Drogen und soziale Praxis - Teil 2: Das Drogenthema und wie es in Berufsfeldern der sozialen Arbeit auftaucht. Gundula Barsch
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In der Berechnung von Units wird der sehr unterschiedliche Wirkstoffgehalt von Alkoholika berücksichtigt. Deshalb zwingt diese Methode dazu, sich mit den weit auseinanderdriftenden Anteilen von Alkohol in ein und derselben Getränkesorte (Bier, Wein, Spirituosen) auseinanderzusetzen. Dies öffnet die Augen dafür, dass der Alkoholgehalt oft unerwartet hoch ist und schafft eine gute Grundlage, den eigenen Konsum selbstkritischer in den Blick zu nehmen.
1.2.3Wie die Trinkmengen des Klienten ermitteln?
Nachdem im Methodenkoffer bereits das Wissen um Alkoholfolgekrankheiten und Empfehlungen zu Trinkmengenlimits liegen, braucht es nun eine Herangehensweise, mit der sich der regelmäßige Alkoholkonsum einer Person sehr konkret ermitteln lässt. Erforderlich ist eine Methode, die möglichst exakte und damit solide Informationen erbringt.
Viele Mengen Alkohol werden übersehen
Oberflächlichkeit nach der Methode „Pi mal Daumen“ hilft nicht weiter, denn die Ermittlung der tatsächlich getrunkenen Mengen Alkohol ist ohnehin schwierig. So sorgt die Einbindung des Alkoholtrinkens in viele soziale Situationen in Form einer mehr oder weniger beachteten Begleitaktivität dafür, dass gerade bei kleinen Mengen oft nicht daran gedacht und auch nicht registriert wird, dass die Substanz „Alkohol“ konsumiert wird.
Zudem gilt auch beim Alkoholkonsum, dass es kaum eine Regelmäßigkeit ohne Ausnahmen gibt. Und gerade diese Ausnahmen - das Glas Sekt zum Geburtstag eines Kollegen, die Jim-Beam-Cola im Kino, der doppelte Eierlikör auf dem Schokoladeneis, das Bier nach der Sauna, der Kräuterschnaps nach dem Eisbein – sind es, die oft unbeachtet bleiben. Diese kommen zu dem regelmäßigen Feierabendbier dazu, können sich schließlich zu erstaunlichen Größen summieren und für das Überschreiten empfohlener Limits sorgen. Insofern wird erst mit der Berücksichtigung wirklich aller konsumierten Alkoholika in der Gesamtrechnung deutlich, wie die oft überraschenden Grenzüberschreitungen zustande kommen.
Exakte Buchführung macht es möglich
Länger als nur für ein paar Tage
Die Ermittlung der Trinkmengen setzt voraus, dass sowohl alle konsumierten Mengen als auch die jeweilige Art des getrunkenen Getränks sorgfältig notiert werden. Diese „Buchführung“ kann natürlich durch den Konsumenten selbst am besten vorgenommen werden; zumindest seine Mitwirkung ist unerlässlich, selbst wenn der Sozialarbeiter gemeinsam mit dem Klienten den oft unreflektierten Trinkgewohnheiten auf die Spur kommen will.
Das Registrieren der getrunkenen Mengen Alkohol sollte mindestens über drei bis vier Wochen erfolgen. Auf diese Weise wird es möglich, sowohl Wochen mit vielen Konsumtagen als auch solche mit wenig oder gar keinem Alkoholkonsum in den Blick zu nehmen. Allerdings empfiehlt es sich, die registrierten Trinkmengen wöchentlich auszuwerten. Auf diese Weise gelingt es besser, sich selbst in Bezug auf die wohl regelmäßig vorkommenden wöchentlichen Schwankungen in den konsumierten Alkoholmengen zu beobachten.
Bei einer solchen Wochenschau können Familienmitglieder oder Freunde, die einen Einblick in das Trinkverhalten des Einzelnen haben, eine gute Hilfe sein. Gerade die Einbindung des Trinkens als Beiwerk vieler sozialer Situationen erschwert es, auch den versteckten und unabsichtlich übersehenen Trinkmengen auf die Spur zu kommen.
Die Idee des Trinktagebuchs
Für die nötige Buchführung eignet sich eine tabellarische Übersicht, die im Rahmen von Therapieansätzen zum „Kontrollierten Trinken“ als Trinktagebuch verwendet wird (vgl. Körkel 2007). Zur Anwendung kommt dabei ein Aufzeichnungsbogen, der nach Woche und Wochentag unterteilt ist und dazu auffordert, jedes getrunkene alkoholische Getränk zu registrieren. Gefragt wird dabei, wann, wo, was und wie viel getrunken wurde (siehe Tabelle). Durch das Abfragen erinnert das Trinktagebuch also an viele Diätempfehlungen, die zum Beispiel dazu anregen, sich einen Überblick über die verzehrten Lebensmittel und deren Kaloriengehalt zu erarbeiten.
Für die Auswertung sind die konkreten Angaben zum Alkoholgehalt des jeweils konsumierten Getränks zu ermitteln. Dann sind alle Informationen zusammengetragen, auf deren Basis sich ermitteln lässt, wie viel Units mit jedem einzelnen Trinkakt konsumiert wurden und zu wie viel Units sich diese pro Tag summieren.
Tabelle: Muster eines Trinktagebuches
Merkenswert: Die Ermittlung der tatsächlich getrunkenen Menge Alkohol ist fast immer schwierig. Die Selbstverständlichkeit, mit der das Trinken in viele soziale Situationen unbedacht eingebunden ist, erschwert es, einen Überblick darüber zu erhalten und nicht versehentlich bestimmte Konsummengen zu übersehen. Das Führen eines Trinktagebuches kann helfen, bewusster darauf zu achten, in welchen Situationen und an welchen Orten welche Sorte Alkohol in welchen Mengen getrunken wird.
Die Summation der Mengen pro Tag, pro Woche und pro Monat ermöglicht, die allgemein üblichen Schwankungen in den konsumierten Mengen festzuhalten und davon ausgehend festzustellen, wie die oft überraschenden Überschreitungen der empfohlenen Trinklimits zustande kommen.
1.2.4Beratungsansätze zur Reduktion der Trinkmenge
Mit dem Führen des vorgeschlagenen Trinktagebuchs entsteht eine Informationsbasis, die sich hervorragend eignet, auf den individuellen Fall bezogene Strategien zur Reduktion der Trinkmengen zu entwickeln.
Wenn der Klient über seinen Alkoholkonsum sorgfältig Buch führt, dann lassen sich aus den tagebuchartigen Aufzeichnungen sehr unterschiedliche Informationen zu den Trinkgewohnheiten entnehmen und Empfehlungen für Veränderungen ableiten:
Erstens ist mit Blick auf die Vermeidung von Alkoholfolgekrankheiten die wichtigste, aus dem Trinktagebuch ableitbare Information, wieweit es dem Einzelnen gelingt, die empfohlenen Trinkmengenlimits einzuhalten.
Mit einem exakt geführten Trinktagebuch lässt sich aber zweitens auch die Aussage belegen, dass diese Trinklimits überschritten werden, in welchem Umfang und wie oft. Auf diese Aussagen wird oft spontan ungläubig reagiert. Insofern helfen die zusammengetragenen Daten mit ihren klaren und unmissverständlichen Aussagen, die zudem frei von moralischen Vorwürfen sind und ausschließlich einer Sachlogik folgen, Einsichtsfähigkeit zu entwickeln
In einem nächsten Schritt kann die Auswertung des Trinktagebuchs drittens aber auch dazu dienen, unreflektierte Gewohnheiten in Bezug auf das Alkoholtrinken aufzudecken und deren Bedeutung für das Trinkverhalten insgesamt herauszuarbeiten. Insbesondere wenn die Trinklimits deutlich überschritten werden, kann es hilfreich sein herauszufinden, wo, wann und in welchen Trinksituationen so viel Alkohol getrunken wird, dass die Limits regelmäßig überschritten werden.
Das Trinktagebuch ist viertens auch eine Hilfe bei der Erarbeitung von Strategien, um die Trinkmengen deutlich zu reduzieren. So kann gemeinsam mit dem Klienten darüber nachgedacht werden, welche Trinkmengen sich ohne viel Anstrengung durch Äquivalente ablösen lassen: Indem z. B nach einer sportlichen Aktivität gegen den Durst nicht mehr Bier, sondern Apfelsaftschorle oder ein Gemisch aus Bier und Sprite getrunken wird; indem statt einem großen Glas Wein ein kleines getrunken wird; indem das Feierabendbier auf die wieder verfügbaren kleinen Flaschen reduziert