Schwarze Krähen - Boten des Todes. Carolina Dorn
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„Wo bleibt denn das Morphium?“ Brandon wurde ungeduldig und seine Stimme überschlug sich.
„Ich habe es Ihnen bereits gespritzt“, antwortete Christin.
„Seltsam, ich habe gar keinen Einstich gefühlt“, wunderte er sich.
Da sie nur diese eine gute Vene zur Verfügung hatte, legte sie ihm gleich einen intravenösen Zugang und hängte ihm eine Infusion mit verschiedenen pflanzlichen Medikamenten an den Infusionsständer.
„Warum martert ihr mich denn so? Lasst mich doch endlich in Ruhe sterben“, weinte er wieder.
„Habe ich Sie denn heute schon gemartert?“, entgegnete die Nonne.
Er dachte kurz nach und blinzelte in ihre Richtung. Seine Augen allerdings sahen sie nur durch einen undeutlichen Tränenschleier.
„Nein, eigentlich nicht, aber es wird noch kommen, wie immer, fürchte ich“, antwortete er. „Da bin ich mir ganz sicher.“
„Warten Sie’s doch einfach ab“, meinte Christin mit leiser Stimme.
„Gordon!“, rief er dann wieder. „Gordon, ich will keine Nebelkrähe. Du kannst sie gleich wieder mitnehmen. Solche alten Pinguine gehen mir auf die Nerven. Tu mir das nicht an oder ich werde sie genauso hinausekeln, wie die anderen Pflegekräfte auch.“
Doch der Freund lachte nur, als er an seinem Zimmer vorbeiging, und gab ihm keine Antwort.
Langsam wurde Brandon sichtbar ruhiger. Er entkrampfte sich und schloss seine Augen. Sein letzter Gedanke drehte sich um die nackten Füße der Pflegerin, die äußerst klein waren, jedoch wohlgeformt, die sich so gut wie lautlos über seinen Parkett-Fußboden bewegten.
Sie betrachtete ihn, wie er so dalag. Vollkommen abgemagert bis auf die Knochen. Die Haut fast durchsichtig weiß und mit tiefen, dunklen Rändern unter den Augen. Von der angeborenen Bräune keine Spur mehr. Die Wangen eingefallen und die Lippen blutig aufgesprungen. Seine dunkelblaue Schirmmütze saß verrutscht auf seinem Kopf, so dass man einen leichten dunkelbraunen Flaum sehen konnte. Anscheinend bekam er schon längere Zeit keine Chemotherapie mehr, denn sonst würden die Haare nicht so lustig sprießen. Man hat ihn also aufgegeben, ging es ihr durch den Kopf. Ebenso wuchs ein dichter, langer, dunkler Vollbart. Er stand im krassen Gegensatz zu der sehr hellen Haut. Keine der vorherigen Pflegerinnen hatte es für nötig gefunden, ihn zu rasieren. Natürlich, wozu dieser Aufwand auch? Er starb ja sowieso. Christin konnte keine Lachfältchen mehr entdecken. Brandon schlief jetzt tief und zwar einmal ganz ohne Schmerzen.
Sie band sich eine weiße Schürze um und machte sich an die Arbeit. Sie füllte eine Schüssel mit warmem Wasser, stellte sie auf das Nachtschränkchen und bewaffnete sich mit mehreren Handtüchern und Waschlappen, die sie aus dem Schrank an der Wand nahm. Als erstes bezog sie das Bett frisch, denn auf dem Bezug lagen die Nudeln und die Tomatensoße. Dabei entdeckte sie, dass die Füße ihres Patienten bereits eine leichte Spitzfußstellung bekamen. So wie es aussah, achtete keine der Pflegekräfte darauf. Wie wollte er sonst jemals wieder laufen können? Oder dachten sie, der überlebt das sowieso nicht? Sie zog seinen Körper so weit nach unten, dass die Fußsohlen das Brett am Ende des Bettes berührten. Links oben am Oberkörper stellte sie eine Narbe fest. Hier hatte man ihm wohl einen Port (Gefäßzugang) gelegt, um die Chemo-Infusionen und die vielen Medikamente in eine herznahe Vene zu spritzen. So brauchten die Ärzte oder Schwestern nicht immer neue Venensysteme zu legen. Sie hatten ihn entfernt, da sie ihn aufgegeben hatten. Dann wurde sie beinahe geschockt: Oh, du meine Güte. Diese dünnen Beine, schoss es ihr durch den Kopf. Du dumme Kuh, wurde sie gerügt von ihrem inneren ich. Du tust gerade so als hättest du das noch niemals gesehen. Dass Abmagern gehört schließlich zum Krebs. Als sie ihn vorsichtig etwas zur Seite drehte, entdeckte sie einen riesigen Dekubitus (Druckgeschwür durch langes Liegen auf gleicher Stelle) auf beiden Po-Seiten, der sich schon tief in das Gewebe fraß. Außerdem lag er in seinen Exkrementen, dass dem Dekubitus auch nicht sehr förderlich war. Es musste schon längere Zeit geschehen sein, doch die letzte Pflegekraft hielt es scheinbar nicht für nötig ihn zu säubern. Vor allem gehörte sich hier ein drehbares Bett hin, sonst würde dieser Dekubitus niemals abheilen. Um so ein Spezialbett muss ich mich danach sofort kümmern, merkte sie in Gedanken an.
Christin tat ihre Arbeit ohne mit der Wimper zu zucken. Sie entfernte die Exkremente, säuberte ihn mit warmen Wasser, entfernte die abgestorbenen Hautfetzen mit einer Pinzette und sprühte ein Eisgel auf die aufgelegenen Stellen. Dann brachte sie eine pflanzliche Salbe, von der Konsistenz ähnlich wie Gelee, mittels eines Spatels auf den Dekubitus auf und deckte alles mit einer großen Silberkompresse ab. Sie legte eine wasserundurchlässige Vorlage darunter und ein weiches Kissen, rollte ihren Patienten ein klein wenig zur anderen Seite, zog das alte Laken heraus und das neue gleich nach. Anschließend bettete sie ihn ebenso vorsichtig auf den Rücken wie zuvor. Sie zog ihm den bekleckerten Schlafanzug aus, wusch ihn von Kopf bis Fuß und cremte seine trockene Haut, Gesicht und Lippen ein. Außerdem legte sie ein weiches Fersenpolster an seine Füße an, denn die Haut dort bekam auch hier bereits bedrohlich, rote Stellen vom Aufliegen.
Christin bemerkte während ihrer Arbeit nicht, dass Gordon in der Tür stand und sie beobachtete.
Ja, dachte er. Das ist wirklich die richtige Pflegekraft für ihn. Ich kann ihn beruhigt allein mit ihr lassen.
Nachdem sie ihn frisch angekleidet und mit einer Windel versehen hatte, stellte sie sich hinter sein Bett. Sie umfasste seinen Kopf mit ihren Händen und sprach im Stillen ein Gebet. Das Gleiche tat sie auf seiner Brust, dem Bauch und den Beinen. Dies war eine Art Reiki, nur dass sie es zusätzlich durch ein Gebet verstärkte. Als sie ihre Arbeit beendet hatte, lag ihr Patient vollkommen entspannt, schmerzfrei und sauber in seinem Bett. Auch der verkrampfte Zug um seinen Mund schien verschwunden zu sein. Es sah beinahe so aus, als ob er sogar etwas lächeln würde. Abschließend drückte sie ihm noch die Glocke in die Hand, damit er sie rufen konnte, wenn er sie brauchte.
Leise trat Doreen ins Zimmer. Sie konnte kaum glauben, dass Brandon so ruhig schlief. Staunen lag über ihrem Gesicht.
„Möchten Sie etwas zu Abend essen, Schwester? Ich bereite Ihnen gern etwas zu“, informierte sie sich flüsternd, um den Schlafenden nicht zu wecken.
„Ich habe abends nicht viel Hunger. Ein Joghurt reicht vollkommen aus“, antwortete Christin.
„Ach, da wäre noch etwas“, die Haushälterin blieb draußen auf dem Flur stehen. „Welches Zimmer möchten Sie denn gern? Hier auf dem Gang gibt es mehrere Gästezimmer.“
Die Nonne zählte sechs Zimmer. „Wenn es möglich ist, möchte ich bitte das Zimmer gleich neben Mr. Stonewall. Ich glaube, ich habe da auch eine Verbindungstür zu seinem Zimmer gesehen, damit ich gleich bei ihm sein kann, wenn er mich braucht“, bat sie.
Seltsam, die anderen Pflegekräfte wählten immer das letzte Zimmer, so weit wie möglich vom Patienten weg“, wunderte sich Doreen. Sie scheint wirklich ganz anders zu sein.
Die Haushälterin öffnete die Verbindungstüre und ließ die Ordensschwester eintreten.
Christin brachte nur noch ein „Oh“, zustande, denn mit so etwas hatte sie nicht gerechnet. Ein Raum mit einer Einrichtung, wie sie eigentlich nur im Märchen vorkam. Sie würde heute Nacht in einem Himmelbett mit weißer und fliederfarbener Bettwäsche schlafen. An den vier Pfosten des Bettes hingen jeweils geraffte, beinahe durchsichtige