360° um die Welt. Wolfgang Machreich
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500 Jahre danach mache ich mich mit diesem Buch ebenfalls auf die Suche nach „especerias“, nach den Spezialitäten und Eigenheiten auf der ganzen und um die ganze Welt: „Es sind die Geschichten, es ist das Geschichten-Erzählen. Ob durch Wiegenlieder, Comicbücher, Filme, Lieder, Gebete, Romane oder Anekdoten, die Menschen an einer Theke erzählen. Es sind die Geschichten, die uns über Raum und Zeit zusammenzuhalten“, antwortete mir einmal Pulitzer-Preisträger Paul Salopek in einem Interview über seinen „Out of Eden Walk“ auf den Spuren der Besiedelungsgeschichte des Menschen vom Garten Eden, der „Wiege der Menschheit“ in Äthiopien, bis zur äußersten Verbreitungsgrenze unseres Menschentyps auf der Südspitze des amerikanischen Kontinents.
360 Längengrade, 206 anerkannte und weniger anerkannte Staaten, Milliarden Menschen und unendliche viele Geschichten sind auch das Volle, aus dem dieses Buch schöpft. Die schönsten, die lustigsten, die ergreifendsten, die schrägsten und traurigsten habe ich Land für Land gesucht, selbst erlebt, beobachtet, mir erzählen lassen oder bei Reiseschriftstellerinnen und -schriftstellern, Korrespondentinnen und ihren männlichen Pendants nachgeschlagen.
Die Reihenfolge der Kapitel dieses Buches bestimmt der Längengrad der Hauptstadt des jeweiligen Landes. Die Datumsgrenze setzt den Anfang, der Gang der Sonne von Ost nach West gibt den weiteren Verlauf rund um den Erdball vor. Und was bleibt nach dieser Weltumsegelung 500 Jahre nach Magellan, ohne Schiffe zwar, dafür aber mit einer Flotte an Geschichten aus der ganzen und über die ganze Welt?
Die Aussicht, dass jedes Land ein wundervolles Land mit wundervollen Menschen ist.
Die Einsicht, dass wir Menschen unsere Länder zum Paradies oder zur Hölle machen können.
Die Zuversicht, dass wir Menschen einmal so sorgsam mit dieser wundervollen Welt umgehen, wie sie es sich verdient.
Aber lesen Sie selbst, reisen Sie los, 360 Grad weit, einmal um die Welt!
Wolfgang Machreich
Tuvalu
Berühmt, berüchtigt, beneidet für:
Sigeo Alessandro, seine Frau und seine zwei Kinder aus Tuvalu wurden 2014 als die ersten Klimaflüchtlinge weltweit anerkannt und bekamen in Neuseeland Asyl.
Fläche: | 26 Quadratkilometer, wie der Wolfgangsee im Salzkammergut oder 13-mal so groß wie Monaco |
Einwohner: | 10.640, ein knappes Drittel von Monaco |
Vor uns die Sintflut
Tuvalu ist eine wunderbare Insel mit wunderbaren Menschen. Leider befindet sich der aus neun Korallenatollen bestehende Staat in der gleichen Situation wie ein Mensch, der den Lotto-Jackpot geknackt hat und gleichzeitig erfährt, dass er demnächst sterben wird.
Tuvalu scheffelt mit Telefon- und Internet-Abgaben Millionen – und versinkt. Wenn die Klimaerwärmung voranschreitet, die Polkappen schmelzen, die Meere steigen … – dann wird die Insel zum ersten modernen Atlantis. Tuvalu ist zum Symbol des Klimawandels geworden, als erster Staat, der sein Staatsgebiet verlieren kann. Im Hafen der Hauptstadt messen die Sekretäre des Klimawandels, wie der Meeresspiegel Millimeter für Millimeter steigt. Für ein Land, das nur ein paar Meter aus dem Pazifik herausragt, zählt jedes Sandkorn. In 25 Jahren könnte Tuvalu unbewohnbar, in fünfzig verschwunden sein – falls Sturmfluten den Untergang nicht noch beschleunigen. „Wir sehen in Tuvalu in die Augen der Kinder. Wir müssen ihnen antworten, nicht der fossilen Energieindustrie“, sagte Tuvalus Regierungschef auf der Klimakonferenz Ende 2014 in Lima und zeichnete ein düsteres Bild von der Zukunft seines Eilandes: „Für Tuvalu könne einer der dunkelsten Plätze in der Hölle reserviert sein, obwohl man das Klimaproblem keineswegs verschuldet habe.“
Traumhafte Strände – wie lange noch?
Tuvalu ist ein Ring im Pazifik.
Für kommende Generationen versucht Tuvalus Regierung den Status von Umweltflüchtlingen durchzusetzen. Neuseeland hat bereits Klimaflüchtlinge aus Tuvalu aufgenommen. Australien hat abgelehnt – und verweigert den Beitritt zum Kyoto-Klimaschutzprotokoll. Tuvalu kontert mit der Drohung, die am meisten Kohlendioxid ausstoßenden Länder und Unternehmen vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu zerren – Australien und die USA zuerst.
Mit Nachbar Japan ist Tuvalu hingegen sehr gut gestellt. So gut, dass es für die Wale schlecht ist. Noch nicht lange ist Tuvalu Mitglied der Internationalen Walfangkommission – den Mitgliedsbeitrag zahlt Japan, heißt es, und legt noch ein bisschen drauf. Dafür gibt es zusätzliche Unterstützung für die Waljäger.
Dabei ist Tuvalu schon lange nicht mehr das arme Nichts im Nirgendwo. Zu asphaltierter Hauptstraße und Straßenbeleuchtung hat die Landesvorwahl 688 verholfen, die Tuvalu weltweit an Telefonsex-Anbieter vermietete. Richtig reich wird der viertkleinste Staat der Welt aber mit seinem Internet-Kürzel „tv“, für das Fernsehsender Millionen hinlegen. Da lässt es sich auf der Insel wieder leicht moralisch sein: „Wir brauchen keine Sex-Anrufe mehr. Das Geschäft schadet unserem Ruf als Christen“, erklärte der Premier. Gleichzeitig schaut man sich nach weiteren Einnahmen um. Die Regierung möchte nationalen Raum im Orbit beantragen. Das brächte Geld von Satellitenbetreibern. Und wenn die Wasser fluten, die Hölle wartet (siehe Zitat oben) ist es in jedem Fall auch gut – man hat sich einen Platz am Himmel reserviert.
Republik Fidschi
Berühmt, berüchtigt, beneidet für:
Fidschi gehört zu den zwölf besten Rugby-Nationen der Welt.
Fläche: | 18.376 Quadratkilometer, ein wenig kleiner als Slowenien |
Einwohner: | 884.887, die Hälfte von Slowenien |
Versöhnung unter Palmen
Fidschi sind wunderbare Inseln mit wundervollen Menschen, die leider abwechselnd von Wirbelstürmen oder Staatsstreichen heimgesucht werden. Statistisch fegen in zehn Jahren zehn bis zwölf Wirbelstürme über die rund 320 Inseln, von denen 110 bewohnt sind. Noch öfter kommen nur Hollywoodstars auf der Suche nach einem luxuriösen Urlaubsdomizil vorbei. Unbeeindruckt von beidem putscht regelmäßig das Militär.
Der Grund für die politischen Spannungen liegt im Dauerkonflikt zwischen den melanesischen Ureinwohnern und der indischen Bevölkerung Fidschis, deren Vorfahren Ende des 19. Jahrhunderts von den britischen Kolonialherren als Arbeiter