Chris Owen - Die Wiedergeburt. Matthias Kluger

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Chris Owen - Die Wiedergeburt - Matthias Kluger

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denn was zu feiern?«, wollte der Alte wissen.

      »Unser Onkel aus Shenyang kommt zu Besuch.«

      »Ahhh, der Onkel. Da muss sicher ein großes Huhn her. Sieh dir dieses an. Fett und gerupft.« Er nahm von einer seitlich angebrachten Stange eine Henne vom Haken, indem er das Hakenende aus dem gestreckten Hals des Tieres zog. Flink wickelte er den Vogel in braunes Papier und legte ihn zur Seite. »Wie viele Fischköpfe will deine Mutter?«

      »Sechs, hat sie gesagt.«

      Ohne zu zögern, tauchte der Weißhaarige mit seinen knorrigen Fingern durch den Schwarm Fliegen hindurch in die Tonne und legte einen abgetrennten Kopf nach dem anderen auf ein weiteres braunes Papier. »Dann sagt eurer Mutter einen Gruß von mir.« Er reichte ihnen die beiden Pakete und Lien war bedacht, das Huhn zu greifen. Eh schon eklig genug!

      Tian wühlte die Käsch aus seiner Hosentasche und bezahlte den Händler. Der Alte lächelte, griff nach der Hand von Tian und legte einen der Kupfer-Käsch zurück. Blinzelnd flüsterte er: »Nicht verraten.«

      Freudestrahlend zeigte Tian seiner Schwester den Käsch, als sie um die Ecke bogen. Jetzt konnten sie auf dem Markt noch jene Plätzchen kaufen, die zuckersüß nach Honig schmeckten.

      Yazhen, der Fisch- und Fleischhändler, hatte bereits als kleiner Junge an diesem Stand geholfen und führte, nachdem sein Vater verstorben war, die Tradition des Händlers fort. Es war ein geruhsames Leben, das nun schon über siebzig Jahre währte. Zur Morgendämmerung begann er, die gelieferten Fische auszunehmen und die gerupften Hühner sowie anderes Getier appetitlich zu präsentieren. Appetitlich hieß in diesem Zusammenhang, es auf einen Haken zu hängen oder frisch auf dem Standtisch zu platzieren. Andere Tiere, wie Shrimps, Seeschlangen oder Krebse, aber auch Algen, lagerten in Fässern. Nach hinten war die Marktbude durch einen bunten Vorhang abgetrennt. Von außen nicht zu sehen, befanden sich dort eine kleine Feuerstelle sowie ein Bastteppich.

      Hier genoss es Yazhen, nach getaner Arbeit des Morgens den ersten Tee aufzugießen. Er schmunzelte zufrieden, bereits vor Beginn des eigentlichen Markttreibens ein Huhn verkauft zu haben, als er den Vorhang zur Seite schob. Zu seiner Verwunderung saß im Hinterzimmer ein Mann, ganz in Schwarz gekleidet, den Blick auf den Boden gerichtet.

      »Was machen Sie hier? Wer sind Sie?«, fragte Yazhen verwundert, gleichermaßen ängstlich, denn es wäre ihm doch aufgefallen, hätte jemand den Privatraum betreten.

      Ohne aufzublicken, wies der Fremde Yazhen mit einer Handbewegung an, sich zu setzen. Zögernd kniete sich der Händler gegenüber dem schwarz Bekleideten auf den Bastteppich.

      »Was wollen Sie hier?«

      »Du bist ein alter Mann, Yazhen. Ohne Kinder, ohne Familie. Und du bist reinen Glaubens«, antwortete der Fremde frei jeder Betonung und jedes Akzentes.

      »Woher kennen Sie meinen Namen? Ich kenne Sie nicht!«

      Jetzt hob der Fremde den Kopf – gerade so weit, dass Yazhen in dessen Augen blicken konnte. Es waren dunkle, kalte Augen, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. Yazhens Unwohlsein wich der Panik, die in ihm hochstieg.

      »Die Zeit ist gekommen. Es hat begonnen.«

      Von der eisigen Musterung des Fremden schien Yazhen wie gelähmt. »Welche Zeit?«

      »Deine und die der Menschen.«

      Tiefgläubig ahnte Yazhen plötzlich, wer da vor ihm saß. Doch – war dies möglich?

      Mit zittriger Stimme flüsterte der Chinese: »Bist du der Tod?«

      Der Fremde senkte wieder den Kopf. »Fürchtest du dich vor dem Tod, Yazhen?«

      Fürchten?, dachte dieser. Mehr als das! Die Panik ließ ihn am ganzen Körper zittern, wodurch er außerstande war, auf die Frage eine Antwort zu geben. Imaginäre Hände umschlangen seine Kehle und drückten zu.

      »Nein, ich bin nicht der Tod, den du fürchtest. Ich bin einer der Tode, welche die Menschheit zu fürchten hat. Und du wirst mein Zeuge sein. Mein Zeuge vor Thron, dass ich das Siegel gebrochen habe.« Kaum hatte der Unbekannte die Worte gesprochen, zog er eine Schriftrolle hervor, die durch ein rotes Kerzensiegel zusammengehalten wurde.

      »Was ist das?«, krächzte der Chinese, während Tränen in seinen dünnen, ausgeblichenen Bart sickerten.

      »Sieh, wie ich das Siegel breche; der Schwarze Engel, der Schwarze Reiter, jener, der euch hungern lässt!«

      Gebannt blickten die schlitzförmigen Augen auf die Hände des Mannes, als das Siegel brach. Nur Yazhen konnte das Donnern vernehmen, als Bruchstücke des roten Kerzenwachses auf den Bastteppich fielen. Beide Hände an die Ohren gepresst, begann Yazhen laut zu schreien. Doch niemand hörte ihn.

      Es dauerte nicht lange, bis sich Kunden bei Xia über den üblen Gestank am Nebenstand beschwerten und nach Yazhen fragten. Also beschloss sie nachzusehen. Nicht, dass der Alte über seinem Tee eingeschlafen war.

      »Yazhen, bist du da?«

      Xia schlug vergebens mit den Händen, um Tausende Mücken zu vertreiben, die sich an verwesten Hühnerkadavern, stinkendem Fisch sowie an undefinierbaren, mit Schimmel überzogenen Schleimmassen der Tonnen labten. Stechender, verwesender Geruch umgab Xia, was sie die Linke vor die Nase halten ließ. Schwungvoll warf sie den Vorhang zur Seite, als ihr Herzschlag für Sekunden aussetzte. Sobald sie begriff, begann sie zu wimmern. Das Wimmern mündete in lautes Schreien und wenige Augenblicke später säumten viele Neugierige mit Tüchern vor den Nasen den Stand von Yazhen. Dieser kniete aufrecht am Boden, beide Hände an die Ohren gepresst, Mund und Augen weit aufgerissen. Aber war es tatsächlich Yazhen, der da mysteriös kauerte? Das Gesicht, der ganze Körper waren ausgezehrt – nur eine graufahle Haut überzog sein Gerippe und glich der einer ausgedörrten Mumie. Die hervorgetretenen Wangenknochen ließen die aufgerissenen Augen groß und ängstlich erscheinen. Gegenüber von Yazhen staubte ein noch glimmender Aschehaufen.

       Kapitel 6: Besuch am Grab

       Washington, D. C., Dezember 2015

      Schon zeitig am Morgen standen Fredrik und Olivia an der Tür. Sandra öffnete mit Meira auf dem Arm ihren Schwiegereltern und nach den Begrüßungsküsschen gingen sie zu viert in die Küche.

      »Die anderen schlafen noch. Wollt ihr vorab einen Kaffee?«

      »Danke, Sandra. Ich hoffe, wir sind nicht zu früh?«, fragte Olivia etwas unsicher.

      »Nein, nein, gar nicht, dann haben wir was vom Tag. Ihr könnt gleich mit dem Frühstück helfen. Fredrik, holst du bitte den Karton Orangen aus der Speisekammer und presst sie aus?«

      Fredrik lief zur seitlichen Kammer, während Olivia lächelnd Sandra betrachtete. »Du siehst gut aus.«

      »Es geht mir auch gut, Olivia.«

      »Keine Übelkeit durch die Schwangerschaft?«

      »Nichts dergleichen, mir geht es richtig blendend. Nächste Woche bin ich wieder zur Voruntersuchung – scheint alles in bester Ordnung zu sein.«

      »Wunderbar. Wir freuen uns schon so auf den Nachwuchs.«

      »Und wie«,

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