Karpfenkrieg. Werner Rosenzweig

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Karpfenkrieg - Werner Rosenzweig

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Blick und sah zum Fürchten aus. Lange, ungepflegte, widerspenstige Haare standen von seinem Kopf ab. Seine Kleidung war abgerissen und schmuddelig. Auf seinem Rücken trug er einen abgewetzten Rucksack, und sein Blick war irre und furchteinflößend. Hanni der Hammer hatte das Telefonat mit Hanna Jäschke beendet und beobachtete nun die ungepflegte Gestalt. Die bewegte sich nicht von der Stelle. Als wäre sie festgewachsen. Dem Hausherrn wurde es zu bunt. Er musste weg, Knöllchen-Horst suchen. Wutentbrannt riss er das Fenster auf. „Heh, du Struwwelpeter“, rief er hinaus, „was willstdn du hier? Warum starrstdn du dauernd auf unsern Gartn und unser Haus? Bei uns gibts fei nix zu Bettln. Des socher der gleich! Schau dassd verschwindst, sonst macher der Ba!“

      Ulrich Fürmann starrte immer noch auf die herrlich roten Eiertomaten, die ihm von vier Tomatenstöcken entgegenlachten. Er fühlte, wie der Hunger in seinem Magen rumorte. Dann besann er sich und ging weiter. Ein unfreundlicher Zeitgenosse, der da zum Fenster herausplärrte. Er nahm sich vor, das Grundstück in der Nacht näher zu inspizieren.

      *

      Johannes Hammer schwang sich auf sein Fahrrad und strampelte die Schulstraße hinauf. Es ging bereits auf elf Uhr zu. Wo kamen denn die ganzen Polizeifahrzeuge her, welche ihm entgegenfuhren? Das sah ja fast wie ein Betriebsausflug aus. Machten die Bullen vielleicht eine Sternfahrt? Er trat in die Pedale und machte sich Sorgen um Knöllchen-Horst. Hoffentlich war ihm nichts zugestoßen. Mit fast dreiundsechzig Jahren konnte spontan alles passieren. Herzinfarkt, Schlaganfall, Kreislaufzusammenbruch. Besonders nach so einer durchzechten Nacht. Er sah sich ringsherum um. „Horst?“, brüllte er von Zeit zu Zeit in die offene Natur. Die Sonne lachte wieder von einem wolkenlosen Himmel und die Kühle der Nacht hatte sich längst verzogen. Lediglich über dem nahen Wald stiegen noch kleine Dunstwölkchen auf, die sich aber sofort verflüchtigten. Das Getreide links und rechts des Weges stand schon hoch. Bald würden die Mähdrescher mit ihren gierigen Mäulern kommen und nur noch Stoppeln hinterlassen, erste Boten des nahenden Herbstes. „Horst, hörst du mich?“, rief er erneut über die Getreidefelder. „Horst, ich bin’s, der Hanni.“ Keine Antwort. Hanna rief auch nicht an. Bertl Holzmichl ratzte bestimmt noch immer in der Gartenlaube vor sich hin und schlief seinen Rausch aus, aber Knöllchen-Horst war immer noch verschwunden. „Und wenn er in an Weiher neigfalln ist?“, ging es ihm durch den Kopf. „Das wärs ja noch gwesen.“ Sein Mobiltelefon vibrierte. Es war Hanna. „Hast du ihn schon gefunden?“, fragte sie.

      „Na, ich bin etz grad an der Stell, wos im Wald ständich den Berch nach Neuhaus runter geht“, antwortete er. „Wie gsacht, ich ruf di scho an, wenn ich fündich worn bin.“

      Fünfzehn Minuten später war Hanni der Hammer bei Hanna angekommen – ohne ihren Mann. Sie berieten, was zu tun sei. „Ruf bei der Polizei an“, forderte er sie auf.

      „Aber heute ist doch Sonntag!“

      „Na und? Die sen doch immer besetzt“, argumentierte er. „Wenn der Horst in seim Rausch in die Schwarzbeersträucher neigfalln is, finna wir den nie. Der wacht höchstens auf, wenn der vo die Ameisn odder die Schnagn zerstochen wird.“

      „Was soll ich der Polizei sagen? Dass der säuft wie ein Besenbinder und sich wahrscheinlich im Vollrausch nur verlaufen hat?“

      „Bloß net“, riet ihr Johann Hammer, „da sens zu empfindlich, die Bulln. Die fühln sich immer gleich verarscht. Da tätn die gor net mit dem Suchn anfanga.“

      „Warum müsst ihr Mannsbilder nur immer so viel trinken?“, beschwerte sich Hanna Jäschke.

      „Is halt ab und zu a schee“, antwortete er.

      „Ab und zu, bei euch ist das doch ein Dauerzustand.“

      „Na ja, so schlimm is a net. Und sonst? Machst immer noch dei Kräuterführunga?“

      „Hhm, macht immer noch Spaß.“

      „Immer nu ums Schloss rum?“

      „Ja, ich treffe mich mit meinen Teilnehmern immer in der Schlossstraße, beim alten Brunnen, und dann laufen wir meistens um das Schloss herum.“

      „Und da wächst was?“

      „Und wie! Im Frühjahr wächst dort sogar der Gundermann, das ist eine Zauberpflanze, die verrät in der Walburgisnacht die Hexen. Dort findest du auch Liebeskräuter mit aphrodisierender Wirkung.“

      „Du manst, die machn geil?“

      „Ihr Mannsbilder habt auch nur immer das Eine im Kopf. Bald wird es die Herbstkräuter geben und im Oktober die Wurzelkräuter. Geh doch einmal mit, dann lernst du noch etwas.“

      „Na, Gundermann, Wurzlkräuter, des is nix für mich. Ich foahr etz widder ham. Helfen kann ich dir etz ja eh net.. Wenn er auftaucht, der Horst, rufst mich an. Ich schau hamwärts a numal, ob ich ihn find.“ Johann Hammer verabschiedete sich, und schwang sich draußen wieder auf den Fahrradsattel.

      Als er nach knapp zwei Kilometern wieder aus dem Wald hinausfuhr und es nach Röttenbach nur noch bergab ging, erkannte er nach einer Weile die beiden Tratschtanten Kunni und Retta. Sie standen etwas abseits des Weges, ein Stück feldeinwärts, und gestikulierten heftig.

      „Hallo, ihr zwei Hübschen, Ostern is fei scho vorbei. Der Osterhos kummt erscht nächstes Joahr widder.“

      „Ja, do schau her“, rief die Kunni ihm entgegen, „Hanni der Hammer. Wu kummstn scho widder her, du alter Gauner? Hast dei Karpfen zählt, ob der Kormoran nu welche übrig glassn hat?“

      „Kennt scho sei, kennt scho sei“, antwortete er und stieg vom Fahrrad. „Und ihr, was machtn ihr da auf dem Feld?“

      „Wir schaua uns den Tatort an“, klärte ihn die Kunni auf.

      „Tatort? Was mantn ihr damit?“

      „Des waßt du nunni? Heit früh hams doch an Totn gfunna. Den hat sei Mörder anzundn, sacht mer. Da, wo des Gras so versengt is, muss er glegn sei.“

      „Anzundn? Ermordet, sacht ihr?“ Hanni der Hammer bekam einen Riesenschreck. „Wer isn dann der Tote?“

      „Des wissen wir a nu net. Des muss die Polizei ja erscht nu feststelln. Jedenfalls wars a Mo. An grüna Jägerhut aus Filz hams gfunna. Gleich da am Wech. Net weit davon entfernt, wu dei Fahrrad steht. Und a Taschnlampn.“

      Johann Hammer entwich augenblicklich die Gesichtsfarbe. Er sah auf einmal leichenblass aus. „Mein Gott“, entfuhr es ihm, „des werd doch net der Horst sei.“

      „Is der schlecht, Hanni?“, wollte nun die Kunni wissen. „Schaust auf amol su käsweiß aus. Was hast du grad von einem Horst gsacht?“

      „Der Horst“, stammelte der Angesprochene, „der Knöllchen-Horst, der Holzmichls Bertl und ich ham gestern a weng gfeiert – grillt.“

      „Und dabei gscheit gsuffn“, steuerte die Retta bei, doch ihr Kommentar verbuffte in der warmen Sommerluft.

      „Jedenfalls hat sich der Horst heut früh, so umera dreia werds gwen sei, zu Fuß aufn Hamwech nach Neuhaus gmacht. Durchn finstern Wald?, ham wir, der Bertl und ich, nu gsacht. Des macht nix, mant der Horst drauf, ich hab mei Taschnlampn dabei, und außerdem, bis ich daham bin, bin ich widder nüchtern. Mei beige Jeansjackn habbin nu aufdrängt, dem Horst, weils ganz sche frisch war, heit Nacht, und mein grüna Filz … Mein Gott, wenn des der Jäschkes Horst is, … ich werd mir doch mei Leben lang Vorwürf

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