Drei Erzählungen von Christiane Benedikte Naubert in einer Transkription von Sylvia Kolbe: "Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.", "Die weiße Frau" und "Herzog Christian von Eisenberg oder: das eisenberger Gespenst". Christiane Benedikte Naubert
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Als man mich zum Conti bracht, um ihn zu bewegen, mein Todesurtheil straks Angesichts zu fällen, und ich dargegen mächtiglich führte meiner Sachen Gerechtigkeit, antwortet er: Rittmeister, ihr habt über die Schnur gehauen6, und kann euch nun nicht helfen. Sehet, das Leben sey euch geschenkt, aber die Haft auf Ehrenwort hat nun ein Ende; erkennet nun auch die Haft in Ketten und Banden.
Wie? entgegnete ich; jener Vertrag ist null, und ihr beginnt einen neuen?
Kein Vertrag, antwortet er; eure Feßeln sagen gut für euch!– Worüber ich mich höchlich gefreuet, heimlich gedenkend, welches Gott mir verzeihe: Hast nun zurück das Ehrenwort nicht zu entweichen, bist so gut als frey; was sind gegen jenen Zwang eiserne Ketten und Bande! – Muß wol einst einem Mönchlein durch die Schul gelaufen seyn, um diesen Ausweg zu erlernen! –
Wie ich gedacht, so ist mirs gelungen. Haben mich ja wol ehr einen Samson genannt, wie hätte ich Bande nicht brechen sollen, zumalen bey wiederkehrenden Kräften und der Hüter Gelindigkeit, gewonnen durch jenen Freybrief, den Gott manchen der Seinen verleiht, daß sie niemand verletze, und ists oft mir Trost und Rettung gewest, daß ich wußt, ich hab einen solchen. Der Pöbel, auch in unsern Tagen die Vornehmen wol, nennen dies: fest seyn; und bin ich auch fest gewesen allewege, durch Vertrauen auf Gott, und aus mir verliehene Kräfte.
Als nun Nacht und Schlauheit mein Werk gedeckt hatten und ich frey war, bin ich nicht geflohen, sondern zurückblieben auf dem Aschenhaufen der an einigen Stellen noch brennenden Stadt, theils zu besserer Verheimlichung meines Einweichens und Verwirrung meiner Spur, theils um der Jungfrau nahe zu bleiben, von welcher meine Hüter, als ich noch in Banden war, mich versichern wolten, man wisse nichts von ihr, und sey sie vermuthlich in dem Getümmel von Savellis Verwundung entkommen.
War sie dies, so befand sie sich nirgend, als hier. Hatte ich doch in ihren Armen ein gerettetes Kindlein gesehen, als sie vor Savelli stand, und hielt sich doch hinten an ihr Gewand ein schwacher Alter, der sie, ich hört es, Tochter nannte. Hier in Pasewalk also war sie wahrscheinlich zu Hause, hier hielten sie Bande des Bluts, hier mußt ich sie finden.
Aber ich bin die rauchende Stätte viel Tage lang durchzogen, ohne die ich suchte zu finden. Elend zu lindern fand ich gnug, hatt auch die Kräfte dazu allermaßen. Wo nicht Rath nützt und That, da gnügt auch Geld wol zuweilen; hatte den Feinden manchen Ort abgelauscht, wo sie Schätze geborgen, und, vor eigenem Feuer fliehend, zurückgelassen hatten. Das zeigt ich denn den Abgebrannten ehrlich an; ihr war es, nicht das meine.
Gleichwol dankten die Armen mir dafür, als wärens gar große Dinge; wär gut gewesen, hätten sie mir danken können durch gute Nachricht von meiner Jungfrau. Was ich erfuhr, war ehr Gift, als Balsam in meine Wunden. Einige kannten sie gar nicht, andere, denen sie bekannt war, sagten: sie sey eine Reichsstädterin, nur durch Unfall zum alten Herzog kommen, sey nun über ein Jahr Bettmeisterin7 gewesen in seinem Hause, und ihm gar innig verbunden, habe ihn längst schon gewarnt vor dem Unglück, wie ihr denn die Gabe verliehen sey, Unglück vorauszuwißen und Menschen zu warnen, habe solches, mit dem Kindlein nach Pasewalk kommend, auch hier gethan, sey aber nicht gehört worden.
Mir gefiel in diesem Bericht gar wenig. Zwar schämt ich mich fast, der Bettmeisterstelle bei einem so frommen, alten Herzog schlimme Deutung zu geben, auch glaubt man heut zu Tage nicht viel von verborgenem Umgang mit Kunde gebenden Geistern: gleichwol bleiben solche Sachen in Dubio8, und hat mir das Vorauswißen künftiger Dinge bey einer christlichen Jungfrau, zusamt dem Kindlein in ihren Armen, schwerer Gedanken gar viele gemacht, so daß ich verging wie ein Schatten, mich auch des Lebens erwogen, und weiß schier nicht, welches härter ist, von dem Geliebten verbannt, oder irre seyn an dessen Gottesfurcht und Tugend.
Als ich endlich mit mir eins ward, die Margaretham gar mir aus dem Sinn zu schlagen, da hat mir Gott eine große Freude beschert, und ward damals durch dies Zeichen gewiß, daß mein Entschluß recht sey vor ihm.
Es kam nemlich unser schwedischer Held in diese Gegenden, mit seinem allweg siegreichen Heer, und könnt ich mich wieder zu ihm fügen, wie zu dem Haupte die Glieder. War nicht müßig gewesen in diesem verödeten Winkel: viel der versprengten Unsern hatt ich zu mir gesammelt, so daß ich mich mit einem ziemlichen Häuflein ihm darstellen konnte.
Seine Majestät war meines und der Meinen Anblicks froh, nannte uns alle bey Namen, und von mir allen Vorgang vernehmend, gebot er mir sein Führer zu werden über die verstörete Stätte.
Sein Herz brach vor Wehmuth, als er den Jammer gesehen; schier nichts als Aschenhaufen und Blutströme, verstümmelte Menschen und offene Gräber! Reichlich gab er, und erquickte die Verschmachtenden, wünschte auch mit gen Himmel gehobenen Händen, Einen Tag nur die Macht zu haben, die dort eben waltet, um alles Elend zu vertilgen von der Erde, da ers jetzt nothgedrungen oft mehren mußt; Einen Tag nur zu helfen, wenigstens hier, wo der unaussprechliche Jammer so heftig eindrang auf sein großes Herz, das eine ganze Welt mit Liebe umfasset. O dieser König ist viel zu groß für eine irdische Krone! Ohne die Zukunft zu wissen, wie Margaretha, wolt ich wol sagen, Gott habe ein besser Königreich dort ihm beschieden, werde auch nicht lang ihn darauf warten lassen; wehe aber alsdann, wenn er dahin ist, ja wehe uns Armen!
Gleich dem Herrn hat sich in diesem Winkel des Elends auch das Volk hülfreich erwiesen. Sie kamen hierher, und bedurften wol selbst der Labung, nach dem Feuer einer heißen Schlacht: aber jeder theilte seinen Bissen Brots mit den Verschmachtenden. Hab wol ehr gesehn, daß ein armer Kriegsknecht alle seine Taschen umgekehrt, um den hier verunglückten Armen auch das letzte zu geben, und ja nichts übrig zu lassen ihm selber.
Mir gab der König eine Bedeckung, um, wo ich könnte, Nahrung aufzutreiben und hier zu vertheilen, und dies alles für baare Zahlung, denn der Schwede hälts für schimpflich, ohne Geld etwas zu fordern, als wolte er betteln oder stehlen; überlassen solches den Wallenstein' schen, und andern, so der Ehre nicht achten.
Hat sich aber dermalen ein sonderer Casus zugetragen. Es ward nämlich unter den verirreten Kindlein, so keine Aeltern hatten, und die der König versorgte, ein ziemlich stämmiger Knabe zu ihm bracht, und als ichs beym Lichte besah, wars des Savelli Bub. Waren viele, die dem König riethen, solchen zu behalten, als Geißel irgend eines in Zukunft zu erlangenden Vortheils, worauf der König lachend sagte: Sind Gott Lob noch nicht so weit, anderes Vortheils zu bedürfen, als des Schwerdts und unserer guten Sache; wolt auch ihn laufen lassen, wozu ich allermaßen gerathen, dieser jungen Natter nicht alleweg zu trauen. Als ich aber zum König sprach, wie der Knabe werde vom Vater angelehret zu aller Untugend, ändert seine Majestät den Sinn, sagende: Bleib bey mir, Knab! sollsts gut haben, und lernen, was zum Rechtthun und zu christlichen Waffen gehört: halt ja, du seyst ein Christ? – woraus der Knabe tugendlicher geantwortet, als ich je ihm zugetraut; hat also des Königes Herz ihm gestohlen.
Wir zogen indeßen nun weiter; ich leider die Jungfrau immer im Herzen habend. Mocht thun was ich wollt, so stand straks ihr Bildniß vor mir. Habe mir solches zu großer Sünd gerechnet im Gefolg solchen frommen Königs, denn sie doch mein nicht werden könnt, nicht allein wegen des Kinds, sondern auch heimlicher Künste Verdacht. Wir hörten gar viel von ihr, wie sie im Warnen fast nie gefehlt, abschon nie gehört worden, gleich jener trojanischen Königstochter Caßandra, und war sie aus Augsburg, eine Fuggerin, alten Patrizier-Geschlechts, aber durch den Krieg und mancherley Unselde verirrt von Freundschaft und Heimath, welches gar wunderlich in meinem Sinne gepaaret das heißeste Mitleid mit heimlicher Furcht und Grauen. Und als ich solches einst dem König entdeckte, maßen er mit mir redete, wie ein Freund zu dem andern, antwortet er: Friz, mußt nicht also richten! der Pöbel hält alles für geistisch, was er nicht begreifen kann: halten mich ja für einen Engel Gottes, ihnen zum Schutz gesandt, weil ich nicht wüte, wie der Conti oder der Wallenstein, so ich doch nichts bin, als ein sündiger Mensch. Deine Margaretha halte ich gutes Verstandes und offener Augen, dazu heldenmüthigen Geistes, welche drey wol Wunder würken, bey Mann und Frauen. Bleib du der