Unerklärliche Geschichten. Gisela Schäfer

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Unerklärliche Geschichten - Gisela Schäfer

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Boot.

       Gisela Schäfer

      *Die Schreibweise mit Bindestrich ist kein Versehen. Sie kommt genauso im Vorgänger-Band „Wunder-volle Erfahrungen“ vor und weist auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes hin: voller Wunder.

      Es war ein Samstag im Mai 2005. Ich hatte meinem Mann versprochen, ihn beim Einkaufen zu begleiten, und so verschwand ich nach dem Frühstück noch schnell im Schlafzimmer, um mich fertig zu machen. Als ich wieder in die Küche kam, wurde mir plötzlich ganz komisch zumute, ohne dass ich wirklich erklären konnte, was mit mir los war. Es dauerte nur einen ganz kurzen Moment, dann war es wieder vorbei. Ich wischte mir über die Augen und sagte zu Fritz: „Das war jetzt ein seltsames Gefühl!“

      „Nur keine Ausflüchte!“, antwortete er grinsend „Heute kommst du mit!“

      „Na sicher komme ich mit, ich hab’s dir ja versprochen“, bestätigte ich und räumte noch schnell die leeren Tassen in den Geschirrspüler.

      Wieder zurück vom Einkauf, trugen wir gemeinsam die Taschen in die Wohnung und stellten sie in der Küche ab. Plötzlich erfasste mich Schwindel, und ich konnte mich im letzten Moment noch an der Sessellehne festhalten und mich setzen.

      Mein Mann sah mich an und fragte besorgt: „Was ist denn mit dir?“

      Ich antwortete ihm: „So ähnlich war es schon in der Früh. Ich glaube, ich lege mich besser hin, mir ist nicht gut. Außerdem fühle ich mich richtig schlapp.“

      Da ich beim Gehen leicht schwankte, begleitete mich mein Mann ins Schlafzimmer und wartete an der Tür, bis ich lag. Irgendwann am Nachmittag wachte ich auf, weil ich zur Toilette musste, aber ich fühlte mich so elend, dass ich Fritz rief und ihn bat, mir zu helfen.

      „So wie du aussiehst, wirst du wahrscheinlich krank“, meinte er nur und brachte mich nach dem Toilettengang wieder ins Bett.

      Ich muss sofort eingeschlafen sein und weiß auch nicht, wie lange ich geschlafen habe, als ich von jemandem geweckt wurde, der viel zu laut redete, mir über Kopf und Stirn strich und mir anschließend etwas unter den Arm schob. Ich wollte weiterschlafen, war es doch so angenehm wohlig warm und wunderschön hell. Ich schwebte in einer Art Tunnel, der erfüllt war von gleißendem Licht, das gegen den Tunnelausgang strömte und mich magisch anzog.

      Erneut redete die Stimme auf mich ein, aber ich war zu weit weg, um zu verstehen, was gesagt wurde. Langsam drang die mir bekannte Stimme ans Ohr, aber das Gesicht konnte ich nicht erkennen. Wozu auch, ich war zu müde, um mich anzustrengen, und es war viel zu angenehm hier im warmen Licht.

      Plötzlich lautes Stimmengewirr, und schlagartig wich das helle Licht einem Halbdunkel, in dem sich rote Gestalten bewegten. Jemand packte mich am Arm und schüttelte mich:

      „Frau Gira, hören Sie mich? Sie brauchen keine Angst haben, ich bin Arzt und will ihnen helfen! Hören Sie mich?“

      Statt der wohligen Wärme fühlte ich ein feuchtes, klebriges Etwas, das auf mir gelegen hatte und jetzt mit einem Ruck weggerissen wurde. Augenblicklich fror mich schrecklich, und ich bibberte am ganzen Körper. Gleichzeitig erkannte ich mehrere Gesichter, jedoch ohne zu wissen, wer es war, und eine Hand ergriff energisch die meine.

      „Keine Angst, Sie bekommen eine Spritze“, hörte ich eine Stimme sagen und versuchte mir die Gesichter einzuprägen, doch die Augenlider waren so schwer und fielen mir einfach zu.

      „Nicht einschlafen, Sie müssen wach bleiben!“ Die Männer murmelten etwas, und plötzlich stand ein großer Mann vor mir und sagte sanft: „Komm, zieh den Bademantel an, die Rettung fährt dich ins Spital, du hast hohes Fieber!“

      Dann half man mir mit vereinten Kräften auf, und ich spürte sofort, wie meine Knie zitterten. Ich wollte wieder zurück ins Bett, doch die Männer setzten mich in einen Sessel und schoben mich durch die Wohnungstür.

      Brrr, hier war es kalt! Mich schüttelte es mitsamt der Decke, in die man mich eingehüllt hatte. Ich legte den Kopf zur Seite, schloss die Augen und suchte sowohl Wärme als auch Licht. Aber beides war verschwunden. Stattdessen redete ein junger Mann ständig auf mich ein und fragte viele Dinge, die ich nicht auf Anhieb wusste.

      Endlich hörte diese Fragerei auf, und der Wagen hielt. Es war dunkel, und mich fror wieder entsetzlich. In einem hell erleuchteten Raum mit gedämpften Stimmen half man mir wieder aus dem Sessel, und ich musste mich auf ein weißes Bett legen, wo ich sofort wieder einschlief. Aber die angenehme, helle und warme Stimmung war und blieb verschwunden.

      Es dauerte noch Stunden, bis man endgültig die Diagnose „Rotlauf“ (Eriysipel) feststellte. Gottlob konnte man diese Erkrankung erfolgreich behandeln.

       Der Tod

       als stiller Gefährte

       trifft den Menschen

       am Tor der Geburt,

       begleitet ihn unsichtbar

       durch das Leben,

       ehe er sich

       beim Ausgang ins Jenseits

       wieder von ihm trennt.

       Ernestine Gira

      Der Tag war gekommen, als mein Vater in den Morgenstunden seine Augen für immer schloss. Obwohl wir längst innerlich darauf vorbereitet waren, war die Stunde des Abschieds unvermittelt und unerbittlich mit aller Konsequenz in den Raum eingezogen.

      Eine Viertelstunde bevor die Pflegehelferin kam, um ihre tägliche Arbeit zu verrichten, saß ich noch diese geringe Zeitlang bei Vaters Krankenbett an seiner Seite, seine gelähmte Hand in meinen Händen, und hielt Zwiesprache mit ihm. Sein Körper war geschwächt und mager, und er atmete bereits sehr schwer. Stationen des Lebens liefen mir ruckartig in Bildern wie ein geistiger Film vor den Augen herunter. Erfreuliche, heitere, traurige und schwierige Augenblicke eines familiären Zusammenlebens wechselten miteinander ab.

      Die Pflegerin kam; nun galt es, ihr wie tagtäglich zur Hand zu gehen. Die Stimmung war sehr bedrückend. Vaters Zustand hatte sich in den letzten Tagen merklich verändert. Keiner sprach mehr viel, nur mehr das Notwendigste; man erlebte hautnah mit, wie ein Leben langsam, aber unaufhaltsam verlöschte. Dann war es so weit …

      Später kam noch die Krankenschwester Brunhilde vom Hilfswerk, die pietätvoll die Aufgabe des Anziehens übernahm. Geschockt und automatisch wie Roboter halfen wir mit, Vater die letzte Kleidung anzulegen.

      Ab diesem Zeitpunkt hatten wir einen stummen und starren Zuschauer, der regungslos wie eine Statue unter der offenen Türe saß und hypnoseartig jede Handbewegung der Schwester verfolgte. Selbst ihr wurde es allmählich unheimlich, ja, sie fühlte sich etwas unbehaglich, da er sie nicht aus den Augen ließ, Burli, unser rotweißer Kater. Sonst war er der Scheueste unserer drei Katzen. Er suchte immer das Weite, wenn jemand das Haus betrat, der nicht zur Familie gehörte. Fremde Schritte kannte er sofort, was ihn stets

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