Drei Erzählungen von Christiane Benedikte Naubert in einer Transkription von Sylvia Kolbe: "Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.", "Die weiße Frau" und "Herzog Christian von Eisenberg oder: das eisenberger Gespenst". Christiane Benedikte Naubert
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Thät ich denn also, wie mich die Freundin geheißen. Sprach den ganzen Morgen nichts, als von Nichtigkeit und Hinfälligkeit menschlicher Größe, von der Rechenschaft des letzten Augenblicks, und zu übender Barmherzigkeit, damit auch uns Barmherzigkeit wiederfahre, daß er mich endlich schweigen geheißen, wenn ich anders nichts vorzubringen wüßt. Ich schwieg denn, an meiner Worte Wirkung gar verzweifelnd; waren sie aber tiefer gefaßt15, als ich meynte.
Er, der Graf, pflegte mich aber oft mit sich in seinem Wagen fahren zu lassen, und trug ich dann, um dieß der Menge nicht zum Aergerniß zu machen, kaiserlichen Soldaten-Mantel und Hut; dieß geschahe auch heut, doch fuhren wir nur einer halben Stunde Wegs, bis über das Dörflein Podelwitz16, als wo wir über die Lober17 gegangen, dann sind wir ausgestiegen, um unerkannter den Weg zu Fuße zu machen.
Hier ward ich gewahr, daß ein Reuter, von welchem des Generals Diener, hinter uns auf dem Wagen stehend, uns einigemal schon zugeflüstert, er sey uns unabläßig gefolgt, auch einst schon vor uns langsam vorübergeritten, welches wir beide, im Gespräch vertieft, nicht wahrgenommen; daß dieser Reuter, sag ich, sich schnell im nahen Wäldchen verlor. Ich schauderte freudig und angstvoll zusammen, denn ach, mich dünkte die Gestalt meines Lilienström zu sehen; wie denn die Schweden in der Nähe, unweit Düben18 standen.
O Friedrich! die Freude dich mir nahe zu wissen! und meine Angst um dich! Warst du es, so kamst du ja wol nur um meinetwillen! aber wurdest du entdeckt, welch meuchelischer Verdacht, bey dem, der sich ohnedem immer von Meuchelmördern umgeben dachte!
Angst um das letzte wurde bey mir verschlungen von Gewißheit des ersten. Ja ja, du warsts, warst um meinetwillen hier; ich wußt in solchem Augenblick, daß es nicht anders seyn konnt, und giebt von des Geliebten Nähe uns sichere Kunde der Liebesengel, den Gott denjenigen sendet, die er bestimmt hat zu frohem Ehebunde. Thut auch, ich muß es euch endlich gestehen, ihr Töchter, ein Mägdlein keine Sünde, so es, diese Stimme untrüglich hörend, sich hingiebt treuer, hoffender, tugendlicher Liebe; nämlich im Herzen, nicht durch äußere Zeichen, als welche der löblichen Zucht und Sitte entgegen sind, auch oft des Zweckes stracklich19 verfehlen.
Ich, ganz in solche Gedanken vergraben, insonderheit der Möglichkeit nachsinnend, wie der Geliebte mich reißen könnt aus des Tilly Gewalt, ging stumm neben dem General her; der Weg aber zog sich dicht an dem Wäldlein hin. Der Himmel über uns ward düster, und düster schienen auch des alten Helden Gedanken zu seyn (wie ich bald merkte) über des schwarzen Reuters Kommen und Verschwinden; das auch mir, aber freudig, im Sinn lag. Fragt auf einmal, was ich von Gespensterwerk halte. Ich, so schnell und wundersam aus meiner Liebesträumerey gerissen, gestand etwas erschrocken, daß mir nie etwas begegnet, und ich mich deshalb billig des Urtheils enthalte, ausgenommen der Vorzeichen, welche wol nicht allerdings zu verwerfen seyn möchten. Sagte dies diesmal ohne Absicht, als meiner innern, wahren Herzensmeynung, wolt auch schon Exempel hinzuthun, als wir hart an der Stadt Feldmark20, von einem heftigen Platzregen überfallen, genöthigt wurden, Obdach zu suchen. Hatten aber der Leipziger Flammen gewütet bis hieher, und war kein Obdach zu finden, als ein einzig klein weiß Häuslein, auf welches der Feldherr mächtiglich zuschritt. Ich folgte nach Vermögen, aber unsere wenigen Leute, dem Herrn nacheilend, hatten mir schon den Vorsprung abgewonnen, so daß ich tüchtig durchnäßt eintrat; schier als jene dem Grafen sich nach, wie im Getümmel, hineingedränget hatten.
Ich trete ein, und, Kinder! was erblick ich! Hifs Gott! das ist ein Beinhaus21! nichts, als weißgebleichte Schädel rings umher, und dem Eingang gegenüber grinzt ein groß, riesenhaft aufgestellt menschlich Beingerüst uns entgegen. Ich schaue mich um nach dem Grafen, der steht unter seinen erschrockenen Leuten, hart an die Wand gelehnt, bleich, athemlos, mit festgeschlossenen Augen.
Mein General! rufe ich, und springe erschrocken hinzu. Er aber schüttelt geschloßner Augen das Haupt, und winkt nach dem Auswege. Eilig bringt man ihn hinaus, und ich, mit Arzneyen, die ich allezeit bey mir trage, und Hülfe des herabströmenden Regens, bringe den alten Helden endlich völlig zur Besonnenheit.
Inständig bat ich, als er Mund und Augen wieder öffnete, das verlaßene Schirmdach wiederzu suchen: aber er wehrte mit der Hand, wolt auch davon nichts hören, so daß ich, zusammengenommen mit einigen ihm entfallenen Worten, klärlichen22 ersehn, das Todtenbild hab ihn als Vorzeichen erschreckt, und wären meine vorbedachte und unbedachte Worte nicht verloren gegangen.
Ich war wol selbst etwas entsetzt, maßen mir aus der Lucardis Reden zwar so viel klar war, daß dem alten Grafen hier ein Schrecknis erwartete, von welcherley Art aber war mir verborgen; und hatte mich, die reines Gewißens, der Anblick des Todtenbilds mit heimlichem Schauer erfüllt, wie viel mehr diese blutbelastete Seele! Waren hier unvorhergesehene Dinge viel würksam gewesen, den heimlichen Anschlag zu begünstigen, von des schwarzen Reuters Erscheinung bis auf den Regen, der uns in das Todtenhäuslein jagte, das zwar schwerlich auch ohne diesen, von dem fürsichtigen General unbesichtigt blieben wäre, so die Lucardis wol denken konnt.
Ich hatt indessen sogleich einen der Leute nach dem Dörflein gesandt, wo wir den Wagen gelassen hatten, solchen herbeyzuholen, leiteten indessen wir andern den Grafen langsam am Wäldlein hin, weil ich das Gehen für ihn dienlicher hielt, als das Ruhen auf nasser Erde.
Er sprach kein Wort, verharrete immer bleich und zitternd, so daß mich jammerte seiner hohen Jahre, und ihm unabläßig das Gläslein vorhielt, ihn zu laben, ihm auch die Schläfe gerieben mit der Kräuter starkriechenden Säften.
Endlich jagte der Wagen daher, und der Ermattete gewann Kräfte, unterstützt allein von mir einzusteigen, da ich dann mich eilig ihm nach hineinwarf, an seine Seite, dem Führer gebietend nun zuzujagen.
Die Pferde gingen in Flüchten davon; und quer über den Weg, ihnen beynah in die Zügel, stürzt ein Reuter aus dem Walde, schwarz gerüstet mit bleichem Todtengesicht. O konnte, konnt ich ihn verkennen? Nein! es war der Fritz! Wilde Verzweiflung aus seinem Gesicht, und ein Blick fiel aus seinen hohlen Augen auf mich, den ich nimmer, o nimmer vergeße.
Wie? Lilienström! so solt ich dich wiedersehen? War dies ein Blick der Liebe? Warst du's vielleicht nicht selbst? Wars nur dein Geist, mich zum Tode zu mahnen? Fast sinnlos sank ich zurück, so daß nach einer Weile mich der General zuerst ansprach: Nun, Jungfrau, sagte er, wo ist euer Muth? ich halte23, das Todesbild hat auch euch gar mächtig ergriffen. Mein Herz ist rein! entgegnete ich mit schwacher Stimme. Aber das meine? erwiederte er. Und ich mich schnell besinnend, was hier mir zu thun sey nach meiner Verabredung mit Leipzigs Retterin, fuhr fort: Ist das Herz des Feldherrn nicht rein von vergangener Schuld, so kann er es wenigstens rein erhalten vor künftiger.
Er, mich zorniglich anschauend, sagt: Ich frage, was eure Gedanken sind, von jener Erscheinung?
Ein Zeichen, antwortet ich achselzuckend; ein Zeichen ists allemal!
Und von was?
Der große Tilly wird hier nicht glücklich seyn!
Was groß, schrie er, wenn mirs gegen dieses Nest fehlen solte! Hab Magdeburg gewonnen, und wol noch andre!
Ein jeder Held, antwortet ich, hat noch ein Ziel gefunden, wo er aufhörte, groß zu seyn. Wohl ihm, wenn er beherzigte die Zeichen der Zeit, und sich warnen ließ!
Er hieß mich hier abermal schweigen, hat auch des ganzen Wegs über kein Wort mehr gesprochen, als am Ende: Ich solte nicht etwa glauben, daß er sich vor dem beinern Mann entsetzet habe, ihn habe blos Erhitzung und Regen