Wenn ich wär, wie ich nicht bin. Kirsten Steineckert

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Wenn ich wär, wie ich nicht bin - Kirsten Steineckert

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ihm.

      Dann wandte sie sich an meinen Großvater und fragte ihn so freundlich wie möglich: »Was machen denn deine grünen Bohnen dieses Jahr? Sofort sprang meine Großmutter auf. Und noch bevor mein Großvater richtig antworten konnte, kam sie mit einer Tüte grüner Bohnen aus der Küche.

      »Hier, Mädel, sowas gibt es nicht zu kaufen! Koch deinem Mann mal was Schönes«, und dann mit liebevollem Blick zum Großvater, »Gut, dass wir wenigstens unseren Garten haben!«

      Wir sind an diesem Sonntag nicht mehr lange geblieben.

      EINE FRANZÖSIN

      Ich war etwa 11, als ich wieder einmal einen Sommer mit meiner Mutter im Schriftstellerheim am Schwielowsee verbrachte. Ich wollte mit meiner Freundin Ilona in diesem Jahr etwas ganz Besonderes unternehmen. Vielleicht wollte ich auch nur mein schauspielerisches Talent ausloten, jedenfalls beschloss ich bei einem Spaziergang die Chaussee entlang spontan als Französin aufzutreten. Innerhalb der Villa im Schriftstellerheim, vor all den Leuten, die mich seit Jahren kannten, ging das schlecht. Aber man könnte ja außerhalb des Grundstückes fremden Leuten begegnen.

      Es dauerte auch nicht lange und unser Flanieren stieß auf die Neugier ebenso gelangweilter junger Motorradfahrer. Die hielten neben uns und wollten ein Gespräch anfangen.

      Glücklicherweise sahen wir etwas älter aus und so glaubten sie meine Geschichte, dass ich, eine Französin, gerade frisch in Deutschland angekommen sei. Ilona erstarrte vor Schreck und ich hatte Angst, sie könnte uns alles vermasseln mit – was weiß ich – haltlosem Gekicher oder anderen verräterischen Äußerungen, so erklärte ich spontan, dass meine Freundin stumm sei und beeindruckte die Jungs mit meinem charmanten Akzent, den ich früher schon immer mal wieder ausprobiert hatte.

      Wir verabschiedeten uns schnell, versprachen aber uns am nächsten Tag an gleicher Stelle wieder einzufinden. Ilona erklärte mich für völlig verrückt und ich ihr, dass sie morgen unbedingt wieder mitkommen müsse. Sie dürfe auch wieder schweigen. So zogen wir am nächsten Tag los.

      Ich weiß nicht mehr, worüber wir uns unterhielten. Wahrscheinlich habe ich von meiner fantastischen französischen Heimat geschwärmt. Ilona verdrehte ab und zu französisch die Augen. Plötzlich hielt ein weiterer Motorradfahrer neben uns und verkündete, dass er eine tolle Überraschung für uns hätte. Französische Landsleute, mit denen wir uns am nächsten Tag treffen könnten. Tolle Überraschung. Ich wurde blass, versprach aber zu kommen.

      Natürlich erschienen wir am nächsten Tag nicht. Stattdessen wagte sich einer der Jungs auf das Gelände des Schriftstellerheims und fragte nach der Französin. Keiner konnte ihm weiterhelfen. In dem Moment trat ich aus der Tür. Er sprach mich an, aber ich tat höchst erstaunt und behauptete, ihn noch nie gesehen zu haben.

      »Ach, du meinst vielleicht meine französische Zwillingsschwester!?« Und ich erzählte ihm eine aufregende Geschichte von den Zwillingen, die als Babys getrennt wurden. Die eine, die mit dem Vater nach Frankreich ging und ich, die ich mit der Mutter in Deutschland blieb. Er schien nicht sehr überzeugt zu sein.

      Meine Mutter war es, die mich mal wieder rettete. Eigentlich wollte mich ja unser Heimleiter etwas auflaufen lassen und sich unwissend stellen, aber weder er, noch meine Mutter, brachten es letztendlich übers Herz, mich hängen zu lassen. So kamen sie dazu und bestätigten meine abenteuerliche Geschichte.

      Dann wurde der arme Junge des Hofes verwiesen und ich war vor einer Totalblamage gerettet.

       Nachbars Sohn

      Links die Schrankwand mit drei Büchern

      in der Mitte steht der Tisch

      dass die Sitzecke grad rumpasst

      die Plasteblumen sehen aus wie frisch

      wenn man Gläser nimmt, gibt’s Deckchen

      dass es keine Ränder macht

      und der Fernseher, der flimmert

      bis Vater irgendwann erwacht.

      Und draußen riechts nach Feuer

      man fiebert, da vibriert die Luft

      da ahnt man schon die Abenteuer

      und Frauen mit verruchtem Duft

      dahin geht manche Sehnsucht

      verliert sich in der Nacht

      ein Gutenachtkuss von Mama

      dann wird die Türe zugemacht.

      Morgens Müsli, für Vati Schinken

      der trinkt den Kaffee im Stehn

      zwei, drei Worte, wer was tun soll

      weil wir uns erst abends sehn

      Küsschen auf die linke Wange

      nicht, wie man’s aus Filmen kennt

      und man träumt von Marilyn Monroe

      die man erst noch Mama nennt

      RUMMELZEIT

      Anfang der 60er-Jahre zog ein Rummel auf den Arkonaplatz im Prenzlauer Berg. Meine Freundin Ev und ich mussten natürlich unbedingt hin. Nicht wegen des Kettenkarussells oder des kleinen Riesenrads, was wahrscheinlich extra klein gehalten war, damit man in der Höhe nicht über die bewachte Berliner Mauer gucken konnte. Aber das reizte uns sowieso weniger.

      Die Walzerbahn war es. Die Walzerbahn, bei der sich die Wagen auch noch um sich selbst drehten. Der Clou waren die dazugehörigen jungen Männer, die uns sehr beeindruckten, da sie während der Fahrt aufsprangen, kassierten und die einzelnen Wagen höchstpersönlich anschubsten. Die sahen fast alle auch noch gut aus, rochen nach Abenteuer, Reiselust und Verwegenheit. Was insofern komisch war, weil sich ihre Weltläufigkeit auf die Rummelplätze zwischen Suhl und Rügen beschränkte.

      Trotzdem reizte es uns, vielleicht um irgendetwas zu finden, was wir selbst nicht benennen konnten. Meine Mutter bat mich, nicht hinzugehen, zumal sie wusste, dass sich auf dem Rummel immer ein Pulk von jungen Männern traf, vor denen man sich als junges Mädchen in Acht nehmen sollte. Das überzeugte mich nicht. Ich versprach ihr trotzdem, mich ihrem Wunsch zu beugen. Aber die Versuchung war zu groß. So zogen meine Freundin und ich heimlich los.

      Obwohl wir Stunden damit verbracht hatten, uns schick zu machen, ignorierten uns die Jungs von der Walzerbahn. Stattdessen kamen jene Jungs, vor denen mich meine Mutter gewarnt hatte. Diese hatten zwar keine langen Haare, keinen Parka oder Jesuslatschen, damals für viele der Inbegriff der Anarchie. Sie machten durch ihr Auftreten Angst. Erst kamen ein paar dumme Sprüche, dann rückten sie schon als geschlossener Pulk näher an uns ran, mit anzüglichen Worten, denen wir noch nichts entgegenzusetzen hatten.

      Nun sahen meine Freundin Ev und ich nicht wie 13 aus und bemühten uns auch älter zu wirken. Man glaubte uns die 15/16 Jahre sicher. Als die Jungs mit ihren »Späßchen« nicht auf die erwartete Reaktion stießen, sondern auf unsichere Gegenwehr, wurden sie grob.

      Einer

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