Die Jungbrunnen-Küche. P.A. Straubinger

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Die Jungbrunnen-Küche - P.A. Straubinger

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Verdacht, das Krebsrisiko zu erhöhen. Man darf sich fragen, ob es sich bei diesen hochtrabenden Plänen, das Altern mithilfe der Technologie abzuschaffen, nicht bloß um größenwahnsinnige Wunschträume spleeniger Milliardäre handelt, die sich ihrer Endlichkeit nicht bewusst werden wollen. Ist Alterung nicht etwas Unvermeidbares, das automatisch abläuft und Teil der physischen Existenz ist?

       „Disrupt Aging“ – Das Altern zerstören, lautet die provokante Devise der High-Tech-Konzerne im Silicon Valley.

       Dinge altern – Lebewesen entwickeln sich

      An dieser Stelle gilt es ein paar Begriffe zu definieren: „Altern“ ist ein recht unscharfer, schwammiger Begriff. Streng genommen ist Alterung etwas, dem nur unbelebte Dinge unterliegen. Die Möbel in einem Hotel „altern“: Das Material wird brüchig, rostig oder zersetzt sich. Organismen entwickeln und erneuern sich dagegen ständig; ihr Älterwerden ist mit Wachstum und positiver Reifung verbunden.

      Wir denken beim Begriff „altern“ meist nur an die negativen Erscheinungen des Älterwerdens, sprich an seine degenerativen Auswirkungen. Der wissenschaftlich korrekte Begriff dafür ist „Seneszenz“: Die Vergreisung der Zellen. Dabei ist auch die Pubertät Teil des Älterwerdens, hat aber nichts mit Seneszenz zu tun. Beide Prozesse sind biologisch programmiert und müssen nicht zwangsläufig in allen Organismen stattfinden. Altern ohne Seneszenz wäre das Ergebnis eines Bades im Jungbrunnen – und tatsächlich gibt es Organismen, für die der innere Jungbrunnen schon Realität ist.

       Der „echte“ Jungbrunnen – und wo wir ihn finden

      Ein großer Unterschied zwischen belebten Organismen und unbelebten Dingen ist die Tatsache, dass bei unbelebten Dingen in der physischen Substanz kein Austausch stattfindet, während sie bei belebten Organismen ununterbrochen erneuert wird. Beim Menschen bilden sich täglich 50 bis 70 Milliarden neue Zellen, während die abgestorbenen ausgeschieden werden. Rudolf Steiner, der Begründer der Waldorf-Schulen und der Anthroposophie, postulierte schon vor über 100 Jahren, dass der Mensch im Laufe von sieben bis acht Jahren seine gesamte physische Materie abstoße und erneuere. Dieser Sieben-Jahres-Zyklus galt lange als Mythos, wurde aber von der Zellbiologie mittlerweile mehr oder weniger bestätigt. Während wir z. B. alle paar Stunden neue weiße Blutkörperchen oder alle zwei bis fünf Wochen eine komplett neue Haut bekommen, kann es für eine neue Leber bis zu zwei Jahre dauern. Das ganze Skelett braucht zur Rundumerneuerung etwa zehn Jahre. Unterm Strich hat sich der Körper eines 80-Jährigen im Laufe seines Lebens mehrmals komplett erneuert. Das Zellmaterial eines Greises ist selbst kurz vor dem Tod noch „frisch wie ein Babypopo“. Warum dann die Falten, der Haarausfall, die Krankheiten und all der Rest an degenerativen Erscheinungen, die wir mit dem Altern verbinden?

       Wir bestehen aus Billionen von Körperzellen, die sich ständig erneuern. Warum gibt es trotzdem einen körperlichen Verfall?

      Auch wenn es noch viele offene Fragen gibt, wird immer offensichtlicher, dass der Prozess des Alterns vielleicht doch verlangsamt, gestoppt oder sogar umgekehrt werden könnte. Es scheint allerdings, dass die Natur genau das nicht beabsichtigt. Für das Individuum mag es tragisch sein, wenn der Körper verfällt und der Tod naht. Im Sinne der Arterhaltung ist es allerdings ein großer Vorteil, dass der einzelne Mensch nicht allzu lange lebt, sondern sich paart und dann seinen Nachkommen die Ressourcen überlässt. Durch die ständige Rekombination der Erbsubstanz kann sich die Art schneller und besser an die Umwelt anpassen. Für die Evolution sind ewig lebende, immer junge Individuen kein Vorteil – im Gegenteil: Zur genetischen Optimierung braucht es den ewigen Kreislauf von Geburt, Nachkommenschaft und Tod.

       Die „unsterbliche Qualle“ Turritopsis dohrnii bleibt ewig jung.

      Wie in so vielen anderen Bereichen könnte es aber auch hier sein, dass sich der Mensch irgendwann über die Natur hinwegsetzt oder ihre Prinzipien in seinem Sinne zu nutzen beginnt. Tiere wie die „unsterbliche Qualle“ Turritopsis dohrnii zeigen uns, dass der Jungbrunnen eine biologische Realität sein kann. Altersforscher wie David Sinclair von der Harvard Medical School sind der Ansicht, dass diese Prinzipien auch auf den Menschen umgelegt werden können. Für ihn ist die Frage nicht, ob, sondern nur wann sich Menschen wie die „unsterbliche Qualle“ immer wieder ein Bad im Jungbrunnen gönnen werden, um sich auf zellulärer Ebene komplett zu regenerieren. Vorerst ist das noch Zukunftsmusik. Das wachsende Verständnis über die Mechanismen des Alterns eröffnet uns dennoch Möglichkeiten, uns zu verjüngen – oder die Vergreisung der Zellen zumindest zu verlangsamen.

       INFOBOX

       Die „unsterbliche Qualle“ und andere alterslose Wesen

      Viele niedere Organismen wie Algen, Amöben oder Süßwasserpolypen sind potenziell unsterblich, auch wenn ihre Lebenserwartung durch Fressfeinde und ökologische Veränderungen natürlich begrenzt ist. Das degenerative Altern scheint primär auf höhere Organismen mit geschlechtlicher Fortpflanzung begrenzt zu sein, vor allem im Tierreich. Bei den Pflanzen finden wir dagegen zahlreiche hochkomplexe Organismen, die nach gegenwärtigem Kenntnisstand ebenfalls nicht altern müssen. Eine tausendjährige Stieleiche produziert jedes Jahr Blätter und Eicheln von derselben Qualität. Diese Blätter unterscheiden sich in ihrer jugendlichen Frische in nichts von denen einer nur 50-jährigen Stieleiche. Wenn der Baum stirbt, geschieht dies durch äußere Einflüsse wie einen Waldbrand, durch Pilzbefall oder weil er gefällt wird.

      Besonders beeindruckend sind in diesem Zusammenhang die amerikanischen Mammutbäume. Da sie über Jahrtausende hinweg nicht aufhören zu wachsen, erreichen sie Höhen von über 100 Metern und nicht selten ein Gewicht von mehr als 2.000 Tonnen. Ihr Leben ist bedroht von Klimaveränderungen oder durch Parasiten, aber nicht, weil sie alt werden. Der älteste bekannte Baum der Erde ist übrigens „Pando“, eine amerikanische Zitterpappel im Fishlake National Forest in Utah. Mit einem Gewicht von geschätzten 6.000 Tonnen ist Pando nicht nur das älteste Lebewesen des Planeten, sondern auch das schwerste. Es existiert seit geschätzten 80.000 Jahren und treibt noch immer jedes Jahr junge Stämme aus. Sogar im Tierreich meinen Wissenschaftler einige seltene Ausnahmen entdeckt zu haben, die die Natur anscheinend vom degenerativen Altern befreit hat.

      Der arktische Ozean ist die Heimat von Tieren, die schon gelebt haben, bevor Kolumbus Amerika entdeckt hat: Wissenschaftler haben einen Grönlandhai gefangen, dessen Alter auf 510 Jahre datiert wurde. Exemplare dieser Art werden erst mit 150 Jahren geschlechtsreif und wenn sie altern, dann äußerst langsam. Auch für die amerikanische Sumpfschildkröte, den Felsenbarsch Sebastes aleutianus und sogar – als einziges Säuetier – den Nacktmull wird eine sogenannte „vernachlässigbare Seneszenz“ vermutet. Im Gegensatz zu alternden Tieren bleibt ihre Sterberate mit zunehmendem Alter konstant. Die Beweisführung gestaltet sich allerdings schwierig, da auch diese Tiere in freier Wildbahn auf der Speisekarte zahlreicher Fressfeinde stehen und Opfer von Krankheiten oder Katastrophen werden können.

       Im Polarmeer leben Grönlandhaie mit einem Alter von über 500 Jahren.

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