Psychodelica. Patrik Knothe

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Psychodelica - Patrik Knothe

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er glich dem waldigen Gipfel

      Hoher Kettengebirge, der einsam vor allen emporsteigt.

      Ich hielt meine Hand schützend auf ihre aufgeschürften Knie und küsste sie auf die blutroten Lippen.

       XIX

      „Weißt du, dass du mich eben mit einem grässlichen Ungeheuer, einem Riesen, verglichen hast?“, fragte ich.

      Wir gingen Hand in Hand am See entlang und das Licht der Laternen spiegelte sich auf dem Wasser. Ein leichter Wind verwandelte den Widerschein in tausende, fröhlich tanzende Glühwürmchen. Beinahe wie die fliegenden Mücken meines Tricks.

      „Ach komm!“, erwiderte sie lachend. „Dafür, dass ich die Geschichte noch nicht gut kenne, war das gar nicht schlecht.“

      Ich blickte nach oben zu den funkelnden Sternen. War ich jemals glücklicher gewesen als heute? Der Himmel war plötzlich überall, selbst dort, wo sich eben noch die Wohnhäuser, Kirchen und Einkaufszentren der Stadt befunden hatten. Die wild verstreuten, grell strahlenden Fenster waren zu Sternen geworden. Die dunklen Mauern, Dächer und Schornsteine verschmolzen mit der Schwärze der Nacht. Gerade als ich überprüfen wollte, ob zumindest der Uferboden noch da war, wo er sein sollte, wurde die Stille von einem ohrenbetäubenden, tiefen Brüllen zerrissen. Erschrocken fuhr ich herum.

      Es war nicht mehr Rosa, die neben mir ging, sondern ein Löwe – riesig, gewaltig, mit wackelndem Schwanz und weit geöffnetem Maul, so dass seine fingerlangen Eckzähne aufblitzten. Seine Augen leuchteten in der Dunkelheit, doch war die Nacht so hell, dass immer wieder kurz ein Hauch von Bernstein in ihnen zu erkennen war. Seltsamerweise verschwand meine Furcht sofort, als ich sah, von wem das Brüllen gekommen war. „Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt“, hörte ich mich erleichtert zu dem Löwen sagen. „Du hättest mich wenigstens vorwarnen können, dass du gleich brüllst.“

      „Ich bin ein Löwe und muss niemanden vorwarnen, wenn ich brüllen will“, antwortete er und ich meinte, seine tiefe, angenehme Bariton-Stimme schon einmal irgendwo gehört zu haben.

      „Vielleicht hättest du es aus Höflichkeit tun können“, gab ich zurück.

      „Dann wäre aber der Überraschungseffekt verloren gegangen und auf den kommt es doch an! Ach, sei nicht wütend“, sagte er und streifte mich zärtlich mit seiner weichen Mähne. „Ich bin nun einmal ein Löwe.“

      „Ja, das sagtest du schon.“

      Ich senkte verwirrt den Blick und stellte zu meiner Überraschung fest, dass auch der Boden mit Sternen bedeckt war. Ich vermochte allerdings nicht zu erkennen, ob wir nun wirklich auf ihnen gingen oder sie – wie ihre Brüder und Schwestern am Himmel – Millionen Kilometer entfernt waren. Wenn aber Letzteres zutraf: Worauf gingen wir dann?

      „Wo ist Rosa?“, platze es aus mir heraus. „Was hast du mit ihr gemacht? Und wo sind wir eigentlich? Worauf gehen wir und was ist mit der Stadt geschehen?“

      „Nicht so viele Fragen auf einmal, junger Mann“, antwortete der Löwe, blieb stehen und gähnte ausgiebig. „Rosa ist nicht weg.“

      „Naja, aber offensichtlich ist sie auch nicht hier …“

      „Bist du da sicher?“

      „Wenn ich jemanden nicht sehen kann und keine Versteckmöglichkeiten vorhanden sind, dann ist er wohl auch nicht da, oder?“

      „Du bist ja ein ganz cleveres Bürschchen! Wenn du so weitermachst, bringst du es noch zum Schichtleiter beim Paketlieferdienst … Ich bin Rosa, du Schlaumeier!“

      „Und wo ist die Stadt?“

      Der Löwe brüllte laut und ich zuckte zusammen.

      „Meinst du, ich habe Lust, nur eine Stadt zu sein? Der Nachthimmel gefällt mir viel besser.“

      „So, so … In dem Fall bist du auch der durchsichtige Boden, auf dem wir gehen, wie?“, fragte ich und meine Stimme überschlug sich.

      „Werd’ nicht unverschämt! So einen Einstein wie dich muss ich doch nicht daran erinnern, dass ich ein Löwe bin und dich im Handumdrehen verschlingen kann.

      Und von welchem durchsichtigen Boden sprichst du? Wir sind in der Wüste …“

      Ich blickte erneut nach unten und sah, wie meine Schuhe zur Hälfte in feinem Sand versunken waren. Allerdings schien auch dies – ebenso wie der sprechende Löwe – ganz in der Ordnung zu sein. Ich bückte mich und strich mit der Hand durch die warmen, klitzekleinen Körnchen, die sich nun in unzähligen Dünen bis zum Horizont erstreckten.

      „Wie machst du das alles?“, fragte ich den Löwen.

      „Ich mache hier überhaupt nichts …“, antwortete er vielsagend.

      „Okay, gut“, erwiderte ich und meinte, endlich zu verstehen. „Kannst du auch wieder zu Rosa werden?“

      „Aber klar“, antwortete Rosas Stimme und prompt war es erneut die Bedienung des Café Bellezza, die neben mir lief, meine Hand nahm und mir mit der losgelösten Strähne im Gesicht zulächelte. „Vielleicht werde ich gleich zu einer Vampirfledermaus, einer griechischen Landschildkröte, einer Schneeeule oder einem Wolf. Die magst du doch alle, oder?“

      Ich brauchte ihr nicht zu antworten. Sie schien ohnehin alles über mich zu wissen. Während wir langsam durch den Sand schlenderten, zeichnete sich vor uns bald die Kontur einer Pyramide ab, deren Spitze hoch in den Himmel ragte.

      „Gehen wir dorthin?“, fragte ich.

      „Ja! Da liegt unser erstes Ziel. Wenn wir zeitig ankommen wollen, empfehle ich dir allerdings, mich nicht zu einer Schildkröte zu machen. Aber wir sollten uns auch so mal ein wenig ausruhen. Meine Ausdauer ist nicht viel besser als die des Löwen.“

      Mit dem Hintern voraus ließ sie sich in den weichen Sand fallen und stöhnte genüsslich.

      „Du bist doch den ganzen Tag auf den Beinen, wenn du eure Kunden bedienst“, erwiderte ich, als ich mich neben sie legte.

      Ich hatte völlig vergessen, dass es nicht Rosa war, mit der ich sprach.

      „Das mag sein“, antwortete sie. „Aber es gefällt dir doch ohnehin viel besser, neben mir im Sand zu liegen, nicht wahr? Von hier aus hat man auch die beste Aussicht auf die Pyramide während des Sonnenaufgangs.“

      „Aber bis dahin sind es noch Stunden!“

      „Was redest du denn da? Wir sind die ganze Nacht gelaufen! Außerdem gibt’s hier keine Zeit. Zumindest nicht so, wie sie dir bekannt ist. Jeden Augenblick müsste es hell werden.“

      Ich blickte nach der Pyramide und tatsächlich tauchte hinter ihr das erste Licht des Tages auf. Erst jetzt erkannte ich, dass der Gigant gar nicht aus Stein war, sondern durchsichtig, und nun, in der Morgensonne, zu einem gigantischen Prisma wurde. Rosa, vom Strahl beschienen, sah mit einem Mal aus, als sei sie mit Honig bestrichen worden. Tranceartig bewegte sie ihren Oberkörper hin und her und beobachtete kichernd meine fassungslose Miene, als ihr hübsches Gesicht allmählich von der goldgelben Färbung in eine orange überging.

      Die

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