzlich dunkler. Er nahm das als Zeichen mitzufahren und öffnete die Beifahrertür.
»Danke für das Angebot. Ich will zu Aldi«, sagte er und ließ sich vorsichtig auf den Beifahrersitz sinken.
»Genau da fahre ich auch hin«, sagte die junge Frau und legte den Gang ein. Watzke kurbelte das Fenster wieder hoch und fummelte nach dem Sicherheitsgurt.
Ihm entging nicht, dass die Fahrerin die Nase rümpfte, als das Fenster zu war. Hin und hergerissen zwischen seinem Bedürfnis nach Routine und dem Bestreben, möglichst nicht aufzufallen, beschloss er, heute Nacht eben zu baden. Er würde auch seine Hemden einweichen, wenn es denn nötig war. Dieser Tag lief ja ohnehin schon völlig aus dem Ruder, da konnte er auch alle unangenehmen Dinge auf einmal erledigen.
Zehn Minuten später stieg er auf dem Parkplatz vor dem Discounter aus und bedankte sich höflich fürs Mitnehmen. »Gern geschehen«, sagte die junge Frau knapp. »Zurück mitnehmen kann ich Sie aber nicht. Ich muss noch ein paar andere Sachen erledigen.« Sie log, da war sich Watzke sicher. Er wünschte ihr einen schönen Tag und machte sich mit seinem Einkaufsrucksack auf den Weg. Im Laden versuchte er, der Frau aus dem Weg zu gehen. Hauptsache, sie erinnerte sich nicht allzu genau an ihn. Er würde in Zukunft nie wieder mit einem Auto mitfahren, schwor er sich.
Es war schon Abend, als Sascha und Leo wieder in Dresden waren. Sie brachten die Fundstücke, die sie bei dem Toten gefunden hatten, in die Asservatenkammer und Sascha meldete sich freiwillig, die erste Befundaufnahme in den Computer zu tippen.
»Du hast es nicht besonders eilig, nach Hause zu kommen, kann das sein?«, mutmaßte Leo.
Sascha brummte etwas Unverständliches vor sich hin.
Leo hatte es eigentlich auch nicht eilig, schließlich wartete niemand auf ihn. Aber seinen ersten Tag nach dem Urlaub gleich mit Überstunden zu beginnen, das musste nun auch nicht sein.
Seine kalten Füße erinnerten ihn überdies daran, dass er dringend den immer noch feuchten Schuh ausziehen musste.
»Sag mal«, wandte er sich beim Gehen an seinen Kollegen, »was ist denn mit Sandra los? Ich hätte sie beinahe nicht wiedererkannt und dazu noch dieser Hund. Was soll das?«
Sascha sah vom Computer auf. »Du kennst Sandra doch inzwischen. Wenn sie was macht, dann richtig. Jetzt hat sie offensichtlich beschlossen, Ehefrau und Mutter zu werden, und das zieht sie jetzt durch bis zur Perfektion. Anscheinend hat sie ihren Traummann gefunden.« Sascha schaute Leo düster an.
»Egal, was sie macht, ich finde, sie übertreibt immer ein bisschen«, bestätigte Leo.
»Na, da ist sie aber nicht die Einzige«, hörte er Sascha beim Hinausgehen noch sagen.
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