Schwarze Krähen - Boten des Todes. Carolina Dorn

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Schwarze Krähen - Boten des Todes - Carolina Dorn

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möchten …“

      „Nein, nein, das geht schon in Ordnung. Wenn ich so dringend gebraucht werde, gehe ich natürlich sofort zu dem Patienten. Bis morgen früh bin ich auf jeden Fall wieder fit“, fiel ihr die Nonne in die Rede.

      „Dann ist ja alles geregelt“, freute sich die Oberin. „Gordon, du kannst hier bei uns übernachten. Morgen früh darfst du Schwester Christin dann mitnehmen.“

      Abschließend drückte sie der kleinen Nonne das Dossier in die Hände.

      Diese schlug die erste Seite auf und sah dort ein Bild von ihrem neuen Patienten Brandon Stonewall. Sie erblickte einen großen, schlanken, jungen Mann, gutaussehend, dunkelhaarig, mit strahlend blauen Augen und kleinen Lachfältchen im Gesicht. Sie fühlte sich so angerührt von diesem Foto, dass sie sich setzen musste. Unentwegt starrte sie auf das Bild, als die Mutter Oberin sie fragte: „Ist irgendetwas nicht in Ordnung, Christin? Sie sehen ja auf einmal so blass aus.“

      „Nein, Mutter, es ist nichts“, antwortete sie lächelnd, schlug die Mappe zu und erhob sich.

      „Ich lese es in meinem Zimmer zu Ende“, teilte sie ihr mit und verabschiedete sich.

      „Ich wusste gar nicht, dass du so junge Schwestern hier als Nonnen hast“, wunderte sich Gordon.

      „Sie war ein Findelkind. Sie lag einst zu Weihnachten, in der Heiligen Nacht, in der Krippe unserer Kapelle. Ein Neugeborenes, nur in ein Badetuch gehüllt. Unsere Kapelle wurde zu dieser Zeit noch nicht beheizt, deshalb war es sehr kalt dort und das Kind erkrankte anschließend sehr schwer, so dass keiner mehr glaubte, dass es überleben würde. Aber, wie durch ein Wunder, wurde sie gesund. Sie ist hier im Waisenhaus aufgewachsen und hat sich dann mit fünfzehn Jahren entschieden Nonne zu werden. Christin hat fleißig gelernt und ist eine meiner besten Pflegekräfte, was die Krebspflege betrifft. Deshalb erlaube ich ihr auch über Nacht und, wenn es sein muss, über mehrere Monate bei schwerkranken Patienten zu bleiben. Ich kann ihr fest vertrauen, wenn sie eine Tätigkeit über lange Zeit außerhalb der Klostermauern beansprucht, denn sie ist vor allem äußerst stark im Glauben“, erklärte die Oberin.

      Die Tante und der Neffe hatten sich lange nicht gesehen und so blieben sie noch eine Zeitlang zusammen, um Erlebnisse auszutauschen. Dadurch erfuhr die Tante, dass Gordon im Moment keine Anstellung hatte. Er hatte seine Stelle als Kinderarzt in einer Vancouver Kinderklinik gekündigt, um seinem Freund beizustehen. Sie rechnete ihm das hoch an. Da kam ihr eine Idee.

      „Du hast keine Arbeit, sagtest du?“, forschte sie nach.

      „Ja, die Entfernung von meinem Arbeitsplatz in Vancouver bis zu Brandon betrug viele Meilen, die ich nicht ständig fahren konnte“, antwortete Gordon.

      „Nun, ich könnte gerade einen Kinderarzt brauchen. Unser langjähriger Kinderarzt ist krank und schon siebzig Jahre alt. Er sollte in den Ruhestand gehen und nicht mehr arbeiten. Wenn du möchtest, kannst du dir die Kinderklinik gleich einmal ansehen“, machte sie es ihm schmackhaft.

      „Wenn das möglich wäre“, überlegte er. „Dann würde ich auch nicht allzu weit entfernt von meinem Freund sein.“

      Die Oberin rief eine Schwester auf der Kinderstation an. „Gleich wird dir Schwester Melissa, die Stationsschwester, die Klinik zeigen“, lächelte sie ihrem Gast zu.

      Kurze Zeit später öffnete sich die Türe und die Schwester im völlig schwarzen Habit trat ein.

      Gordon erhob sich, um sie zu begrüßen. Da traf es ihn wie ein Stromschlag, als er sie erblickte. Groß gewachsen, schlank, jung, ein unwahrscheinlich liebliches Gesicht und eine Hautfarbe wie heller Milchkaffee, denn sie war ein Mischling zwischen schwarz und weiß. Gordons Verbeugung fiel etwas ungelenk aus, während die Oberin Melissa den Wunsch ihres Gastes mitteilte.

      „Oh ja, natürlich führe ich Sie gern durch die Kinderklinik“, bestätigte sie mit einer angenehm leisen Stimme und einem Lächeln.

      „Kommen Sie mit mir“, forderte sie Gordon auf.

      Ja, dachte er. Mit dir würde ich überall hingehen. Ich muss diese Stelle hier bekommen. Damit ich immer in deiner Nähe sein kann.

      Mit einem frohen Lächeln auf den Lippen führte sie ihn herum. Man sah und fühlte, dass sie ihre Arbeit sehr gern, mit Herz und viel Liebe bei den kleinen Patienten verrichtete. Gordon bemerkte auch, dass die kranken Kinder sie sehr gern hatten. Melissa stellte Gordon auch den alten Kinderarzt Dr. Henry Clark vor. Dieser reagierte allerdings etwas griesgrämig.

      „So, Kinderarzt sind Sie? Wollen mir wohl meinen Platz hier streitig machen, weil ich nicht mehr der Jüngste bin? Deshalb gehöre ich noch lange nicht zum alten Eisen. Ich habe dafür nämlich viel mehr Erfahrung als ihr jungen Hüpfer“, gab er ihm gleich zu verstehen, dass er nicht vorhatte so schnell das Feld zu räumen.

      Er schob seine Brille auf seine Stirnglatze und besah sich Gordon ganz genau. Ein Kranz weißer Haare umrundete seinen Hinterkopf und die Seiten. Den weißen Arztmantel trug er offen, denn sein dicker Bauch sprengte alle Knöpfe.

      „Streitig machen möchte ich Ihren Platz auf keinen Fall. Aber ich hätte da einen anderen Vorschlag: Wir könnten uns die Arbeit teilen. Dann wird keiner überbelastet und zusätzlich kann einer vom anderen noch lernen. Ich bringe Ihnen die Neuerungen und Sie mir Ihre Erfahrungen. So könnten wir uns toll ergänzen“, bot Gordon an.

      „Von den neuen Errungenschaften in der Kinderheilkunde halte ich nicht viel.“ Der alte Arzt machte eine wegwerfende Handbewegung. „Die alten haben sich immer noch am besten bewährt.“

      Während der Unterhaltung beobachtete Gordon, wie dem alten Arzt die Hände zitterten. Nachdem sie sich verabschiedet und sich ein Stück von ihm entfernt hatten, blieb er stehen und wandte sich an die Ordensschwester.

      „Trifft er eigentlich noch eine Vene, mit seinen zittrigen Händen?“, erkundigte er sich leise.

      „Selten, meistens legen wir die Infusionen und geben die intravenösen Spritzen. Es wäre sehr schön, wenn Sie bei uns arbeiten würden. Dann müssten wir nicht täglich sein griesgrämiges Gesicht sehen und seine Launen ertragen. Ich glaube nicht, dass er noch lange bleibt“, antwortete Melissa.

      „Dr. Clark hat Parkinson?“, hinterfragte Gordon vorsichtig.

      „Ja, Sie haben es richtig erkannt, aber er will es nicht wahrhaben.“ Dabei sah sie ihn mit strahlenden, dunklen Augen an. Ihm lief es eiskalt den Rücken hinunter. Warum muss dieses Geschöpf ausgerechnet eine Nonne sein, wenn ich mich schon einmal verliebe? dachte er. Denn dass er sich in sie verliebt hatte, wurde ihm sofort klar.

      Melissa brachte den Arzt zur Oberin zurück. Sie verabschiedete sich und verschwand ebenso leise, wie sie gekommen war. Bevor sie jedoch die Türe hinter sich schloss, drehte sie sich noch einmal um und lächelte ihm zu.

      „Und, Gordon? Hast du dich schon entschieden?“, riss die Tante ihren Neffen aus seinen Gedanken.

      Ihre Augen erspähten bereits das sanfte Lächeln auf seinen Lippen und ebenso den besonderen Glanz in seinen Augen.

      „Ja, ich werde dein Angebot annehmen. Wenn Schwester Christin Brandon betreut, braucht er mich nicht mehr so oft. Ich würde mich dann nur langweilen“, antwortete er. „Möchtest du meine Zeugnisse sehen?“, bot er ihr an.

      „Nein, das muss nicht sein. Ich glaube, du bist auch so ein guter Kinderarzt. Wenn

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