360° um die Welt. Wolfgang Machreich

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360° um die Welt - Wolfgang Machreich

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       Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

      Kein Essen ohne Kimchi als Beilage – rund 22 Kilogramm des zum immateriellen Kulturerbe erhobenen scharf gewürzten Gemüses isst ein Südkoreaner im Jahr.

Fläche: 100.210 Quadratkilometer, ein wenig kleiner als Island
Einwohner: 51.700.000, mehr als 150-mal so viele wie Island

      Die Leiden des jungen Jong

      Südkorea ist ein wundervolles Land mit wundervollen Menschen, die von klein auf einem hohen Leistungsethos folgen (müssen). Um 9 Uhr früh sitzen die Schüler der Myung-Duk Fremdsprachen-Oberschule im Südwesten Seouls bereits zwei Stunden in ihren Klassen. Schulschluss ist um 22 Uhr. Danach geht es noch immer nicht heim, erzählt der Schüler Jong seinem ungläubig dreinschauenden Visavis aus Österreich. Dann folgen noch ein, zwei Stunden Unterricht in einem privaten Lerninstitut: „Vor ein Uhr nachts kommt kaum einer von uns nach Hause.“ Nur am Sonntag sei es weniger streng: Da fange der Unterricht erst (!) um zehn Uhr an und höre schon (!) um 20 Uhr auf.

      Von 7 Uhr bis 22 Uhr sitzen die Kinder in der Schule.

      Der 15-Jährige hatte an diesem Vormittag Deutschunterricht. Ein Fach, in dem sich Jong leicht tut. Sein Vater war Techniker bei Korean Airlines und einige Jahre mitsamt Familie in Zürich stationiert. Jong spricht fließend Deutsch mit Schweizer Akzent. Die Rückkehr nach Korea sei ihm nicht leicht gefallen: „Die Schulsysteme sind völlig verschieden, in der Schweiz war es schon lockerer, hier heißt es immer nur: Du musst! Du musst! Du musst!“ Der Grund für das „Muss“ ist im „Su-neung“, dem koreanischen Abitur, zu sehen, dessen Noten bestimmen, wer an welcher Universität studieren darf. Um dabei so gut wie möglich abzuschneiden, besuchen die Schüler nach dem regulären Unterricht noch Hagwons – das sind Nachhilfe-Institute, in denen man gezielt auf den großteils aus Multiple-Choice-Fragen bestehenden Su-neung vorbereitet wird. „In der Schweiz habe ich denken gelernt“, kommentiert Jong seine unterschiedlichen Schulerfahrungen, „hier wird nur auswendig gelernt.“

      Kimchi: scharf eingelegtes Gemüse

      Im internationalen Vergleich schneidet dieses Schulsystem jedoch hervorragend ab: Südkorea belegt regelmäßig Spitzenplätze im Pisa-Vergleich. Als Grund dafür nennen Pisa-Experten die enge Verknüpfung von hohen Anforderungen an die Lernenden mit einer rigiden Evaluierung durch Tests sowie der große private Einsatz an Zeit und Geld von Kindern und Eltern. Den wenigen, denen Elan und Disziplin fehlen, wird mit dem von den Eltern erwünschten „Rohrstaberl“ nachgeholfen.

      Jongs Berufswunsch lautet Rechts- oder Staatsanwalt. Die erste Hürde auf diesem Weg konnte er nehmen: Als einer von 22 Bewerbern schaffte er die Aufnahme in die Myung-Duk-Oberschule. Jetzt fehle ihm nur noch eine gute Universität, sagt Jong: „Dann bin ich frei.“

      Wobei das mit der Freiheit generell und besonders in Südkorea so eine Sache ist. Nehmen wir an, Jong schafft es ins Justizministerium. Dann wird er bei Sommerhitze von der Stadtverwaltung aufgefordert in kurzen Hosen zur Arbeit zu kommen, damit die Klimaanlagen weniger Strom fressen. Im Winter ist es umgekehrt: Da wird zum Stromsparen die Standardtemperatur in Verwaltungsgebäuden auf 18 Grad gedrosselt. Der jeweilige Staatspräsident geht dann mit gutem Beispiel voran und animiert Jong dazu, warme Unterwäsche zu tragen. Und dieser denkt an seine Schulzeit und lächelt milde über das lebenslange „Du musst!“

       Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

      Ursprünglich gehörten die steilen und hohen Dächer zu den traditionellen Reliquienhäusern, Uma Lulik genannt. Doch der Baustil der Fataluku ist zum Nationalsymbol und Vorbild für moderne Gebäude wie den Präsidentenpalast geworden.

Fläche: 14.918 Quadratkilometer
Einwohner: 1.183.643

      Asiens Mandela

      Osttimor ist ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen, die auch der UNO zu einer ihrer größten und weiteren kleinen Erfolgsgeschichten verholfen haben. Letzter Anlass zu Stolz und Freude bei den Vereinten Nationen lieferte 2018 die Beilegung eines jahrzehntelangen Streits zwischen Australien und Osttimor über den Verlauf ihrer Seegrenze. „Dieses Ereignis ist historisch“, sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres bei der Unterzeichnungszeremonie des Vertrags. Die Einigung sieht vor, dass die Einnahmen aus dem Gasfeld Greater Sunrise, immerhin geschätzte vierzig bis fünfzig Milliarden Dollar, zwischen den beiden Staaten geteilt werden. Für Osttimor, eines der ärmsten Länder Asiens, eine willkommene Budgetspritze, um die das Land lange kämpfen musste. Noch länger dauerte der Kampf der ehemaligen portugiesischen Kolonie um die Unabhängigkeit vom Besatzer Indonesien. 2002 wurde dieses Ziel mithilfe eines UN-Mandats und unter dem Schutz von UN-Friedenstruppen erreicht.

      Die Schlüsselfigur für den Freiheitskampf als auch für die Beilegung des Konflikts und die Demokratisierung des Landes ist Xanana Gusmao, der „Nelson Mandela Osttimors“. 1981 übernahm er die militärische Führung der Rebellenorganisation Falintil. Seine Entschlossenheit, seine List und sein Organisationstalent verschafften ihm den Ruf eines „Robin Hood“-gleichen Heldens. „Die Menschen beten ihn als Führungspersönlichkeit an, als ein Symbol der nationalen Einheit“, sagt ein damaliger Wegbegleiter. 1992 wurde er verhaftet und zu lebenslanger Haft verurteilt. Obwohl ihn die indonesische Führung als kaltblütigen Mörder abstempelte, wurde er zu Indonesiens populärstem politischen Gefangenen. Er nutzte die Zeit, um malen zu lernen, Gedichte zu schreiben und mindestens vier Sprachen zu lernen, darunter Indonesisch und Englisch. Als 1997 Südafrikas Präsident Nelson Mandela Indonesien besuchte, traf er sich in einem Aufsehen erregenden Schritt mit Gusmao und forderte dessen Freilassung. 1999 kehrte Gusmao im Triumph in seine Heimat zurück.

      So entschlossen er als Rebell war, so zögerlich gab er sich als Präsidentschaftskandidat. Mehrfach beteuerte er, lieber Kürbisbauer oder Fotojournalist zu werden. Schuld daran sei ein Schwur, den er als Guerilla-Anführer geleistet habe, erklärte Osttimors Friedensnobelpreisträger, Premier und Präsident José Ramos Horta: „Er versprach seinen Leuten, dass er niemals Präsident werden würde.“ Damit wollte er den Verdacht im Keim ersticken, dass die blutigen Kämpfe, in die er seine Männer führte, eigenen Ambitionen dienten. Seine Zögerlichkeit half nichts, Gusmao wurde erster Präsident von Timor-Leste. Danach übernahm er während eines weiteren Aufruhrs im Land das Amt des Krisenmanagers und Premierministers. Und auch wenn er nicht selbst kandidiert, ist Gusmao nach wie vor der Königsmacher, sagt Tomas Pinto von Osttimors Nationaluniversität: „Wen auch immer Herr Xanana unterstützt, wird gewählt. Alle anderen sind nur zur Unterhaltung da.“

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