für immer 8 Bit. Uwe Post

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für immer 8 Bit - Uwe Post

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auf und vergewisserte sich, dass beide Reifen Luft hatten. »Komm«, sagte sie, »machen wir uns auf den Weg.«

      Wir schoben unsere Räder nebeneinander den steilen Weg hinauf, der von der Schule zur Straße führte. Wer nach sechs Schulstunden noch Kraft hatte, hier rauf zu trampeln, war vermutlich auf der Flucht vor einem schlecht gelaunten Lehrer.

      »Ich habe eine Herleitung versucht«, sagte Anna. »Was für ein Spiel würde garantiert ein großer Erfolg werden?«

      »Eins mit Bildern?«

      »Lass mich ausreden«, sagte Anna. »Wer kauft Computerspiele? Atari-Besitzer. Was sind das für Leute?«

      »Ich weiß nicht«, gab ich zu, »ich kenne keine.« In diesem Moment schaute die Sonne durch eine Wolkenlücke. Der steile Berg, der Regenmantel und die allgemeine Situation kurbelten meine Schweißproduktion ohnehin schon an. Jetzt auch noch die warme Frühlingssonne!

      Tommy würde die Nase rümpfen, so sehr stank ich. Mit etwas Glück würde er sogar wegrennen.

      »Halt mal an«, befahl Anna. »Ich glaube, ich habe es dabei.« Sie griff in die Schultasche auf ihrem Gepäckträger und wühlte darin herum. Zu meiner Verwunderung zauberte sie ein Homecomputer-Magazin hervor. »Da, siehst du den Typen hier?«

      »Den auf dem Titelbild? Äh ja, er ist nicht zu übersehen.«

      »Der Kerl ist ein typischer Atari-Besitzer.«

      Ich sah genauer hin. »Okay, er sitzt vor einem VC 20, aber ich verstehe, was du meinst.« Der Mann auf dem Titelbild trug einen Pullover, eine Brille, einen Oberlippenbart und war vielleicht 30 Jahre alt.

      »Was ich damit sagen will, ist: Du musst ein Spiel schreiben, auf das einsame junge Männer total abfahren.«

      »Woher weißt du, dass er einsam ist?«

      »Hätte er eine Freundin, wäre er anders angezogen.«

      »Wirklich?« Ich sah automatisch an mir hinunter und fragte mich, ob auch ich andere Klamotten tragen würde, wenn ich eine Freundin hätte. Ich musste dringend mit Tommy darüber reden. Der kannte sich mit Mode aus. Behauptete er. Als unsichtbarer Freund kam er selten in die Verlegenheit, ein neues Hemd kaufen zu müssen.

      Anna drückte mir die Zeitschrift in die Hand. »Überleg mal, was junge, einsame Männer noch so für Interessen haben könnten.«

      »Außer Homecomputer?«

      »Ja. Und ich meine weder Briefmarken noch Modelleisenbahnen.«

      Ich hoffte, ich wurde nicht rot. »Du meinst ...«

      Anna nickte. »Genau. Jeder junge Kerl möchte gerne ein hübsches, nacktes Mädchen sehen und dann am liebsten …«

      »Ich nicht!«, beeilte ich mich zu versichern.

      »Du kennst doch sicher Eis am Stiel ... Man sieht es an euren Blicken. Guck nicht so!«

      »Tu ich gar nicht!«

      »Ein Computerspiel, in dem ein nacktes Mädchen vorkommt, würde uns reich machen.«

      »Uns?«

      »Klar. Du programmierst das Spiel, und ich ...« Sie zuckte mit den Schultern.

      »Du bist das Mädchen?«

      »Denk nicht mal dran! Ich bekomme einen Anteil für die Idee.«

      Ich malte mit dem Finger einen imaginären Kreis in die Luft zwischen uns. »Deshalb hast du mich gestern gefragt, wie man ein Bild in ein Programm bekommt.«

      »Denk dir was aus. Hausaufgabe für Montag.«

      »Und du findest ein Mädchen, das sich …« Aus irgendeinem Grund flüsterte ich, als ich fortfuhr: »… auszieht?«

      Anna zeigte auf die Zeitschrift. »Hier drin sieht man, wie pixelig Computer-Bilder sind. Man kann gar nichts erkennen. Das meiste findet in der Vorstellung statt. Könnte bloß sein, dass der Programmierer dieses Spiels das Modell umständehalber nackt zu sehen bekommt. Motiviert?«

      Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Kein Mädchen der Welt würde … ich meine … ihr seid verklemmt und tragt weite Pullover und würdet euch nie freiwillig auch nur die linke Socke ausziehen, wenn ein Junge in der Nähe ist.«

      Anna lachte. »Dann brauchen wir ein Modell von einer anderen Welt.«

      »Das erklärt es natürlich: Du bist in Wirklichkeit Prinzessin Leia.«

      »Danke, dass du mich nicht E.T. genannt hast.«

      »Ich will aber keinen Ärger mit deinen Eltern!«

      Sie tippte auf das Magazin in meiner Hand. »Dann bring das besser Montag wieder mit, es gehört meinem Vater.«

      Ich nickte. »Drei Uhr?«

      Sie nickte. »Und jetzt ab nach Hause und unter die Dusche. Du stinkst.«

      »Zu Befehl«, sagte ich und schob die Zeitschrift in meine Schultasche.

      Ich stank wirklich so schlimm, dass Tommy sich im Lokschuppen meiner Modelleisenbahn versteckte. Nachdem ich die Türen geschlossen und mit meiner Dampflok Baureihe 44 blockiert hatte, konnte ich mich das ganze Wochenende lang auf meine Hausaufgaben konzentrieren.

      Und auf einen weiteren Besuch bei Anna freuen.

      Wieder Montag

      Als ich Annas Zimmer betrat, staunte ich nicht schlecht. Der Atari war keineswegs wieder auf dem Schrank verschwunden. Er hatte einen kleinen Camping-Klapptisch spendiert bekommen und stand voll verkabelt vor dem Regal mit dem Fernseher.

      Noch mehr beeindruckte mich, dass unter dem Tisch ein Diskettenlaufwerk und eine Datasette standen.

      »Wo kommen diese Dinger denn jetzt plötzlich her?«, entfuhr es mir.

      »Hatte mein Vater noch im Schrank«, sagte Anna und zeigte auf ihren Schreibtisch. »Da liegen auch ein paar Steckmodule. Bloß kein Joystick.«

      Ich kniete mich hin und fuhr zärtlich mit den Fingern über die Geräte. Die Bezeichnung des Diskettenlaufwerks lautete 810. Es konnte knappe 100 KBytes auf jede Seite einer 5 1/4-Zoll-Diskette speichern, die man dazu freilich aus dem Gerät nehmen und anders herum wieder einschieben musste. Mir kamen fast die Tränen. Natürlich gehörten die Geräte nicht mir. Aber sie zu sehen und anzufassen, hatte irgendwas Körperliches.

      »Womit wir beim Thema wären«, brummte ich und stand auf.

      »Englisch oder Mathe?«, fragte Anna.

      Ich ging zum Schreibtisch und sah mir die Steckmodule und Disketten an. Annas Vater hatte tief in die Tasche gegriffen, soviel stand fest. Ich fand den Atari Writer, das BASIC-Modul, mehrere DOS-Disks und eine mit der Aufschrift »Forth«.

      »Kennst du das Gefühl, im Paradies gelandet zu sein?«, murmelte ich.

      Anna schwenkte ihr Schulheft.

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