Gittas Bilder. Sabine Rydz
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„Ja, stimmt, ich kann mich erinnern, erst vorgestern habe ich Sie bedient“, sagte ich stereotyp und etwas geschockt von dieser etwas merkwürdigen Charme-Offensive.
Aber eigentlich konnte ich mich nicht an ihn erinnern, denn mir bleiben nur Kunden im Gedächtnis, die assoziativ den gleichen literarischen Geschmack haben oder eine intellektuelle Triebfeder ausstrahlen oder ein außergewöhnliches Outfit tragen. Das muss nicht der letzte Schrei sein, sondern einfach passender Stil, der die Persönlichkeit unterstreicht.
Schade eigentlich, dass ich mich nicht an diesen Kunden erinnern kann, denn er macht eigentlich einen passablen Eindruck. Es muss ja nicht immer George Clooney sein, aber schön wäre es doch vor allem in Venedig, wo sich doch hier die Seele und der Blick erweitern.
Aber angenehm wäre es schon, wenn man hier jemanden als Reise-Begleitung hat. Zu dieser Erkenntnis war ich immerhin als überzeugter Single gekommen.
„Wäre doch nett, wenn wir Venedig gemeinsam erkunden könnten, ich lade Sie natürlich auch zum Kaffee ein, wenn Sie mögen“, sagte er jetzt liebenswürdig zu mir und schaute mich dabei an.
„Ja, das wäre super, da haben Sie recht. Wenn wir zwei Münchener hier schon unterwegs sind, sollten wir die Stadt auch gemeinsam genießen, keine schlechte Idee“, antwortete ich sofort, um meine Nervosität zu überspielen, denn eigentlich hatte ich ja andere Pläne, aber was sollte ich jetzt machen, dann suchen wir eben gemeinsam den Palast.
Aber es war so ein wunderbarer frischer Morgen, und die Bilderbuch-Stadtansicht wirkte so, als hätte Canaletto sie just in diesem Moment gerade gemalt. Beeindruckende Aussichten auf dem Canal Grande. Die Suche durfte ich nicht vernachlässigen, bloß weil ich einen Kunden getroffen hatte, das wäre ja Verrat an der Sache und Verrat ist die degoutanteste aller Eigenschaften.
„Achtung, gleich passieren wir die Rialtobrücke; sie überspannt auf wunderbare Weise den Canal Grande“, sagte ich euphorisiert zu ihm.
„Ja, sie ist einzigartig in ihrem Stil, ein erhebendes Gefühl diese Brücke in voller Schönheit zu sehen und hindurchzufahren, diese Eleganz unübertrefflich“, rief er mir programmatisch zu.
Das konnte ich nur bestätigen, ja und Gitta und Bärbel hätten das genauso empfunden, es wäre auch ihr Traum gewesen, hier bei stahlblauen Himmel über den Canal Grande zu schweben, es hätte sie enorm inspiriert, zu Canalettas wären sie hier transformiert. Ich warf einen lockeren Blick nach oben, als hätte jemand meinen Namen gerufen, aber das war natürlich eine Illusion, aber ich war hingerissen von dem Anspruch und der Qualität der Paläste, einfach von der ganzen Szenerie, am liebsten wäre ich vor Freude in den Canal Grande gesprungen, leicht und unbeschwert wie am Meer kam ich mir jetzt vor, ja ich war ja am Meer, aber auch gleichzeitig in der bizarrsten Stadt der Welt, ich hatte jetzt eine emotionale Meer-Stadt-Beziehung, diese Stadt hat alles zu allen Zeiten erlebt und ist trotzdem immer wieder für eine Überraschung gut, vor allem für so schwärmerische Fans wie mich, aber auch Moralisten, Philosophen, Musiker, Maler, Sportler, Astronauten, Filmemacher und Opernregisseure sind gleichermaßen beeindruckt, aber nicht durch irgendwelche Highlights, sondern durch die Stadt selber, sie ist der Star. Aber ich fühlte mich jetzt von dem jungen Mann beobachtet, dieser Vorgang des Beobachtetwerdens hat auch etwas Magisches für die Psyche, man fühlt sich irgendwie erkannt in seinen Gedanken und Gefühlen oder ist es doch bloß ein Bluff? Ich wusste es nicht, war mir im Zweifel, aber Lob des Zweiflers, wie Brecht uns das so schön gelehrt hat. Ich wusste nicht, ob ich mit diesem Mann über meine Probleme und Sehnsüchte sprechen konnte, ob er sensibel genug dafür wäre? Mit Gitta konnte ich über alles reden, nicht nur über Kunst und Literatur, nein vor allem über Männer im Allgemeinen und im Besonderen, sie war eine Sinnsucherin bei Männern, währenddessen ich glücklich war, wenn ich erobert wurde, aber das ist wohl auch normal, typisch Frau. Oder?
Nicht gerade emanzipiert war ich damals, heute sehe ich das natürlich auch anders. Aber unser Geschnatter früher über Männer, Liebe, Mode, Kunst und alle möglichen und unmöglichen Dinge des Lebens gingen immer weiter und weiter, Tag und Nacht, Sommer und Winter, natürlich wurde dabei Rotwein getrunken, nicht zu knapp, und Platten haben wir nächtelang gehört, die Mamas und Papas oder André Heller, wir waren schwer begeistert von all diesen Songs, Gitta spielte auch Gitarre und sang dazu, und ich sang mit ihr zusammen, wenn uns der Liebeskummer aufzufressen drohte, und in solch verzweifelten Nächten malte sie mich, stand mit dem Pinsel vor der Leinwand, mischte schnell ein paar Farben zusammen, das war dann wirkliches Power-Play der Malerei, wie besessen war sie, wenn sie malte, rauchte, trank, ihr Atelier in der Dänenstraße war ihr Refugium, ein weicher Rausch musste sich bei all diesen Tätigkeiten innerlich in ihr abgespielt haben, stolz war ich, dass ich ihre Muse war, vielleicht, ihre Allure, nein natürlich nicht, aber sie war eine Bekennerin der leuchtenden Farben, neben klassischen Naturtönen blitzen aber auch seltsame Gemische auf, Liebeserklärungen an Flora und Fauna, aber vor allem an die Menschen, an die Farben des Lebens, so oder ähnlich sind viele ihrer Bilder entstanden, und ihre Bilder haben auf seltsame Weise das Leben umgriffen, in ihrer schillernden Leidenschaft, da kannte sie keine Krankheiten und Seelenkrisen.
An manchen Tagen gingen wir in unser „Wiener Café“ auf der Schönhauser Allee, heute ein langweiliger Spielsalon, zu DDR-Zeiten ein aufregendes Szenelokal, wo sich die gesamte künstlerische Prominenz vom Prenzlauer Berg traf, Biografien und Kultfiguren wurden hier geboren, aber manche Helden balancierten hier stets am Abgrund des Scheiterns ihrer glamourösen Träume, leider wurde das stolze Café von der Stasi durchsetzt, wie man nach der Wende schmerzhaft erfuhr, oh je, wenn man das früher nur geahnt hätte, aber schweigen wir, dieses Thema macht mich nur aggressiv, betrachten wir lieber noch einmal die schöne Rialtobrücke, die wir schon längst passiert hatten, doch unser Vaporetto machte plötzlich eine scharfe Biegung, diese Stelle der Krümmung nennt man auch „La volta del Canal“, und diese schöne Kurve ist seit jeher Zielabschnitt der alljährlichen Regata Storica, das entnahm ich gerade meinem Reiseführer, und es soll an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben.
Jetzt konzentrierte ich mich aber wieder auf die Paläste, ich erspähte den Palazzo Capello-Malpiero, ein schwer gotischer Palast, der 1622 wieder errichtet wurde, nachdem er wohl mal abgebrand war, daneben passierten wir gleich den Campo di San Samuele, dort steht natürlich auch die Kirche San Samuele mit einem venezianisch-byzantinischen Glockenturm, auch ein Mega-Bauwerk wie man unschwer erkennen konnte, auch ohne kunstgeschichtliche Vorkenntnisse oder Ahnungen, aber dort konnten unsere Portraits auch nicht ausgestellt worden sein, weil dort einfach keine Ausstellungen stattfinden, aber vielleicht sollte ich mal jemanden hier auf dem Vaporetto fragen, manchmal gibt es konstruktive Hinweise.
Leider war auch kein Signore Carabinieri an Bord und auch von Kommissar Brunetti weit und breit keine Spur, na ja der sucht nur Leichen und keine Bilder-Paläste. Für den Moment hatte ich die Orientierung verloren, dafür aber erschnupperte ich vermischte Düfte von Vanille oder Rosmarin, Vanille erkenne ich genau, weil es ein Parfum „Cashmir“ gibt, dass ganz stark nach Vanille riecht, betört muss man schon sagen, es ist für uns Frauen die Verführung total, vielleicht befindet sich in einem der alten Paläste eine Parfum-Manufaktur, wäre möglich, wenn schon keine Bilder ausgestellt werden,