Von Blüten und Blättern. Elisabeth Göbel

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Von Blüten und Blättern - Elisabeth Göbel

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      21. Februar, Montag

      »Und mag nicht stille sein …« Der Kuckuck schrie die ganze Nacht und hört nicht auf zu schrein, dichtete Hermann Löns im Kleinen Rosengarten. Lieder der Freundinnen meiner Mutter, Lieder meiner Mädchenzeit. Jemand sang, jemand spielte Klavier. Nun bin ich neugierig und schlage noch einmal in Brehms Tierleben nach.

      Dass er »fast« Kuckuck ruft, schreibt der genaue Beobachter Alfred Brehm. Aber die erste Silbe wird schärfer ausgestoßen als die zweite, wir hören ein deutliches K und ein scharfes G – Kuguk. Das zweite gedehntere U wird durch einen G- oder K-Laut vervollständigt. Bis zu sechzig Mal sei das zu hören und es diene dazu, das Weibchen anzulocken.

      Die Liebe, so Brehm, scheine den Kuckuck geradezu um den Verstand zu bringen: Er sei buchstäblich toll, schreie unablässig so, dass die Stimme überschnappt, er durchjagt sein Gebiet und vermutet überall einen Nebenbuhler. Die Antwort des Weibchens besteht aus den äußerst rasch aufeinander folgenden Lauten »jikikickick«, die auch wie »quickwickwick« klingen, einem harten Triller ähneln und durch ein leises Knarren eingeleitet werden. Über nächtliche Aktivitäten erfahre ich nichts. Natürlich wird auch beschrieben, wie die Kuckuckin ihr Ei einem fremden Vogelpaar unterjubelt.

      Ich schätze die Fähigkeit des Naturbeschreibers Alfred Brehm, genauestens zu beobachten und die Wahrnehmungen in eine poetische Sprache zu bringen, ich bewundere seine Sätze, die präzise und literarisch sind, gründlich bis ins Detail, doch niemals langweilig – auch wenn Brehms Anthropomorphismus aus heutiger Sicht als unwissenschaftlich gilt.

      22. Februar, Dienstag

      Die roten Winterzweige des Sibirischen Hartriegels leuchten. Wie Feuer, wie Siegellack, wie Weihnachtsäpfel, wie chinesische Lackarbeit. Wie Lippenstift und Nagellack meinetwegen. Der im Sommer so unscheinbare Strauch hat am hinteren Zaun einen idealen Platz, denn die Strahlen der Nachmittagssonne finden ihn dort, und so kommt unerwartet ein Leuchten in das Winterbild.

      Im Fernsehen berichteten sie von einem Experiment, durch das untersucht werden sollte, wie uns auch alltägliche Wörter auf dem Weg übers Unbewusste beeinflussen. Zwei Gruppen von Teilnehmern hatten eine leichte Aufgabe zu bewältigen: In einfachen Sätzen mit bekannten Sprichwörtern und Redensarten war die Reihenfolge der Wörter vertauscht – also: Mund hat im Morgenstund’ Gold oder Alle Katzen nachts sind grau. Die Probanden hatten die Wörter so zu nummerieren, dass sich der korrekte Satz ergab. Danach sollten sie die Zettel mit den korrigierten Sprichwörtern in einer Box ablegen. Diese Box befand sich am Ende eines langen Ganges, und ohne dass sie es wussten, wurde gemessen, wie schnell sich jeder Teilnehmer nach Beendigung der Aufgabe von seinem Platz bis zur Box bewegte.

      Das Ergebnis lässt einen staunen. Die Testpersonen, in deren Sätzen Alltagswörter wie grau, müde, alt, schwach vorkamen, waren langsamer als die Personen der Gruppe, in deren Sätzen die »müden« Wörter fehlten. Morgenstund’ hat Gold im Mund macht, dass wir eilen. Die suggestive Kraft des Wortes funktioniert, eigentlich weiß man es lange, über unbewusste Kanäle. Wörter machen uns froh oder träge, geben Impulse oder bremsen uns. Es passiert, so die Hirnforscher, in der Amygdala, dem Mandelkern im Gehirn. Mandelkern – auch ein schönes Wort, das mich schneller laufen und schneller schreiben lässt. Ich durchsuche meine Tagebuchblätter nach müden Wörtern. Fünfmal grau bisher, zweimal trüb, einmal alt und viermal kalt. Ziemlich viel, für ein Winterprotokoll scheint es mir dennoch angemessen. Ich eile in den Garten, schneide ein paar von den leuchtroten Zweigen und stelle sie im Haus in eine Vase.

      23. Februar, Mittwoch

      Warum kein Gedicht entsteht, kommt auch daher, dass ich mich entschieden habe, ein Garten-Journal zu schreiben. Ein Tagebuch will festhalten, erinnern, informieren – so war es an dem und dem Tag. Ein Gedicht hingegen will schweben, offen sein, für Bilder, die von sonst woher kommen, aus dem »Sumpf des Unbewussten« meinetwegen, es will und muss zugleich Raum geben für die Bilder des Lesers. Ein Gedicht will den breiten Rand, das halbe Blatt in für alles empfänglichem Weiß.

      Was ich im Garten sehe und beobachte, könnte auch in die Form eines traditionellen Gedichts fließen, sich des Reims und des Metrums bedienen. Hermann Hesse schreibt in Hexametern übers Tomatenaufbinden – wunderbar. Aber das reine Naturgedicht, die Idylle in Versform geht heute nicht mehr, wirkt verstaubt und weltfremd. In Hesses Gedicht spürt man die Ironie, ergötzt einen der Kontrast zwischen dem hohen Ton der Dichtkunst und der niedrigen Tätigkeit der Tomatenpflege. Nach den zwei Weltkriegen und mit Adornos Diktum vom »Ende des Gedichts« hat sich die Lyrik gewandelt, so dass auch das Naturgedicht jetzt die andere Ebene braucht, den Bruch: Nichts ist das, was zu sein es scheint. Nichts ist mehr so, wie es war. Auschwitz, Hiroshima, Tschernobyl, aber auch die Globalisierung und das weltweite Netz haben uns und unsere Erwartungen an das Gedicht verändert. Weil der Mensch sich der Gefährdung der Welt und seiner selbst ständig bewusst ist, empfindet er die Idylle des Naturgedichts als unzeitgemäß. »Freundlich und erhebend«, schreibt Günter Kunert, »können Naturgedichte heutzutage nicht mehr sein, sonst wären sie bis auf den Grund verlogen.« Misstrauisch sein gegenüber der Sprache ist als Voraussetzung für Tiefe und Ernsthaftigkeit geboten. »Immer stimmt alles ein bisschen nicht ganz«, schreibt Friederike Mayröcker.

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