Ich kann mir die Arbeit nicht leisten. Rainer Voigt

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Ich kann mir die Arbeit nicht leisten - Rainer Voigt

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geraten waren und Freddy kündigen wollte. Bei gelegentlichen gemeinsamen Arbeiten mit dem Chef, so berichtete Freddy, habe er diesen immer regelrecht vorgeführt. Er habe weniger Fehler als der Chef gemacht und war auch bedeutend schneller. So hat dieser wohl erkennen müssen, dass er schlecht auf Freddy verzichten konnte. Am Ende der Woche kam die Hiobsbotschaft: die Montage soll um eine weitere Woche verlängert werden, weil nur dann die Urlaubsvertretung richtig abgesichert ist. In dieser zweiten Woche wurden Häuser im Umfeld der Firma installiert. Die Hinfahrt war auch wieder von Problemen des Navis geprägt, die 80 km Umweg brachten und die eingeplante Zeitreserve bis auf die letzte Sekunde aufzehrte.

      Diese Woche arbeitete Frank-Peter mit Torsten, dem Altknecht in der Firma. Torsten lebte seit vielen Jahren mit seiner Partnerin in einer Lebensgemeinschaft, die leider kinderlos blieb. Eine Heirat kommt für ihn heute aus steuerlichen Gesichtspunkten nicht mehr in Frage. Seine Partnerin ist Vertreterin und dadurch zeitlich straff eingespannt. Ein so genanntes Familienleben gibt es nur an den Wochenenden, die Woche über machte jeder seins, auch wenn, wie in diesem Fall, Torsten in unüblicher Manier jeden Tag nach Hause kam. Frank-Peters Übernachtung war im 15 km entfernten Goldenhagen organisiert worden. Jeweils am Morgen wurde ein Lunchpaket bereitgestellt, üppig bezüglich Wurst, schließlich war die Unterkunft auch gleichzeitig eine Schlachterei. Mit einer trockenen Brotscheibe in der einen und einer Wurst in der anderen Hand wurde in der zehnminütigen Frühstückspause, die man sich als einzige Pause am Tag auf Kosten des Chefs gönnte, nicht gerade der kulinarische Höhepunkt erreicht, von hygienischen Bedingungen ganz zu schweigen. Torsten war mit Frank-Peters Arbeit zufrieden. Frank-Peter gab sich leidlich Mühe, fragte, wenn er Dinge nicht verstand. Vor allem waren das Sachen, die Frank-Peter von anderen Baustellen anders kannte und die ihm dort, wenn er so wie hier arbeiten würde, mehr als nur Ärger eingebracht hätten. Dafür war es hier unumgänglich, in die Glasisolierung zu greifen und die Leitungen zwischen Glasisolation und Deckenlattung entlang zu ziehen. Die mikroskopisch feinen Glasbruchstücke verursachten einen ständigen Hustenreiz und ein Jucken am ganzen Körper. Vielfach kamen in den Folgetagen vermutlich Reste der Glasisolierung in kleinen schmerzhaften Pusteln an den Armen und den Händen wieder aus dem Körper heraus.

      Ein Anruf kam von der Chefin. Der Firmenchef aus dem Westen möchte Frank-Peter auch weiterhin beschäftigen, wenn er es wünscht, werden die Weichen dahingehend gestellt. Mit Verweis auf den vereinbarten lokalen Einsatz lehnte Frank-Peter dankend ab und ließ über Torsten an den Chef übermitteln, dass er am kommenden Montag nicht mehr hier antreten werde, weil er nur als Urlaubsvertretung die Stelle ausgefüllt habe. Das habe nichts damit zu tun, dass er sich nicht wohl gefühlt habe, aber er ist für die kommende Woche bereits verplant. Bewusst hat Frank-Peter keine direkte Ablehnung einer Montagetätigkeit durchblicken lassen, um seine Zeitarbeitsfirma nicht zu diskreditieren. Eine Entscheidung mit Folgen. In der darauf folgenden Woche bekam Frank-Peter einen Anruf von seiner Chefin. Ullrich Geibel, der Inhaber der Firma habe bei einer Mitarbeiterin der Zeitfirma angerufen und diese „rund“ gemacht. Er verlangt Frank-Peter auf der Baustelle, sobald dieser wieder verfügbar ist. Mit Frank-Peter sollte aber nicht direkt gesprochen werden. Frank-Peter verteidigte Ullrich Geibel, der am Wochenende seinen 50. Geburtstag gefeiert habe und davon wohl noch etwas angetüdelt gewesen sein könnte. Außerdem sieht ja jeder die Dinge so, wie er es selbst gern haben möchte. Zusagen wären jedenfalls nicht gemacht worden. Im Gespräch mit Torsten habe dieser Frank-Peter gegenüber erwähnt, dass der Kollege, den Frank-Peter die vierzehn Tage vertreten hat, nicht so zuverlässig sei. Dieser habe zwei Gänge: langsam und ganz langsam. Wenn er auf der Baustelle gerufen wird, vergeht oft eine Ewigkeit, bis er sich meldet. Die Arbeit gehe ihm nicht sonderlich von der Hand. Da aber Ullrich Geibel von der Hausbaufirma Druck bekommt, diese ihrerseits die Rüsterbrigaden auf 39 erhöht hat und die Produktion von Fertighäusern wieder hochfährt (sehr zu Lasten der Qualität, wie die Rüster dies kommentierten), wolle Ullrich Geibel ab der folgenden Woche zwei Monteure von der Zeitarbeitsfirma abfordern. „Gibt es hier im Umfeld keine Arbeitszeitfirmen, müssen da aus Leipzig die Leute herangeholt werden?“, fragte Frank-Peter Torsten. „Einige wenige gibt es hier, wir hatten auch schon Leute von denen. Aber die meisten vermitteln nur für lokale Arbeiten, Montage will keiner machen und dann passiert es, dass wir absolute Pflaumen bekommen, die wir nach zwei Tagen wieder abmelden müssen.“ Für ihn, Torsten, rechnet sich das nicht. Die Zeit für das Anlernen und kontrollieren fehle ihm bei der eigenen Arbeit. Allein ist er oft schneller und gewiss, dass ihm später nicht noch Probleme aus verdeckten Fehlern zu schaffen machen werden.

      Die dritte Woche begann mit einem chaotischen Hin- und her. Erst sollte der Montag „beschäftigungsfrei“ sein, weil es bei der angekündigten Elektrikerfirma Bauverzug in den Aufträgen gab. Am Montag wäre also Abrechnung der Stundenzettel möglich. Dann ein Anruf, dass doch noch am Sonnabend abgerechnet werden muss. Am Montag und Donnerstag gibt es Arbeit als Müllmann in Wölzen, dafür ist Ausrüstung erforderlich, die auch noch abgeholt werden muss. Die Tage dazwischen gelten als Rufbereitschaft. Mit der Abgabe der Stundenzettel gab es die nachgewiesenen Tankkosten und 50 Euro für die eigene Fahrzeugnutzung während der Montage. Auslöse gab es nicht, weil die Unterkunft vom Westchef bezahlt wurde! Später erfuhr er von anderen Kollegen aus seiner Zeitarbeitsfirma, dass diese einen Leihwagen für diese Fahrten erhalten hatten.

      Am Montag, den 21. Juni begann der Einsatz als Müllmann, als Beifahrer. Das ist wichtig, denn der Fahrer, dessen Arbeit Frank-Peter großen Respekt entgegen brachte, fährt das große Auto und hilft nur an absoluten Schwerpunkten. Frank-Peters Aufgabe bestand darin, in der Kleinstadt Mölben die gelben Säcke einzuladen. Christian, der Fahrer warnte Frank-Peter, dass die gelben Säcke von fünf Wochen eingesammelt werden müssten und es sehr, sehr viel werden würden. Es wurden viele. Einmal musste das Auto zu Firma zurück um den Inhalt zu entsorgen. 5,6 Tonnen erbrachte die erste Fahrt. Wenn man vom durchschnittlichen Gewicht eines „gelben Sackes“ von weniger als einem Kilo ausgeht, kann man sich vorstellen, wie viele dieser Beutel Frank-Peter mit einem „Bückling“ von der Straße aufklauben und über die hintere, recht hohe Bordwand in das Fahrzeug befördern musste. In der orangefarbenen Arbeitskleidung staute sich die Wärme. Die Gummihandschuhe sammelten ebenfalls Schweiß, der beim Ausziehen wie ein kleiner Wasserfall heraus lief. Die Fahrten zwischen den einzelnen, vermutlich willkürlich von den Bürgern gewählten Ablagestellen der gelben Säcke durfte Frank-Peter auf dem Tritt am Heck des Fahrzeuges mitfahren. Der Kopf befindet sich dann genau in Höhe der Hecköffnung mit den zum Teil bereits zerstampften Müllsäcken. Aus diesem Konglomerat von fauligen und gärenden Lebensmittelresten, man stelle sich nur eine alte Fischbüchse vor, waberte ein bestialischer Gestank. Dem drohenden Brechreiz konnte Frank-Peter nur begegnen, indem er den Kopf seitwärts vom Fahrzeug in den Fahrtwind hielt. Probleme gab es mit Säcken, die bereits seit Tagen auf der Straße deponiert worden waren und von Krähen zerhackt oder von Katzen zerrissen worden waren. Auch von Bürgern sehr nachlässig gepackte Säcke mit scharfkantigen Blechdosen gehörten zu denen, die sich während des Transports in das Fahrzeug zerlegten und den Inhalt auf die Straße verteilten. „Den Besen hatte man mir geklaut“, beteuerte Christian. So musste, zwar mit Handschuhen, aber jedes Krümel einzeln mit der Hand aufgesammelt werden. „Einmal haben sich Bürger beschwert, weil ich nicht alle Krümel von der Straße aufgefegt hatte“, erklärte Christian. „Ich musste dann noch mal dorthin und die Straße kehren. Natürlich in meiner Freizeit!“

      Es gab auch Lichtblicke. Von Bürgern, die, so vermutete Frank-Peter, auch Dinge entsorgt bekamen, die nicht bereits durch den grünen Punkt bezahlt worden waren (Plaste aus DDR-Zeiten), bekam Christian einen Beutel mit zwei Päckchen Kaffee, die er redlich mit Frank-Peter teilte. Die ortsansässige Großküche, die mehr als vereinbart entsorgt wurde, wartete ihrerseits mit zwei Freikarten für Mittagessen auf. „Das darf man in der Firma nicht erzählen“, bemerkte Christian, „wir haben unterschrieben, dass wir alles, was wir von den Kunden als Zuwendung bekommen, in der Firma abgeben müssen. Das kostenlose Mittagessen würden wir als Geldwertevorteil angerechnet bekommen“. Weiter erzählte Christian mit leicht verbittertem Unterton: „Früher gehörten wir zu den stadteigenen Firmen von Otrecht und hatten ein Einkommen nach öffentlichem Tarif. Dann wurde die Firma privatisiert, man macht die gleiche Arbeit und bekommt etwa den halben Lohn dafür. In seiner Familie ist jetzt die Frau Hauptverdiener. Sie arbeitet in der Gemeinde wo er wohnt als

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