Schwarzer Kokon. Matthias Kluger

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Schwarzer Kokon - Matthias Kluger

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Augen begannen grün zu glühen und sie durchschritt wie ein Wesen aus einem anderen Universum die Gitterstäbe ihres Gefängnisses, so als wären diese nicht existent. Wie in Trance bewegte sie sich an verängstigt zurückweichenden Wachen vorbei, die es nicht wagten, diesem vom Schlamm bedeckten Wesen mit seinen glühenden grünen Augen entgegenzutreten.

      Baine stand indes noch immer auf der Veranda und wartete auf Nachricht der erhofften Erschießung von Zola und deren Mutter. Ein unnatürlich hallender Schrei durchdrang das Regenmeer, während der Name Zolas gleich einem Donner vom Himmel vibrierte, begleitet von unzähligen Blitzen, die sekundenlang den Nachthimmel erhellten und ein gespenstisches Spiel aus Licht und Schatten erzeugten.

      Über seinen Rücken lief ein eiskalter Schauer, derweil Zolas Name sich in seine Brust brannte. Etwas Unnatürliches war im Gange und eine Welle der Furcht durchflutete seinen Körper. Schaudernd griff Baine mit eiskalt gewordenen Fingern nach seiner Steinschlossbüchse, die neben ihm an einem Pfosten lehnte. Der sintflutartige Regen verhinderte wie ein Vorhang zu erkennen, was unterhalb der Veranda vor sich ging. Angsterfüllt, die Waffe im Anschlag, blickte er in die Nacht und verspürte in seinem tiefsten Inneren, dass aus dem Jäger der Gejagte wurde.

      Sam und Tumelo waren gerade an den Stallungen angekommen, als sie der Schrei durch die Nacht überraschte. Sie sahen einander kurz an, dann rannten sie weiter zum Herrenhaus.

      Veronika stand am Fenster ihres Schlafzimmers. Jos lag schlafend in seiner Wiege. Die leblosen Fensterscheiben vibrierten, als Zolas Name wie Donner gegen sie hallten. Veronika konnte nichts erkennen, ahnte jedoch, dass unterhalb auf der Veranda Clexton stand.

      Wieder zuckten grelle Blitze am Himmel, verwandelten die stürmische Landschaft in ein riesiges, bewegtes Schattentheater. Baine konnte durch den Sturm hindurch weder hören noch genau sehen, was außerhalb der Veranda vor sich ging. Er spürte die drohende Gefahr, die im Anzug war, als er glaubte, etwas zu erkennen. Aus dem aufgeweichten Boden erhob sich eine dunkle Erscheinung. Baine erblickte vage Umrisse einer gebeugten Gestalt, langsamen Schrittes auf die Veranda zukommend.

      Als ob himmlische Mächte ihren Zorn bekundeten, erhellte sich der Himmel unheilvoll durch die Entladung von Billionen von Watt. Wie riesige Blutadern durchzog eine Welle von Blitzen sekundenlang den nächtlichen Himmel, gefolgt von krachenden Donnerschlägen. Was folgte, war eisige Dunkelheit. Einzig das Prasseln des Regens war zu hören. Clexton verharrte, ahnend, dass direkt vor ihm jemand – etwas stand. Äußerlich zu Stein erstarrt, ließ sein Herzschlag die Adern pulsieren, roter Lebenssaft pochte über den Hals hinauf in seine Ohren.

      Die Stimme, die jetzt zu ihm sprach, ließ augenblicklich sein Blut gefrieren. Es war nicht die Stimme eines Menschen, vielmehr die einer Gottheit, die ihre Gebote ins Land zu senden schien. Dunkel, hallend, mächtig.

      »Vervloek jy en jou nageslag!« –›Verflucht bist du und deine Nachkommen!‹

      »Jou kuit geslagte ons lyding weet!« –›Generationen deiner Brut sollen unser Leid erfahren!‹

      Die Worte drangen bis in Baines Gedärme vor und außerstande, sich zu bewegen, konnte er nichts erkennen, lediglich Worte, die in einer unnatürlichen Tonart das Dunkel durchzogen.

      Tumelo ergriff aus der Angst heraus Sams Oberarm. Beide standen seitlich der Veranda, während Tumelo, unfähig, das Geschehene zu begreifen, der Einzige war, der in diesem Augenblick zumindest den Sinn der Worte verstand.

      Plötzlich hallte es wieder aus dem Nichts: »Damn dit al, damn dit al!« –›Verflucht ihr alle, verflucht ihr alle!‹

      Immer stärker werdendes goldenes Licht umrahmte wie eine Aura die Gestalt von Aba, die hocherhobenen Hauptes direkt vor der Veranda stand. Gleißend grüne Augen starrten bannend direkt auf Baine. Wieder schrie Aba ihren Fluch. Drohend, von Schwingungen des Lichtes begleitet, erhob sie ihre ausgestreckte Hand, deutete auf den Verfluchten.

      Wie aus einem Traum erwacht, riss Baine angsterfüllt seine Flinte in die Luft. Aba, schreiend, beide Arme gen Himmel gereckt, war nun ein perfektes Ziel. Der Schuss traf sie direkt in die Brust. Der Aufprall der Kugel riss Aba augenblicklich rückwärts zu Boden. Tumelos Aufschrei ging indes im krachenden Gewehrlaut unter.

      Dann Stille.

      Alle Blicke waren gebannt zu jener Stelle gerichtet, an der ein lebloser, toter Körper lag. Noch immer währende Sekunden der Stille. Doch plötzlich, zum Entsetzen aller, streckte die Tote einen Arm mit weit auseinandergespreizten Fingern in die Höhe, danach ein zuckender, sich aufrappelnder Körper. Aba bäumte sich zu ihrer vollen Größe, ihr durchdringender grüner Blick auf Baine gerichtet, dessen Trommelfelle brannten.

      Erneut grollte die Botschaft aus Aba: »Damn dit al, damn dit al!«

      Baine stolperte fassungslos nach hinten. Bevor die Umstehenden vollends begriffen, was soeben geschehen war, begann Aba schwerelos über dem Boden zu schweben. Ihr ganzer Körper hing wie eine Marionette, deren Fäden man losgelassen hatte. Hell schimmerndes Licht strahlte aus ihrer Brust, an jener Stelle, wo die Kugel sie durchbohrt hatte. Klare, weiße Leuchtkraft überstrahlte den ganzen Platz wie Scheinwerfer das Amphitheater – die Zuschauer des übernatürlichen Schauspiels blendend. Noch flirrte ihr Körper lichterfüllt in der Luft, als es plötzlich aufhörte zu regnen.

      Totenstille zur Einleitung des letzten Aktes.

      Das leise Zwitschern der Sperlinge, eine komponierte Symphonie. Aus der hell erleuchteten Brust Abas heraus gebar es einen Sperling, der fröhlich singend, flatternd tanzte. Es folgten weitere und stimmten ihre Instrumente mit ein. Wie Engelsgesang zwitscherten Hunderte Sperlinge ihr Lied, flirrende Flügelschläge umhüllten Abas Körper wie eine sanfte Frühlingsbrise. Nach und nach trugen sie das Licht in den Kosmos, bis auch der letzte Sperling seinen goldenen Lichtschimmer hinauf, durch dunkle Wolken hindurch, mit sich nahm. Dann folgten Dunkelheit und völlige Stille, wie kurz vor dem tosenden Applaus des Publikums, deren Herzen die Emotionen des gerade Aufgeführten noch genießen.

      Veronika liefen kalte Tränen über die Wangen.

      Es verging eine gefühlte Ewigkeit, bis Sam zwar benommen, doch langsamen Schrittes sich zu der Stelle vorwagte, an der Aba soeben noch gelegen hatte. Er suchte nach ihr, doch der Platz war leer. So, wie sie aus der Nacht gekommen – aus dem Nichts –, so verschwand sie in einem gleißenden Lichtermeer.

       First Street, NE, einen Block östlich des Capitols, 2001

      Frank Brown saß im Büro von Richter Rudolph, welches sich im ersten Stock des Supreme Courts, dem Obersten Gericht der Vereinigten Staaten, befand. Bereits vor einer Stunde hatte er das fünfstöckige, über 28 Meter hohe Gebäude aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts, das aus reinem Marmor bestand, betreten. Seine braune, lederne Aktentasche durchleuchtet, durchschritt er die Sicherheitszone, gefilzt von Metalldetektoren. Nun wartete er schon über dreißig Minuten, was bei Richter Rudolph keine Seltenheit darstellte. Er grübelte, ob der Richter ihn aus Absicht warten ließ, um deutlich zu machen, welch wichtiges Amt er bekleidete.

      Endlich ging die Türe auf und würdevoll, doch mit sportlichem Elan begrüßte Richter Rudolph beim Eintreten seinen Gast: »Hallo, Senator Brown. Entschuldigen Sie, dass ich Sie warten ließ.«

      Nachdem sie sich freundlich die Hände geschüttelt hatten, nahmen beide in einer Sitzecke auf abgewetzten Ledersesseln Platz. Es folgte eine gegenseitige kurze Musterung in der Art, als ob sie gleich sagen wollten: ›Hey, alter Knabe, fit schaust du

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