Die gesellige Hausfrau 1892. Isa von der Lütt
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So möge er diesen Trieb befriedigen und einen Lohn dafür zahlen, der auch anderen Freudlosen zur Freude verhelfen kann. Kein Raub, ein Tausch seien solche Feste. (Es leite wieder der Grundsatz: auch geben wollen, nicht nur nehmen.)
Sehr unbedacht sind Bazare, welche immer wieder von Geschäftsleuten fordern, diese moralisch zu einer Wohltätigkeitssteuer zwingen, welche nicht im Verhältnis zu der der übrigen Gebenden ist.
Auf die reichgefüllten und oft gerade deshalb so fest verschlossenen Börsen der Reichen dieser Welt bei solchen Unternehmungen zu „spekulieren“, ist berechtigt und nur „Schlangenklugheit“.
Auch das Mitleid mit solchen, die sich auf Bazaren zu größeren, als ihnen erlaubten Ausgabe hinreißen lassen oder behaupten, sich dazu verpflichtet und gezwungen zu fühlen, ist falsch. Jeder gebe sein Scherflein nach seinen Verhältnissen, gebe so viel aus, als ihm gestattet ist. Er habe eben den Wahrheitsmut seines Geldbeutels, der doch wahrlich nicht den wahren Wert eines Menschen bestimmt. Hierfür ist die Eitelkeit der Menschen, sind nicht Bazare verantwortlich zu machen.
Bazare können, richtig erfaßt und bis ins einzelne richtig durchgeführt, nicht nur sehr nutzbringend, sondern zugleich auch eine lautere Quelle gemeinsamer Freude werden. Auch für das Volk. Und statt daß manche ernst gesinnte, edle und auf ihre Weise frommer, stiller Liebestätigkeit zugeneigte Frauen sich von solchen nicht mehr zu entbehrenden und darum auch nicht mehr zu unterdrückenden Unternehmungen abseits, ja ihnen gegenüberstellen, würden sie tausendmal segensreicher wirken, wenn sie dieselben mit einem edlen Geiste (mit dem Geiste, welchen wir am Anfange dieses Büchleins besprachen) zu durchdringen suchten.
Derlei Bazare brauchten auch, sofern sie überhaupt auf ein großes Publikum berechnet sind, durchaus keine – ihnen so oft vorgeworfene – „Verführung für’s Volk“ sein. Sie könnten im Gegenteil als Volksfeste edleren Stils, das vorhin besprochene Verlangen nach Festesfreude untadelig befriedigend, für Nehmen und Geben gleich nutzbringend sein. Denn wie viele sind es denn, die sie überhaupt um dies Festfreude-Bedürfnis des Volkes annehmen? Meist nur Spekulanten, welche daraus Gewinn für sich suchen, Gewinn um jeden Preiss, auch um den der Verrohung, Verführung, Verderbnis.
Ein Rechnungsfehler bei solcher Berücksichtigung der Volksfreude in bezug auf die zu erzielende Einnahme könnte sich eventuell freilich ergeben und das ganze Unternehmen ziemlich ziellos erscheinen lassen. Dem wäre eben durch eine geschickte Anlage der Sache überhaupt vorzubeugen und durch die Einrichtung, daß nur ein letzter Tag auf „Volkspreise“ gesetzt wäre.
Es ist gewiß dem größten, oder wenigstens dem besten Teil der bei solchen Spielen Mitwirkenden eine Befriedigung, mit ihren persönlichen Talenten und Leistungen nicht nur jedem Zahlenkönnenden, sondern auch dem pekuniär Beschränkten Freude zu machen.
Aber schon höre ich wieder die Tatsächliches-Fordernde meiner Leserinnen ungeduldig werden! Schnell also zurück zu unserem
Chinesischen Bazarfest.
Der ganze Aufbau wird derselbe wie bei dem chinesischen Tee der Gräfin X. Hause sein, nur den größeren Verhältnissen des offiziellen Lokales angepaßt.
Zudem wird eine fachmännische Autorität erschmeichelt werden, um einen kulturhistorischen Vortrag über China mit Lichtbildern zu halten. Ein belletristisch erprobte Persönlichkeit, vielleicht Reporter von Ruf, der die China-Expedition begleitete, soll frische, lebendige Geschichten und Geschichtchen erzählen, vorplaudern. Der Zauberer soll noch intensiver und breiter auftreten, das chinesiche Schauspiel – zu möglichster Vollendung entwickelt – der Glanzpunkt des Abends werden. Buden mit allen nur möglichen chinesischen Lebensspezialitäten werden in üppigster Fülle aufgeschlagen sein. Chinesische Gerichte, vor allem Reis, sind bei bezopften Köchen zu haben, Tee wird in reizenden „Teehäusern“, echt, die Untertasse auf der Obertasse liegend, genommen.
Chinesische Literatur wird, in Übersetzung, von den Buchhändlern besorgt. Ein eigenes, kurzes, originell verfaßtes Büchlein erscheint speziell dafür. Verschiedene chinesische Weisheits-Sprüche 5) werden auf Postkarten verfielfältigt, während das Hauptkorps dieser ewig jungen Modekinder die chinesische Mauer, ihre ruhmreichen Erstürmer und andere chinesische Motive zeigt.*)
Zwei Tage des Festes sollen mit hohen Eintrittspreisen gute Einnahmen erzielen, der dritte soll dem Volke gehören d. h. sehr niederer Eintritt soll allen die Teilnahme ermöglichen, wobei eventuell auch trotzdem die Menge gutes Resultat für den Zweck des Unternehmens bringen kann.
In der ersten Komiteesitzung, welche über diese chinesische Idee zu beraten hatte, zeigte es sich, wie sehr sich mit der allgemeinen Ausdehnung unserer nationalen Gesichtskreises durch Kolonieen und Flotte auch der Horizont der Bazare zu einem überseeischen erweitert hat. Mußte auch der Vorschlag einer begeisterten Flottenvereinlerin, ein Schiff darzustellen, als zu kostspielig verworfen werden, so erwiesen sich doch Dinge wie italienische Nacht ec. als vollkommen verblühte Blumen. Jetzt blühen nur mehr exotische.
In der Tat wurde sehr über einen Kolonial-Bazar, in ähnlicher Ausführung wie der chinesische, debattiert. Ebenso auch über einen den ganzen Erdkreis umfassenden Aller Welt- oder Von-Nord-nach-Süd-Bazar.
Ja dieser letzte hatte sogar Aussicht gehabt, die chinesische Idee zu besiegen, hauptsächlich ein paar mutwilliger, junger Frauen wegen, welche es sich reizend dachten, als Eskimo-Weibchen in einer Eskimohütte Tran (Tee) zu schenken, Eis- und Eisbärfelle zu verkaufen.
Nicht weniger dankbar als Bazare auf solch ethnographischer Grundlage sind solche auf
historischer und kulturhistorischer.
Für einen solchen plädierte sehr überzeugend der Schriftführer des Vereins, ein selbst sehr „historischer“ Fachmann: Vergangene, namentlich in der Städte-Blütezeit des 15. und 16. Jahrhunderts gefeierte Volksfeste, festliche Äußerungen aus Anlaß eines bedeutsamen, geschichtlichen Ereignisses aus der Stadt, in welcher der Bazar stattfinden soll, seien äußerlich ebenso anziehend, als innerlich erfreulich. Würden auch im allgemeinen größere Momente, wie Kaisereinzüge, Tourniere ec. als zu kostspielig wegbleiben müssen, so bliebe doch noch ein großer Schatz verwendbarer, kulturhistorischer Lebensäußerungen z. B. auch Aufführungen der Werke zeitgenössischen Dichter (wie es etwa in Nürnberg mit Werken von Hans Sachs der Fall wäre).
Am besten eignet sich für einen historischen Bazar die Rokokozeit, in einer zeitlich etwas weiten Ausdehnung. Zeitgemäße theatralische Aufführungen (siehe auch das „Schäferspiel in Rokoko“ im zweiten Teil), ein Mozartsches Quartett, von Rokokoherren in einem Mozart-Zimmer gespielt; ein, vom Spinett begleitetes, von Rokokopaaren getanztes Menuett, vielleicht auch eine von guten Dilettanten aufgeführte Glucksche Oper, oder ein Singspiel, Stammbuchblätter in Form der unentbehrlichen Postkarte, ein Stammbuch, Original und reproduziert, (mit Autographen, Moment-Photographien in Silhouetten-Art) – all dies und dergleichen mehr ist ebenso gefällig, als leicht durchführbar.
Dieser anmutige Vorschlag unseres verehrten Geheimrats bringt mich auf einen der reizendsten Bazare, bei welchen ich mich je beteiligte. Derselbe wurde von einem Verein junger Mädchen – ein Verein zugunsten von Teeabenden für Ladnerinnen – abgehalten als
Blumen-Lauben-Bazar.
Die zugrunde liegende Idee war: den ganzen, nicht sehr großen Saal in einen Blumengarten mit Lauben zu wandeln, in welchen man Kaffee, Tee oder Schokolade – der Bazar wurde nur nachmittags von 2 – 8 abgehalten – trinken konnte.