Der Geschichten-Adventskalender. Angelika Röbel

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Der Geschichten-Adventskalender - Angelika Röbel

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sich einen Platz an der Tafel aus. Erst jetzt sah Lydia, dass unter dem Weihnachtsbaum einige Geschenke eingewickelt waren. Frau Bergmann machte die Kinder mit Lydia bekannt. Ihr gefiel, dass sie im Mittelpunkt stand, und war stolz auf ihren Vater. Sie sah sich in der Runde um.

      „Bevor ihr euren Kakao trinken dürft, bitte ich Lydia nach vorne. Das Christkind hat etwas für dich abgegeben. Du darfst nun deine Geschenke auspacken. Sicher wirst du schon sehr gespannt sein, was du bekommst.“

      Als Lydia nach vorne ging, stand ihr Vater mit traurigen Augen vor dem Weihnachtsbaum und sagte laut, damit es alle hören konnten: „Lydia, all diese Päckchen gehören nur dir!“

      Lydias Augen strahlten. Im gleichen Moment sah sie zu den anderen Kindern. Einen Augenblick lang hoffte der Vater, dass Lydias Gier sie selbst beschämte. Aber er hatte sich wohl geirrt.

      Vor dem Weihnachtsbaum kniend, packte Lydia das erste Päckchen aus. Es war eine wunderschöne Puppe mit dem gleichen Haar, wie sie es hatte. Sie bemerkte nicht gleich, dass inzwischen alle Kinder neugierig hinter ihr standen und die Geschenke bestaunten. Das Papier, welches sie achtlos beiseitegelegt hatte, faltete Frau Bergmann gewissenhaft zusammen und glättete mit den Fingern das Schleifenband.

      „Oh, du hast aber viele schöne Geschenke erhalten“, stellte der kleine Peter fest. „Darf ich mir den Teddybären mal ansehen?“

      Erst jetzt wurde Lydia richtig bewusst, dass sie die Einzige war, die etwas geschenkt bekam. Plötzlich fühlte sie sich gar nicht mehr wohl in ihrer Rolle als Tochter des Direktors. Hilflos suchten ihre Augen den Vater, aber sie konnte ihn nicht sehen, da um sie herum alle Kinder standen und staunten. Immer noch hielt sie den Teddybären in ihrer Hand. Wieder hörte sie in ihren Gedanken die Frage des kleinen Peters. Doch dann, ohne dass sie die Absicht hatte, es zu sagen, kam aus ihrem Mund die Antwort. „Hier, Peter, nimm den Teddybären, ich schenke ihn dir!“

      Peters Augen wurden riesengroß, er konnte nicht glauben, was er soeben gehört hatte. „Danke, oh, danke“, sagte er nur. Zu mehr Worten war er vor Staunen gar nicht fähig.

      Lydia betrachtete ihre Geschenke und stellte fest, dass ihr das Christkind, entgegen der Aussage des Vaters, alle Wünsche erfüllt hatte. Sie hielt die Puppe mit dem wunderschönen langen Haar im Arm, als sie sah, wie ein kleiner Finger diese berührte. Lydia blickte zu dem Mädchen, das nun blitzschnell und ängstlich seinen Finger wieder wegzog. „Möchtest du diese Puppe haben?“, fragte Lydia. Das kleine Mädchen hielt vor Freude die Hände vor den Mund und nickte mit großen Augen. Lydia schaute die Puppe ein letztes Mal an und überreichte sie dann entschlossen dem Mädchen.

      Mit Tränen der Freude in den Augen beobachtete der Vater aus einiger Entfernung das Geschehen.

      So verteilte Lydia an diesem Abend all ihre schönen Geschenke an die armen Kinder aus dem Waisenhaus, die noch nie in ihrem Leben etwas Eigenes besessen hatten. Lydia war überhaupt nicht traurig darüber, dass sie am Ende kein Geschenk für sich behalten konnte. Sie hatte zehn Geschenke erhalten und da zehn Kinder im Heim waren, ging keines der Kinder leer aus. Sogar ihre Schleife erfreute ein kleines Mädchenherz. Lydia saß mit den Kindern auf dem Fußboden und freute sich mit ihnen. Sie lachten und spielten gemeinsam mit den schönen Geschenken. Noch nie hatten die Kinder so ein schönes Weihnachtsfest erlebt.

      Der kleine Peter drückte seinen Teddybären mit einer Hand an sich. Mit der anderen Hand griff er in Lydias goldblonde Locken. Und dann sagte er laut, sodass es alle hören konnten: „Bist du ein Engel?“ Lydia sagte nichts. Endlich fand ihr suchender Blick den Vater und Lydia lächelte ihn an.

      Ja, es war das Lächeln eines Engels.

      3. Dezember

      Die Geschichte vom kleinen Tannenbaum

      Gleich war es geschafft! Ein schmaler Lichtstrahl war bereits zu sehen. Nur noch ein bisschen drücken! Ja, noch einmal – und die letzte Erde fiel von den kleinen zarten Zweigen. Kaum hatte das kleine Tannenbäumchen seine winzigen grünen Nadeln dem Licht entgegengeschoben, wurde es schon von den Älteren begrüßt.

      „Sei willkommen in unserem Wald!“, hörte der kleine Spross. „Du hast dir aber einen schönen Platz ausgesucht. Fast den ganzen Tag wirst du die Sonnenstrahlen spüren können und wenn es regnet, stehen dir keine älteren Bäume im Weg, die dir das Wasser streitig machen. Somit hast du die besten Bedingungen zum Wachsen und sicher wirst du bald groß sein. Wenn du dann dem Förster gefällst, sucht er dich vielleicht sogar als Christbaum aus. Du musst wissen, dass das für uns Tannen die allergrößte Ehre wäre. Jeder von uns möchte irgendwann ein Christbaum sein. Manchmal erzählen und träumen wir davon, dass wir eines Tages schön geschmückt in einem Zimmer stehen und die Kinderaugen leuchten sehen. Leider aber hat jeder von uns irgendwelche Schönheitsfehler. Wir stehen zu eng beieinander und sind daher nicht so schön gewachsen. Aber du hast wahrscheinlich großes Glück, mein Kleiner.“

      „Woher weißt du das mit dem Christbaum?“, unterbrach der kleine Spross die riesengroße Tanne.

      „Weißt du, ich stehe hier schon seit vielen Jahrzehnten und bin der zweitgrößte Baum in diesem Wald.“ Dabei räkelte er sich stolz, sodass einige Tannenzapfen nach unten fielen. „Ich kann über alle Tannen hinwegsehen, sogar bis ins Dorf. Dort beobachte ich schon lange, wie die Menschen jedes Jahr zu dieser Zeit eine Tanne im Zimmer aufstellen. Man kann das durch die Fenster gut beobachten. Das Forsthaus am Waldrand ist gar nicht weit von hier entfernt und wenn dort das Fenster offen steht, kann ich mich mit der geschmückten Tanne sogar unterhalten. Dadurch wissen wir auch, was es für ein Vergnügen ist, wenn wir geschmückt werden und im Kerzenschein leuchten.“

      Von nun an hatte unser kleiner Tannenbaum nur noch einen Traum. Er wollte selbstverständlich auch ein Christbaum werden. Und er gab sich große Mühe, schön gerade zu wachsen.

      Als der Schnee zum dritten Mal getaut war, bemerkte ihn der Förster. Er ging um den kleinen Tannenbaum herum und sagte: „Ich glaube, aus dir könnte etwas werden!“ Interessiert zog er sein Maßband aus der Tasche, notierte sich Umfang und Größe in einem Büchlein und markierte sich dieses Bäumchen schon einmal.

      Von nun an achtete der große alte Tannenbaum noch mehr auf den kleinen. Als eine Gruppe Rehe an seinen saftigen grünen Spitzen knabbern wollte, rüttelte die große Tanne ihre starken Zweige. Einige Tannenzapfen fielen geradewegs auf die Köpfe der Rehe. Erschrocken sprangen sie davon. In eiskalten Winternächten oder bei Sturm hielt er seine hohen großen Zweige schützend über den kleinen Tannenbaum, damit er prächtig gedeihen konnte.

      Im vierten Winter war er bereits so groß, dass er mit seiner höchsten Spitze geradeso die Fenster des Försters sehen konnte. Am Heiligen Abend schaute der junge Tannenbaum verträumt durch das Fenster. Er hatte bereits tagsüber der Frau des Försters zugesehen, wie sie liebevoll den Christbaum mit bunten Kugeln, kleinen Engeln und Strohsternen schmückte. Jeden kräftigen Zweig zierte eine Kerze. Zum Schluss kam weißes Engelshaar über die Zweige.

      „Ach, könnte ich doch in der Försterstube stehen!“, seufzte unser kleiner Baum und träumte weiter davon, bald groß genug zu sein, um auch so ein hübscher Christbaum zu werden. Er schaute an sich herunter und hob kurz seine kräftigsten Zweige an.

      „Was tust du da?“, fragte der alte Tannenbaum.

      „Ich schaue, ob meine Zweige stark genug sind, um die Kerzen halten zu können. Was meinst du, bin ich bald so weit?“

      „Ich denke schon“, rauschte der alte Tannenbaum mit seinen Zweigen. „Du bist schön gerade gewachsen und da wir alle auf dich aufgepasst haben, hat

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