Schwarzer Kokon. Matthias Kluger
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»Geht es um Jeff Sanders?«
»Genau, Jeff Sanders.«
»Den schwarzen Jeff Sanders, der sich einer Polizeifestnahme entzog und einen Officer der USCP mit gezieltem Stich in den Hals förmlich hingerichtet hat?«
Brown missfiel dieses Frage- und Antwortspiel. »Richter Rudolph, wir stehen als Senat vor der gleichen Frage wie Sie. Können wir die Verhängung der Todesstrafe verantworten?«
Samuel Rudolph schlug seine Beine übereinander und lehnte sich entspannt im Sessel zurück. »Was soll ich Ihrer Meinung nach tun, Senator? Ist es aus Ihrer Sicht nicht mehr eine Frage Ihrer Wählerstimmen? Wenn ja, dann würde ich mich an Ihrer Stelle für die Todesstrafe aussprechen. Kommen Sie allerdings aus tief ethischen Beweggründen, so sollten Sie sich die Frage stellen, ob Sie nicht bei den Demokraten besser aufgestellt wären.«
Rudolphs angriffslustiges Verhalten verwirrte, beleidigte Brown und er stellte sich insgeheim die Frage, was der Richter hiermit bezwecken wollte. »Weder noch«, entgegnete er. »Für mich sind es in diesem Fall rein sachliche Gründe, die mich erwogen haben, das Gespräch mit Ihnen zu suchen.« Was nicht der Wahrheit entsprach.
»Ihnen sind die Beweisvideos bekannt?« Browns Stirn schlug Falten.
»Sicher doch, und in der Tat stellen diese ein gewisses Problem dar, wenn nicht moralisch, so könnten sie doch einen anderen Eindruck als den tatsächlichen Tathergang vermitteln. Senator Brown, entschuldigen Sie, wenn ich eben etwas barsch war. Doch hier geht es nicht um die Frage, ein zutiefst verwurzeltes Recht des guten amerikanischen Bürgers auszuhebeln. Das Recht der Sicherheit auf unseren Straßen, das Recht, das jedes einzelne Kind, jede Frau und jeder Mann in diesem Staat vor Ungemach schützen soll. Wissen Sie eigentlich, wie lange dieses Recht auf Todesstrafe schon besteht? Seit 1608, in den britischen Kolonien Nordamerikas. Ein naturgewolltes Gesetz, ohne dieses wir nicht das wären, was wir heute sind. Ein freier Staat mit zu schützenden Bürgern.«
Brown kam die Rede einstudiert vor und er fragte sich, wie oft der Richter diese schon vorgetragen hatte.
»Aber auf Ihre Frage zurückkommend. Ja, ich kenne diese Videos und sie machen die Entscheidung sehr kompliziert. Hier geht es nicht allein um die Todesstrafe. Hier geht es um Farbig und Weiß. Wir haben bereits genug Probleme mit angeblichen Übergriffen auf die schwarze Minderheit. Haben Sie schon mal versucht, sich wirklich intensiv in die Rolle eines US-Cops zu versetzen? Jede Fahrzeugkontrolle, jeder Zugriff auf einen Schwarzen könnte der letzte sein.«
»Genau wie jeder Zugriff auf einen Weißen«, erwiderte Brown.
»Aber das steht doch in unserem Fall gar nicht zur Debatte! Hier geht es um einen Farbigen, der einen US-Marshal niedergestochen hat. Wenn ich richtig informiert bin, mit kleinen Kindern und Frau, die er hinterlässt. Sie wollen meine Meinung wissen, wenn Sie hier zur Türe hinausgehen? Ich sage sie Ihnen: Wir müssen uns an das Gesetz halten. Das Gesetz schreibt eindeutig die Todesstrafe vor, wenn die Beweislast als erdrückend anerkannt wird. Zumindest in unserem Bundesstaat, und daran muss und werde ich mich als Vertreter der Gesetzgebung halten müssen. Meine persönliche Auffassung ist hier hinten angestellt. Doch sehen Sie, ich kann die Beweise des Berufungsantrags nicht unter den Teppich kehren. Die Videos belegen eindeutig, dass hier aus Notwehr gehandelt wurde.«
Rudolph hatte es geschafft und Brown verblüfft. Die ganze Zeit vermittelte der Richter den Eindruck, er würde dem Antrag, Jeff Sanders hinzurichten, stattgeben. Stattdessen hing nun die Aussage klar im Raum, dass dieser, entgegen seiner persönlichen Überzeugung, die Videos als Beweis zur Berufung zulassen würde.
Stephens Frauen
Stephen fuhr direkt von der Uni nach Hause und parkte seinen knallroten Ford Mustang Cabrio, Baujahr 1968, in der Tiefgarage. Noch wusste er nichts von der Schlägerei seines Bruders, auch nicht, dass dieser hinter Gittern der United States Capitol Police einsaß. »Mom«, rief er, als er durch die Aufzugstür, die direkt in die Wohnung führte, eintrat. In der Küche erblickte er den wunderschönen Kuchen mit vielen Kerzen darauf. Er zählte nach – es waren siebzehn. Nochmals rief er seine Mutter, als er zu seinem Zimmer lief.
»Hier, Stephen, ich bin im Schlafzimmer.«
»Hey, Mom, ein toller Kuchen. Ich zieh mich nur schnell um und fahr dann gleich zu Susan. Kann heute spät werden.«
»Warte kurz«, bat seine Mutter und legte einen Stapel Kleider, den sie für die Obdachlosensammlung herrichtete, aufs Bett. »Lass uns ins Wohnzimmer gehen, ich muss mit dir reden.«
Beide saßen auf der weißen Couch und Olivia berichtete Stephen in Kurzform, was sein Bruder am Vormittag angestellt hatte.
»Au Mann«, war die erste Reaktion von Stephen. »Marc reißt Dad ganz schön in die Scheiße. Weißt du schon was von Michael? Hat er sich gemeldet?«
»Nein, noch habe ich nichts gehört und Dad ist im Club mit Senator Brown. Nun fahr du zu Susan und erzähl um Gottes willen niemandem davon.«
»Geht klar, aber stell dich nicht wieder wie eine Löwenmutter vor ihr Junges. Marc muss endlich lernen, was aus seinem Leben zu machen. Wenn du ihn ständig in Schutz nimmst, hilfst du ihm nicht und Dad rastet noch mehr aus.«
Belehrende Worte, dachte Olivia.
Stephen ging in sein Zimmer, welches direkt neben dem von Marc lag. Fein säuberlich hängte er die ausgezogene Hose über einen Bügel in den Schrank, sein weißes Hemd landete auf dem Boden. Ein kurzer, prüfender Blick in den Spiegel seines Kleiderschrankes bestätigte seine Erwartung und ihm gefiel, was er sah.
Stephen, ein paar Zentimeter kleiner als sein blonder Bruder Marc, hatte etwas dünneres, dunkles Haar, welches er zu einem akkuraten Seitenscheitel frisierte. Sein Gesicht zeigte männlich markante Züge, vor allem durch das ausgeprägte, breite Kinn, welches, durch starken Bartwuchs, etwas dunkel schien. Nicht so muskulös wie Marc, war seine Figur schlank, drahtig durchtrainiert. Man sah es Stephen an, dass er den Sportarten der Leichtathletik mehr zugeneigt war, als den Mannschafts- und Kraftsportarten seines Bruders.
Stephen schlüpfte in seine Designerjeans, streifte ein Poloshirt über, dann zog er seine beigefarbenen, ledernen Mokassins an.
»Was schenkst du Susan eigentlich?« Olivia lehnte am Türrahmen.
Aus seiner Hosentasche kramte er ein unverpacktes Schmucketui. Darin lag ein kleines, dünnes Goldkettchen mit einem Anhänger. Dieser hatte die Form des Dollarzeichens.
»Wäre ein Herzchen nicht persönlicher gewesen?«, fragte Olivia und runzelte die Stirn.
»Mom, du kennst mich doch, ein Dollarzeichen passt eben besser zu mir als ein Herzchen.« Stephen grinste.
»Aber sie trägt doch das Kettchen!«
Stephen lächelte, drängelte sich an ihr vorbei und warf ihr hauchend einen Handkuss zu, als er in der Küche den Kuchen holte und durch die Aufzugstür verschwand.
Sein Mustang steuerte direkt zu Susan, die wenige Meilen entfernt bei ihren Eltern wohnte. Da vor dem Haus viele Autos schon angekommener Gäste standen, parkte er in einiger Entfernung. Laute Musik dröhnte ihm entgegen, als er direkt um das Anwesen herum nach hinten in den Garten ging. Etwa vierzig Jugendliche, einige, zum Teil in Badehose und Bikini, feierten bereits