... und hinter uns die Heimat. Klaus-Peter Enghardt
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Jetzt, im aufkommenden Frühling war dafür keine Zeit mehr, die Bauern bereiteten alles für die Feldarbeit vor.
Als an einem Freitag, Ende März, der Unterricht beendet war, erwartete Katharina eine Überraschung. Wie jeden Freitag räumte sie nach dem Unterricht den Lehrertisch auf, gab den Topfpflanzen Wasser, und verließ erst dann das Schulgebäude. Als sie die Schultür abschloss, hielt ihr plötzlich jemand von hinten die Augen zu. Zuerst war die junge Frau erschrocken, doch sofort hatte sie einen Verdacht und jubelte: »Wolfgang! Ich habe so auf dich gewartet!«
Erstaunt, dass sie ihn so schnell erkannt hatte, drehte er Katharina zu sich herum und gab ihr einen Kuss zur Begrüßung. Sie schaute über seinen Rücken hinweg die Dorfstraße entlang und sagte gespielt vorwurfsvoll: »Man küsst eine Lehrerin nicht einfach so auf der Straße. Was sollen denn die Leute und vor allem meine Schüler von mir denken?« Doch ihre Augen leuchteten vor Freude und sie zog ihn an der Hand vom Schultor fort und lief mit ihm nach Hause.
Ganze zwei Wochen konnte sie nun mit Wolfgang verbringen und ihr Herz machte ein paar freudige Hüpfer. Auch Marie war froh, ihren »Großen« für eine gewisse Zeit bei sich zu haben, doch beim Abschied hoffte sie stets, ihre beiden Söhne gesund wiederzusehen.
Obwohl Wolfgang seine Mutter ermunterte, sich ihm und Katharina anzuschließen, wenn sie nach Königsberg ins Kino fuhren, oder mit den Rädern nach Zinten oder an den Arnsteiner See, lehnte sie diese Angebote stets lächelnd ab.
»Ich war ja auch einmal jung und ich war damals froh, wenn ich mit deinem Vater allein sein konnte. Nutzt beide die Zeit, wer weiß, wann du das nächste Mal nach Hause kommen kannst. Außerdem hat sich Katharina so auf dich gefreut und ich freue mich, wenn es dir gut geht, mein Junge. Viel zu selten kommst du nach Hause.«
Zärtlich streichelte Marie ihrem Sohn über die Wange, da nahm er seine Mutter in die Arme und sagte: »Du bist die beste Mutter der Welt.« In diesen Worten lag all seine Liebe.
Am Samstagmorgen stiegen Katharina und Wolfgang auf die Räder und fuhren durch die erwachende Natur.
Die Vögel hatten sich inzwischen wieder ihre gewohnte Umgebung erobert und jubelten in den Zweigen der Bäume über die wärmende Sonne. Und auch die Menschen waren froh, dass der lange Winter vorüber war. Am Wegesrand blühten violette Märzveilchen und im klaren Wasser des Baches spiegelten sich die gelben Blüten der Sumpfdotterblumen, die den Grabenrand bevölkerten.
Vom Weg aus bot sich den Radlern ein grandioses Bild.
Ein weißer Blütenteppich aus Buschwindröschen bedeckte große Flächen des Waldes und als sie am See ankamen, blühten dort unter den Laubbäumen unzählige Leberblümchen. Der Frühling zeigte sich in seiner schönsten Form und Farbe und die Sonne wärmte nicht nur die Körper, sondern auch die Seelen.
Wolfgang hatte seinen Arm um Katharinas Schulter gelegt und genoss mit ihr den Augenblick. Sie schaute ihn lächelnd an und ihre Münder fanden sich zu einem langen zärtlichen Kuss, ehe sie wieder auf ihre Räder stiegen und ihren Weg fortsetzten.
An der tausendjährigen Eiche, einem Baum, den sechs Männer nicht umfassen konnten, machten sie Rast und verzehrten die mitgebrachten Brote. Dazu tranken sie Kakao aus einer Thermosflasche.
Mit der untergehenden Sonne ging auch dieser schöne Ausflug zu Ende.
Die junge Lehrerin musste abends oft noch die Hefte ihrer Schüler korrigieren oder für vier Klassenstufen den Unterricht vorbereiten, trotzdem verbrachte sie jede freie Minute mit Wolfgang und saß dann oft bis spät in der Nacht über den Heften und sie bedauerte es nicht, dann nur noch ein paar Stunden Schlaf zu finden. Sie schlief in ihrem Zimmer mit dem Gedanken an Wolfgang ein und wachte mit dem Gedanken an ihn wieder auf. Könnte doch die Zeit still stehen, aber die schönen Tage verrannen, wie der Ufersand der Frischen Nehrung zwischen den Händen.
Katharina hatte jeden Kuss genossen, jede Berührung, und sie hatte insgeheim gehofft, dass ihr Liebster den Mut finden würde, noch einen Schritt weiter zu gehen, weil für sie klar war, dass sie und Wolfgang einfach zusammengehörten. Vielleicht hatte ihr Schatz sogar denselben Wunsch, aber er betrachtete sie als etwas ganz Besonderes und wollte diesen Augenblick für einen geeigneteren Zeitpunkt aufheben.
Als der Unterfeldwebel nach diesem Urlaub zurück an die Front fuhr, war in der jungen Frau tagelang eine unfassbare Leere. Nur das Foto, dass sie beide von sich in Zinten bei einem Fotograf anfertigen ließen, erinnerte sie nun an ihren Liebsten und schenkte ihr etwas Trost.
Trost fand sie auch in den Briefen aus der Heimat und aus Berlin.
Ihren Eltern ging es trotz der ständigen Luftangriffe gut, zu einem längeren Aufenthalt in Loditten hatten sie sich bisher noch nicht entschließen können. Und bei Mutter Kleinschmidt war auch alles in Ordnung. Sie schrieb sogar, dass sie das Osterfest bei der Familie ihrer Schwester in Elbing verbringen würde und sich vorgenommen hatte, einen Abstecher nach Loditten zu machen. Darüber freute sich Katharina riesig und auch darüber, dass Marie von sich aus anbot, dass Mutter Kleinschmidt ein Zimmer bekommen könnte, damit die Frau nicht im Gasthaus logieren musste. Marie war bereits neugierig auf Frau Kleinschmidt, die von Katharina in den höchsten Tönen gelobt wurde.
Auch Tante Ida hatte geschrieben, dass sie bisher alles gut überstanden hatten, obwohl Köln nur noch eine einzige Steinwüste war. Erstaunlicherweise fuhren die Straßenbahnen noch. Die Menschen räumten den Schutt von den Straßen und säuberten die Straßenbahngleise. Das hatte eine größere Priorität, als kaputte Häuser wieder aufzubauen.
In Ostpreußen waren überall die Ostervorbereitungen im Gange. Auch bei Katharina in der Schule wurde gebastelt, gemalt und gebacken. Die Kinder brachten gekochte Eier in die Schule, die sie dann im Unterricht bunt bemalten, oder bohrten zwei Löcher in ein frisches Ei und bliesen es aus.
Das war gar nicht so einfach und strengte an.
So mancher machte dicke Backen, doch der Eidotter wollte nicht aus dem Ei herauskommen. Schließlich gelang es mit fremder Hilfe doch und aus den ausgeblasenen Eiern wurden nebenbei für alle Rühreier gebraten. Das war ein Genuss.
Besonders die Kleinen waren emsig bei der Arbeit. Da schaute schon mal vor höchster Konzentration die Zungenspitze aus dem Mund und wanderte von einem Mundwinkel zum anderen. In mühevoller Arbeit entstanden kleine Geschenke für die Eltern und die Großeltern. Die Väter bekamen ihre Geschenke per Post, wenn Mutter das Osterpäckchen an die Front schickte, denn in kaum einer Familie war der Vater noch zu Hause. Nur wer beim Wehrbezirksamt nachweisen konnte, dass ein Einsatz in der Wehrmacht eine nicht zu überbrückende Härte bedeuten würde, und das Verbleiben in der Heimat kriegswichtig war, der bekam eine Sondergenehmigung.
Der Bäcker in Loditten hatte bis auf weiteres so eine Genehmigung erhalten, als auch nach intensivster Suche kein Ersatz für ihn gefunden werden konnte, der den Betrieb weiterführte, denn von der Bäckerei in Loditten wurden die umliegenden Dörfer mit Brot und Backwaren versorgt.
Von einer Wanderung durch den Wald brachten die Schüler Birkenzweige in die Schule mit. Dort wurden die Zweige zu kleinen Sträußen gebunden und in Wassereimer gestellt.
Sie sollten bis Ostern Blätter treiben, damit die Kinder am Ostermontag damit »schmackostern« konnten, das war ein alter und noch immer beliebter ostpreußischer Osterbrauch.
Als die Lehrerin am Gründonnerstag den Klassenraum betrat, saßen ihre Schüler bereits artig in ihren Bänken. Kaum ein Schüler fehlte und alle Kinder trugen ihre guten Kleider.
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