für immer 8 Bit. Uwe Post
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»Spannender als Spielen?«
»Ja.« Ich hob andächtig die Hände. »Spiele erschaffen.«
Anna drehte ihren Schreibtischstuhl und legte die Füße aufs Sofa. »Kannst du das?«
Ich entnahm dem Schuhkarton das BASIC-Steckmodul. »Klar«, sagte ich. »Wir schließen den Atari an deinen Fernseher an, dann zeige ich es dir.«
»Muss ich mir das dann merken, wie die Quotientenregel?«
Vorsichtig fummelte ich das eingesteckte Antennenkabel aus der Rückseite des Fernsehers und stöpselte das Atari-Kabel ein. »Hast du sie dir denn jetzt gemerkt?«
»Nein«, sagte Anna und tat so, als würde ihr Elefant die nächsten Worte sprechen: »Aber die Herleitung, hoffe ich.«
»Perfekt«, sagte ich und schob den Netzstecker des Atari in die Dose neben der Tür. Ich knipste den Fernseher an.
»Kanal 20«, sagte Anna. »Einmal habe ich ihn angeschaltet, aber ...«
»Er verhielt sich nur wie ein vergesslicher Notizblock.«
»Langweilig.«
Ich beobachtete, wie nach und nach das Fernsehbild erschien. Die Röhre heizte sich ziemlich langsam auf. Als ich auf Kanal 20 wechselte, sahen wir Schnee und hörten Rauschen.
»Weil das Modul fehlt.« Ich öffnete die Gehäuseklappe des Computers und schob das BASIC-Modul an die richtige Stelle. Dann schaltete ich den Atari an. Nach einem knurrigen Brummen erschien ein blauer Bildschirm mit fünf weißen Buchstaben:
READY
Darunter wartete der Cursor auf Befehle, ein weißes Quadrat.
Ich kniete mich vor den Atari. »Kannst du von deinem Stuhl aus alles sehen?«
»Alles, was ich sehen will«, versetzte Anna und streichelte die Elefantenohren.
Ich ließ mich nicht beirren und tippte ein:
10 Z=RND(10)+1
20 PRINT "Errate die Zahl zwischen 1 und 10!"
30 INPUT R
40 IF R>Z THEN PRINT "ZU GROSS!":GOTO 20
50 IF R<Z THEN PRINT "ZU KLEIN!":GOTO 20
60 PRINT "RICHTIG GERATEN!!"
»Dauert das noch lange?«, fragte Anna, als habe sie noch einen wichtigen Termin mit ihrem Elefanten.
»Nö, schon fertig.«
»Erklärst du mir, was du da machst?«, sagte Anna.
»Also, das ist ein ziemlich einfaches BASIC-Programm. Jede Zeile beginnt mit einer Nummer und enthält eine oder mehrere Anweisungen. Wenn ich jetzt den Befehl RUN tippe und die Return-Taste drücke, arbeitet der Atari die Zeilen von oben nach unten ab.«
»Und das soll ein Spiel sein?«
»Es ist eins«, sagte ich fest. »Ein sehr einfaches. Aber es ist tatsächlich eines, bei dem man mit einer guten Strategie schneller zur Lösung kommt als mit einer schlechten. Das ist wichtig bei Spielen. Es gibt immer ein Ziel und verschiedene Möglichkeiten, es zu erreichen. Bist du ein guter Spieler, erreichst du das Ziel schneller. Ein Spiel ist eine Art Test.«
»Du willst mich testen?«
Statt einer Antwort startete ich das Programm, das uns aufforderte, eine Zahl zu erraten. »So, der Atari hat sich jetzt eine zufällige Zahl zwischen eins und zehn ausgedacht, und wir müssen sie erraten.«
»Fünf«, sagte Anna.
»Sehr gut«, sagte ich und tippte auf die Taste mit der Ziffer 5, dann auf Return. Der Computer antwortete »Zu klein.«
»Acht«, sagte Anna.
»Kennst du das Spiel?«, fragte ich, denn sie hatte auf Anhieb die richtige Strategie gewählt.
»Ich rate.«
»Du rätst gut.« Ich gab die 8 ein und zeigte auf den Bildschirm. »Gratulation, du hast gewonnen. Das ging ziemlich schnell. Wir können den Glücksfaktor verringern, indem wir Zahlen zwischen 1 und 1000 nehmen.«
»Und wer soll das kaufen?«
Ich drehte mich zu Anna um. »Wie meinst du das?«
Sie warf mir den Elefanten zu und griff zum Nashorn. »Mein Vater sagt immer: Was niemand kauft, taugt nichts. Keiner würde dein Spiel kaufen.«
»Es ist ja auch ein sehr einfaches Spiel. Ich wollte dir nur zeigen, dass ...« Ja, was eigentlich? Wollte ich ihr beweisen, was für ein toller Hecht ich war, indem ich einen Computer, der sie nicht interessierte, mit einem Spielchen fütterte, das sie nicht interessierte? Oder hatte mich eine unsichtbare Macht dazu gezwungen, irgendein Spiel zu programmieren, und dieses war mir als erstes eingefallen, weil ich es in der Bücherei in einer Computerzeitschrift gesehen hatte?
»Kannst du ein besseres Spiel programmieren?«, unterbrach Anna meine Gedanken. »Eines, das, sagen wir … tausend Leute kaufen, zu einem Preis von … 20 Mark?«
Ich zuckte mit den Schultern und zeigte auf den Atari. »Man braucht nur eine Idee und etwas Zeit. Na ja, und man muss sich um Vervielfältigung und Verkauf kümmern, dazu braucht man eine Datasette oder ein Diskettenlaufwerk. Man muss eine Anleitung schreiben und eine hübsche Verpackung entwerfen. Dann muss man eine Anzeige in einer Zeitschrift schalten und warten. Aber im Prinzip spricht nichts dagegen.« Ich streichelte den Elefanten. In die Stille hinein knurrte mein Magen. Ich sah auf die Uhr: Viertel vor Sechs. »So ein Computer ist zwar nur ein Kasten mit etwas Elektronik drin. So ähnlich wie ein Videospiel. Aber mit einem entscheidenden Unterschied: Man kann unendlich viele Dinge damit tun. Man kann etwas erschaffen, das es vorher nicht gab. Eine eigene Welt.«
»Eine eigene Welt«, wiederholte Anna geistesabwesend und streichelte ihr Nashorn.
Zum ersten Mal im Leben wünschte ich mir, ich wäre ein Kuscheltier.
Als ich später Tommy davon erzählte, behauptete er allen Ernstes, dass ich alles total verkehrt anstellte. Man müsse ein Mädchen zu einem Eis oder ins Kino einladen!
Den Nieselregen als Argument gegen die Idee mit der Eisdiele ließ Tommy zum Glück gelten. Allgemein war er der mutigere von uns beiden. Er warf mir dauernd vor, dass ich schüchtern war, und das zu Recht.
»Sagte ich schon, dass du ein behämmerter Idiot bist?«, raunzte er mich an und schüttelte verzweifelt den Kopf. »Besucht ein Mädchen und streichelt bloß ihren Elefanten.«
»Ich wollte nicht rausgeschmissen werden.«
»Mich wundert, dass sie nicht vor Langeweile eingeschlafen ist.« Tommy machte die Augen zu, den Mund auf und schnarchte.
Er war mein bester Freund. Mein einziger, genau genommen. Gut,