Allmächd, scho widder a Mord!. Werner Rosenzweig
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Читать онлайн книгу Allmächd, scho widder a Mord! - Werner Rosenzweig страница 6
„Das ist Gewaltanwendung gegen Polizeibeamte im Dienst“, monierte der Beamte ohne Kopfbedeckung.
„Geh na her Berschla“, erhielt er zur Antwort, „dann griegsd gleich nu ane auf dei Goschn. Baggnern Hektor“, wies die Aldi-Tüten-Besitzerin ihren vierbeinigen Mikrosaurier an und deutete auf den Polizisten. Der Zwergpinscher sah den Hüter des Gesetzes mit gefletschten Zähnen an, stürzte sich todesmutig auf dessen rechtes Bein und verbiss sich im Stoff der Hose. Verzweifelt versuchte der Mann von Nachtgiger drei den Kläffer von seinem Hosenbein los zu bekommen. In diesem Moment der Unachtsamkeit griff die Alte in ihre Handtasche, holte eine Sprühdose heraus und verabreichte dem Beamten eine volle Ladung Pfefferspray ins Gesicht. Der Polizist schrie auf, hielt sich mit beiden Händen die schmerzenden Augen, der Hund zerrte unnachgiebig am Stoff der Hose, bis er einen großen Fetzen im Maul hatte, und die alte Dame landete eine Serie Aldi-Tüten-Schläge auf dem Kopf des Stöhnenden. „Wenn mi scho kaner vergewaldichd“, stellte sie sachlich fest, „dann habbi dees Bfefferschbräi wenigsdens ned umsunsd kaffd.“
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Gerd Gierbich stand im Treppenabgang vor der verschlossenen Eisentür, als das Telefon erneut vibrierte.
Legen Sie das Telefon in die Aldi-Tüte und stellen Sie diese vor der Türe ab. Verschwinden Sie. Sie haben Ihre Aufgabe erfüllt. Nun kommt es nur noch darauf an, dass Sie sich streng an die Anweisungen gehalten haben und die Banknoten keine Blüten oder Papierschnipsel sind. Wenn alles okay ist, kriegen Sie morgen Ihren Jungen zurück.
Nachtgiger
Gerd Gierbich sah sich um. Der entscheidende Moment war gekommen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Dann legte er das Mobiltelefon in die Tüte und stellte diese bedachtsam neben die schwere Eisentüre. Was, wenn ein Unbeteiligter das Geld fand und an sich nahm? Er zwang sich, die wenigen Stufen nach oben zu schreiten und die vier Millionen Euro allein zurückzulassen. Oben angekommen hörte er, wie sich ein Schlüssel knarzend im Schloss drehte und die schwere Tür in ihren Angeln quietschte. Er sah sich um und erschrak. Eine grässliche Fratze sah ihn an. Am auffälligsten war der große, rote Hakenschnabel, der zwischen zwei tellerrunden Augen hervorragte. Auf dem Kopf schwappten lange, goldfarbene Federn hin und her. Selbst der Körper der Gestalt war über und über gefiedert. Zwei Sekunden lang starrten sich die beiden in die Augen, dann griff die Nachtgiger-Gestalt blitzschnell nach der Aldi-Tüte, zog sie nach innen und schlug die Tür zu. Augenblicklich drehte sich der Schlüssel wieder im Schloss.
Der Nachtgiger hinter der Tür stieg über moderne Betonschächte in die Tiefe. Dann rannte er einen langen, niederen Gang entlang, der aus dem Gestein gemeißelt war. Schließlich gelangte er in ein Gewölbe, von dem aus mehrere Schächte in verschiedene Richtungen führten.
Weit vom Burgberg entfernt, im Südosten der Stadt und nordwestlich des Volksparks Dutzendteich, erstreckt sich der einhundertvierunddreißig Hektar große Luitpoldhain. An seinem nördlichen Rand steht die bekannte Meistersingerhalle. Unter tief hängenden Ästen einer Weide stand, vorzüglich versteckt, ein schwarzer VW Golf. Der Fahrer war ausgestiegen und inhalierte unter vorgehaltener Hand den Rauch einer Marlboro Light. Er war frühzeitig zum Treffpunkt gekommen. Der andere, eine grässliche Gestalt, würde noch etwas brauchen, bis er eintraf. Er hatte noch ein schönes Stück Weg vor sich. Doch das machte dem Raucher nichts aus. Er hatte Zeit. Hauptsache der Nachtgiger hatte die wunderschöne, prall gefüllte Aldi-Tüte dabei.
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Das alte, verwahrloste Haus in Rehhof lag einsam und verlassen da. Die vier Kindesentführer hatten ihren zeitweisen Unterschlupf verlassen. Rührende Szenen spielten sich ab, bevor sie sich auf ihren Weg machten. „Iech will nu a weng dobleibm und mid die Kauboi schbieln“, jammerte der kleine Raphael, „iech will nunni ham.“
„Deine Mama und dein Papa machen sich aber bestimmt schon große Sorgen“, versuchte es einer der Entführer.
„Mei Babba vielleichd scho, abber mei Mudder ned. Die had doch goar ka Zeid fier miech. Die is doch dauernd underwegs und driffd si immer mid iehre Freindinna. Dauernd soll iech mid der Gerda schbieln, abber die mooch ka Kauboi. Iech will doo bei eich bleibm.“
„Dees gehd doch ned, Raphael. Mier sen doch Gängsder und ham diech endfiehrt. Wenn uns die Bolizei derwischd, wern mier eigschberrd.“
„Abber iehr habd mier doch goar nix gmachd!“, bestand der kleine Knirps auf seiner Meinung. „Wenn iech edz wergli ham muss, kennd iehr miech ned schbäder numal endfiehrn? Des näxd Mol a weng länger?“
Schließlich gab es doch noch eine Einigung: Raphael durfte die Schachtel mit den Indianer- und Cowboyfiguren behalten und mit nach Hause nehmen. Außerdem schenkten sie ihm noch ein Nachtgigerkostüm. Das wollte er unbedingt gleich anziehen.
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Nachmittags gegen drei Uhr fuhr ein schwarzer VW Golf mit vier Erwachsenen und einem Kind von Eltersdorf kommend in die Kleingründlacher Straße. Nachdem der Pkw die Ortschaft Kleingründlach durchfahren hatte, verlangsamte er auf der Höhe des Mühlweihers seine Geschwindigkeit, bog rechts ab und fuhr auf ein kleines Kastenwäldchen zu. Auf einem schmalen Waldweg stoppte er. Der kleine Raphael hatte Tränen in den Augen und drückte zum Abschied jeden seiner Entführer ganz herzlich. Dann sprang er ins feuchte Gras, schnallte sich seine Maschinenpistole um, nahm die Schachtel mit den Cowboy- und Indianerfiguren entgegen, winkte nochmals zum Abschied und machte sich auf den schweren Weg nach Hause. Auch seine vier Entführer hatten nun glänzende Augen, und einem kullerte sogar eine Träne über die Backe. Als der Kleine aus ihrem Blickfeld verschwunden war, wendeten sie den Golf und fuhren die gleiche Strecke wieder zurück. Bei Eltersdorf nahmen sie den Frankenschnellweg in Richtung Bamberg, verließen die A73 aber wieder an der Ausfahrt Möhrendorf. Sie überquerten die Regnitzbrücke kurz vor der Dorfeinfahrt, und hielten sich gleich rechts, wo es nach Kleinseebach ging. Ein Stück fuhren sie parallel zum Rhein-Main-Donau-Kanal. An der nächsten Kreuzung orientierten sie sich links und nahmen die Route durch den Wald. Nach circa sieben Kilometer fuhren sie in ihr Heimatdorf Röttenbach ein. Im Kofferraum des VW Golfs lagen nun fünf Aldi-Plastiktüten. Vier von ihnen enthielten genau neunhunderttausend Euro. In der fünften Tüte schlummerten vierhunderttausend. Nachdem der Fahrer seinen Wagen in die Garage gefahren hatte, wählte er als erstes eine Frankfurter Telefonnummer. „Alles in Budder, Lizzy. Morgen kummi nach Frangfurd und bring der dein Deil.“ Dann legte er auf.
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Gerd Gierbich sah aus dem Fenster und wartete schon den ganzen Tag darauf, dass sich die Entführer meldeten, um ihm mitzuteilen, wo sein Sohn verblieben sei. Nero Hammer hatte ihm eingebleut, ein möglichst langes Telefonat zu führen. Das sei die beste Chance, den Standort der Entführer zu ermitteln, um sie doch noch festzunehmen. Raphaels Vater, der die Nacht zuvor mit dem Taxi nach Hause kam, hatte von den Ratschlägen des Polizisten die Nase voll. Draußen im Wiesengrund, der Gründlach entlang, bewegte sich ein unscharfer roter Klecks, der größer wurde und auf die Villa zumarschierte. Der Klecks trug etwas vor sich her. Gerd Gierbich setzte seine Brille auf. Der Klecks war nun scharf und deutlich zu erkennen. Ein feuerroter Hahn mit einem seltsam gekrümmten Schnabel näherte sich. Die Augen von dem Vieh waren schwarz wie die Nacht finster und riesengroß. Überhaupt hatte er noch nie so einen Monsterhahn gesehen. Zum Fürchten. Das Federkleid leuchtete wie prasselndes Feuer. Dann bemerkte er den braunen Pappkarton, den das Federvieh vor sich her trug. Gerd Gierbich stieß den Kommissar am Arm und deutete zum Fenster hinaus. „Raphael!“,