Schwarze Krähen - Boten des Todes. Carolina Dorn

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Schwarze Krähen - Boten des Todes - Carolina Dorn страница 6

Schwarze Krähen - Boten des Todes - Carolina Dorn

Скачать книгу

so schnell wie der Regen begann, hörte er auch wieder auf. Es fiel nur noch ein leichter Nieselregen wie ein hauchdünner Schleier. Gordon und Christin wagten sich vorsichtig aus dem schiefstehenden Wagen heraus. Sicherheitshalber zog sie ihre Schuhe aus und lief barfuß weiter. Durch den dichten, aufsteigenden Dunst erblickte sie ein großes, weiß gestrichenes Haus, noch im Stil der Kolonialzeit, das allein auf weiter Flur stand. Es gab keine anderen Bauten in der näheren Umgebung. Vor wenigen Jahren war es renoviert worden, jedoch mehr die Innenräume als die Fassade. Dort sah sie nur neue Fenster und eine glasverzierte Haustüre eingesetzt. Über dem Eingang gab es einen ausladenden, runden Überbau, der bis über die Straße zur anderen Seite reichte und von vier weißen Säulen gestützt wurde. So konnten die Gäste vom Auto aus trockenen Fußes ins Haus gehen. Sie wusste nicht, dass dieses alte Haus vor drei Jahrzehnten nach hinten hinaus einen großen Anbau mit Wintergarten bekommen hatte, denn man konnte es von vorn nicht sehen.

      Gordon hängte Christin sein Jackett über die schmalen Schultern. Er holte die zwei Koffer aus dem Gepäckraum des gestrandeten Autos und bewegte sich mit ihr auf das Haus zu.

      „Sie befinden sich hier in „Twenty-Two-Oaks“, erklärte er ihr. „Dieses Anwesen trägt seinen Namen seit seiner Gründung vor mehreren Generationen der Stonewalls. Der erste Bewohner, der dieses Haus baute, ließ zweiundzwanzig Eichen pflanzen, nach denen er das Herrenhaus benannte.“

      Christin sah sich um und gewahrte rechts und links der breiten Auffahrt eine Menge großer, alter Eichenbäume. Auf jeder Seite zählte sie elf Stück. Ein leichtes Rascheln war zu hören. Die vielen, dichten Blätter der alten Bäume entledigten sich der Wassertropfen und gaben sie nach unten auf den Boden ab. Sie wandte sich wieder dem Haus zu. In verschiedenen Räumen brannte Licht, welches hinaus auf den weißen Kiesweg leuchtete. Es gab nur ein oberes Stockwerk, dafür zog sich der Bau rechts und links des Eingangs sehr weit hin. Den vielen Fenstern nach zu urteilen, gab es sicher eine große Anzahl von Räumen, stellte sie fest. Hier musste eine Menge an Personal leben und arbeiten, glaubte sie. Plötzlich wurde die Haustüre ziemlich grob aufgerissen und eine ältere Pflegekraft stürzte mit angeekeltem Gesichtsausdruck aus dem Haus. Die Haare, die Schürze, bis hinunter zu den Schuhen voll Nudeln und Tomatensoße bekleckert.

      „Nein, also wirklich, das muss ich mir auch von einem so stinkreichen Kerl wie ihm nicht gefallen lassen! Ich kündige auf der Stelle! Sofort! Suchen sie sich eine andere Dumme!“ Damit verließ Pflegekraft Nummer acht den Patienten. Sie stieg in ihren roten Cadillac, der seitlich der Auffahrt geparkt stand und fuhr davon.

      „Sehen Sie? Ein sehr schwieriger Patient, den Sie sich da ausgesucht haben, meine ich“, warnte Gordon die kleine Nonne mit einem verschmitzten Lächeln vor.

      „Mit Gottes Hilfe gelingt einem alles“, erwiderte Christin fest davon überzeugt und ging auf das Haus zu. Der Nebel nahm an Stärke zu, so dass das ehemals herrschaftliche Gebäude fast wie unwirklich in einem Traum erschien.

      „Sie hat Mut, die kleine Ordensfrau“, murmelte Gordon vor sich hin.

      In der offenen Türe stand der Hausmeister. Ein großgewachsener, schlanker Mann, um die fünfundsechzig Jahre alt. Sein Haar wies nur einen leichten Grauschimmer auf, während das seiner kleinen, leicht rundlichen Frau bereits gänzlich schneeweiß leuchtete. Sie war etwas jünger als ihr Mann. Doreen, eine äußerst ängstliche Natur, die immer gleich das Schlimmste befürchtete, hielt sich die Schürze vor das Gesicht, um die Tränen zu trockenen.

      Gordon stellte die neue Pflegekraft vor: „Doreen, Richard, das ist Schwester Christin aus dem Heilig Geist Kloster: Christin, das ist das Hausmeisterehepaar, das damals Brandons Erziehung übernahm. Richard und Doreen Miller.“

      Richard begutachtete die kleine Nonne äußerst genau. Dabei dachte er: Sie gleicht einer Elfe, doch nein. Er blickte ihr ins Gesicht. Sie wirkt so wunderschön, wie eine seltene Rose, die aus dem Nebel heraustritt und zu uns kommt.

      Doreen schluchzte immer noch vor sich hin. Spontan ging Christin auf sie zu, nahm sie in den Arm, sie hatten beinahe die gleiche Größe, und geleitete die Frau ins Haus hinein. Sie befanden sich nun in der großen Eingangshalle.

      „Machen Sie sich keine Sorgen. Es wird schon alles gut werden“, tröstete sie die ältere Frau.

      Seltsam, dachte diese. Das hat noch keine Pflegerin getan und mich tröstend in den Arm genommen.

      „Wo bleibt der Rest der Bewohner?“, wunderte sich die kleine Nonne.

      „Außer dem kranken Hausherrn gibt es hier niemanden weiter. Als er erkrankte, entließ er das gesamte Personal“, klärte sie Gordon auf. Christin nickte verstehend.

      Kaum setzten sie ein paar Schritte in das Haus, hörten sie vom oberen Stockwerk Schmerzensschreie und zwar so entsetzlich klagend, dass Doreen erneut in Tränen ausbrach.

      „Ich werde gleich mal nach ihm sehen“, beruhigte Christin das ältere Paar.

      Sie nahm Gordons Jacke ab, hängte sie über eine Stuhllehne und griff nach dem großen Koffer mit den Medikamenten. Je eine leicht geschwungene Treppe aus dunklem Eichenholz führte rechts und links von der Halle aus in das obere Stockwerk. Christin folgte dem Geschrei und wählte die linke Treppe. Oben fand sie eine Türe offen stehen. Sie trat in den fast völlig dunklen Raum, in dem nur eine ganz kleine Nachtlampe mit schwacher Birne brannte. Die Vorhänge und die Rollos hielten die Fenstern fest verschlossen. Langsam betrat sie den Raum. Nach mehreren Schritten auf hellem Parkettboden stand sie direkt vor dem Bett, das mitten im Zimmer platziert stand. Sie ging zurück zur Tür und schaltete die große Deckenbeleuchtung ein.

      Sofort begann Brandon erneut zu schreien. „Machen Sie sofort das Licht aus! Es blendet mich! Welcher Idiot hat es angeschaltet?“ Es sollte energisch klingen, doch die Kraft fehlte beinahe gänzlich in seiner Stimme, so dass es nur sehr leise und matt wirkte.

      Christin ignorierte seine Befehle und sah sich um. Sie gewahrte den vor Schmerzen gequälten Mann in einem vollkommen mit Essensresten verdreckten Bett. Sie stellte ihren Koffer ab und öffnete ihn.

      „Entschuldigung, Mr. Stonewall, ich will Ihnen helfen, aber ohne Licht sehe ich sonst nichts. Machen Sie doch bitte die Augen zu“, bat sie ihn freundlich.

      „Sie können mich gar nicht verfehlen, auch im dunklen nicht: Ich bin der, der so schmerzvoll schreit und lamentiert“, antwortete er.

      Während sie verschiedene Medikamente in einer Spritze aufzog, jammerte ihr Patient pausenlos weiter vor sich hin.

      „Was habe ich nur verbrochen, dass mich alle so schlecht behandeln? Ich habe doch niemandem etwas getan.“ Er begann haltlos zu weinen.

      Dann drehte er den Kopf zur Seite und erkannte die Umrisse von Christin in ihrer Nonnentracht und ihre nackten Füße. „Oh nein! Nein! Gordon, warum tust du mir das an? Du bist doch mein bester Freund. Nimm diese Nebelkrähe und bringe sie dahin zurück, wo sie herkommt. Ist es denn schon so weit mit mir, dass man mir Gottes rechte Hand schickt? Dann könnt ihr ja schon mal ein Loch im Garten graben, wo ihr mich dann hineinwerfen könnt.“ Sein Sarkasmus war unüberhörbar. Erneut krümmte er sich vor Schmerzen zusammen.

      „Ich will meine Morphiumspritze haben!“, bettelte er. „Ich kann nicht mehr. Ach, wenn ich doch nur endlich sterben könnte. Keine Schmerzen haben, mehr will ich doch nicht“, jammerte er weiter.

      Christin zog als erstes das Morphium in einer Spritze auf, jedoch nur dreiviertel der Ampulle, und mischte ihm noch ein pflanzliches Schmerzmedikament dazu. Jeden Tag etwas weniger vom Morphium, so bekommt er eventuell keine Entzugserscheinungen, überlegte

Скачать книгу