Die Kleinen sind die Feinen. Otfried Schröck

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Die Kleinen sind die Feinen - Otfried Schröck

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dem nahenden Vollmond nicht verstänkern. So komme ich auf die Idee, mir das starke Kalb auf den Rücken zu laden und es quer über den bereits geschälten Acker mindestens 300 Meter weit bis zu meinem Moped zu tragen. Bereits nach der Hälfte der Strecke bin ich fix und fertig. Ich ahne aber, dass ich das Stück wohl nicht mehr auf den Rücken bekommen werde, wenn ich es erst einmal abgelegt habe. So bleibt mir nichts anderes übrig, als eine Weile stehend zu verschnaufen und mich den Rest des Weges zu quälen. Am Moped angekommen, lasse ich das Kalb vom Rücken gleiten. Gefühlt eine viertel Stunde brauche ich, um wieder zur mir zu kommen.

      Am nächsten Abend sitze ich wieder in meinem Birnbaum und hoffe auf Anblick. Der Mond ist schon lange am Himmel, als gegen Mitternacht vom Wald aus kommend ein einzelnes Stück Schwarzwild auf den Mais zuwechselt. Auf den Schuss hin ruckt es deutlich sichtbar zusammen, um dann mit immer kürzer werdenden Fluchten den Wald anzunehmen. Eine Nachsuche noch am selben Abend verbietet sich allein schon deshalb, weil das Stück über die nahegelegene Grenze in das Nachbarrevier geflüchtet ist. Damals gab es noch keine Handys und ich muss ohnehin erst nach Hause, um den zuständigen Jagdleiter zu informieren. Da ich an einem Sonntag nicht in aller Herrgottsfrühe dort anrufen will, fahre ich zunächst am frühen Morgen gemeinsam mit meiner Mutter ins Revier. Bei bereits gutem Licht untersuchen wir den Anschuss. Die Pirschzeichen deuten auf einen Weidwundschuss hin. Ich lege Strolch zur Fährte und er führt uns sicher bis an die Grenze zum Nachbarrevier. Nun ist erst einmal Schluss mit unserer Suche. Meine Mutter bleibt zurück und ich fahre ins nächste Dorf, wo der Jagdleiter wohnt. Nach längerem Klingeln und Klopfen erscheint er schlaftrunken am Fenster und gibt mir sein Einverständnis für die weitere Nachsuche. Bald bin ich zurück und nun geht es auf der Wundfährte zügig weiter. Nach kaum mehr als 100 Metern bricht das schwer-kranke Stück aus einem Ginstergebüsch vor uns hoch und es gelingt mir, den Fangschuss anzubringen.

      Es läuft mir noch heute kalt den Rücken hinunter, wenn ich an diese Nachsuchen denke. Wir waren zwar immer zu zweit, aber mit dem Mut der Unerfahrenen haben wir, meine Mutter und ich, uns mehrmals in unnötige Gefahr gebracht. Doch es war nicht leicht, damals einen Hundeführer mit einem firmen Hund und der erforderlichen Zeit zur Nachsuche zu bekommen. Andererseits war es für uns selbstverständlich, die Nachsuche sobald wie möglich zu beginnen.

      Strolch war auf all meinen Pirschgängen und Ansitzen dabei. Er war für mich ein zuverlässiger und angenehmer Begleiter und hat mir nie Sorgen bereitet. Im Gegensatz zu seinen Nachfolgern ist er mir auch nie abhanden gekommen.

       UTZ VOM EICHHOF

       Wir kommen auf den Hund

      In den Jagdgesellschaften hatte die Zucht und Haltung leistungsgeprüfter Jagdhunde inzwischen einen hohen Stellenwert erlangt. Jeder Jäger, der die Möglichkeit zur Haltung eines Jagdhundes hatte, wurde dazu angeregt, sich Gedanken über den Erwerb eines Hundes zu machen. Meine Eltern holten sich aus dem renommierten Rauhaarteckelzwinger „vom Eichhof“ einen Rüden und später dann noch eine Hündin. Bei vielen Gelegenheiten konnte ich mich von den jagdlichen Leistungen der Teckel überzeugen. Meine sehr tierliebe Frau brauchte ich nicht zu überreden und so kam es, dass ich mir bei einem längeren Bildungsaufenthalt in Beeskow, wo der Zwinger beheimatet war, bei vielen Besuchen einen Welpen aussuchen konnte.

      „Die Kleinen sind die Feinen“ sagte mir die Züchterin Lieselotte Eichhoff und ich wählte einen dunkelsaufarbenen zierlichen, aber putzmunteren Rüden aus. Einen Namen durften wir selbst auswählen und da er im „U“-Wurf gewölft worden war, nannten wir unseren ersten zukünftigen Jagdhund „Utz“ oder richtiger „Utz vom Eichhof“.

       Lieselotte Eichoff, von allen liebevoll Tante Lotte genannt

      Nach Abschluss meiner Weiterbildung brachte ich den Welpen stolz mit nach Hause. Da wir zur Miete wohnten und keine Möglichkeiten für den Bau eines Zwingers bestanden, bekam er seine Wohnung unter einer Truheneckbank in unserer Küche. Dieses spartanische, aber praktische Möbel der 1960-er Jahre hatte unter beiden Sitzflächen jeweils ein Fach, das nach dem Hochklappen der Sitzfläche zugänglich war. Den Boden eines Faches nahm ich heraus und baute aus Hartfaserplatten und Leisten eine Kiste, die genau unter die Eckbank passte. So hatte der Hund durch eine Öffnung in der Stirnseite den ganzen Raum unter Kontrolle und wir konnten, ohne selbst auf dem Bauch zu liegen, seine Schlafdecke und mancherlei Kinderspielzeug aus seiner Hütte herausholen. Diese Hütte diente uns später als Krankenkiste; sie wird noch eine Rolle in einem weiteren interessanten Erlebnis mit Utz spielen.

      Von unserer Jagdgesellschaft bekam ich einen zinslosen Kredit in Höhe von 100,00 DDR-Mark, das waren 50 % des Kaufpreises, für drei Jahre unter der Bedingung zur Verfügung gestellt, dass ich den Hund ordentlich führen, ausbilden und zu den erforderlichen Prüfungen führen würde. Innerhalb von drei Jahren musste der Hund auf einer Prüfung das Prädikat „Leistungsgeprüfter Jagdgebrauchshund“ erworben haben, andernfalls hätte der Kredit zurück gezahlt werden müssen.

      Der Rüde gedieh prächtig und zeigte bereits früh seine Anlagen. Den ersten Hasen fand er mit kaum neun Monaten und war sofort spurlaut. Die Schärfeprüfung bestand er mit 15 Monaten und die Vollgebrauchsprüfung mit 18 Monaten jeweils im II. Preis. Die Bewertung mit 365 Punkten bei der GP brachte ihm die damals noch übliche Auszeichnung „Gebrauchssieger“ ein. Auch die Unerfahrenheit seines Führers konnte an der guten Bewertung, z.B. beim Spurlaut, nichts ändern. Das Fach „Hasenspur“ wurde in der Spreeniederung geprüft. Hasen gab es dort genug, aber eine weiträumige Arbeit konnten die Richter aufgrund der Geländebedingungen nicht beurteilen. Sie mussten sich auf den Laut verlassen, denn die Hasen waren meist kurz nach dem Ansetzen des Hundes hinter einer Biegung des Flusses verschwunden. Zwischen mir und meinem Nachbarn ging plötzlich ein Hase nach hinten los und ich rief aufgeregt „Hase“. Hasen, die sich rückwärts verabschieden, sind für den Hund meist nicht ganz unproblematisch und man tut als Führer am besten so, als ob man den Meister Lampe nicht bemerkt hätte. Natürlich bekam Utz diesen Hasen und ich setzte ihn auf der Spur an. Sofort ertönte sein heller Laut und bald war er hinter einer größeren Gebüschgruppe verschwunden, tauchte gleich darauf aber wieder auf und wurde von einem Kiebitzschwarm regelrecht attackiert. Die Vögel hatten ihren Spaß mit ihm. Das hielt ihn aber nicht davon ab, den Hasen weiter mit anhaltendem Laut zu verfolgen, worauf er mit der Höchstnote bewertet wurde. Gute Noten für einen Rauhaarteckel in unserer Region zu bekommen, war damals nicht ganz leicht, da das Prüfungsgeschehen derzeit durch eine Familie dominiert wurde, die Langhaarteckel züchtete. Doch noch während der Prüfung legten mir die Richter nahe, mit „Utz“ nach Möglichkeit zu züchten.

      Mit dem Entschluss, im eigenen Zwinger zu züchten, ließen wir uns aber noch drei Jahre Zeit. An unserem damaligen Wohnort hatten wir nicht die Bedingungen, die für die Zucht und eine sachgerechte Haltung von mehreren Hunden erforderlich waren.

      Jetzt wollte ich erst einmal den Lohn für die Mühen der Ausbildung ernten und freute mich auf das gemeinsame Jagen mit meinem Hund. Mit dem Umzug an meinen neuen Arbeitsort Müncheberg hatte ich dafür nun auch viel mehr Zeit und Möglichkeiten für die Jagd zur Verfügung.

      Seit mehr als 40 Jahren jage ich überwiegend in einem kleinen Revierteil von kaum mehr als 80 Hektar in einem Niedermoor-Gebiet am Rande der Märkischen Schweiz. Es liegt in einem Urstromtal, das eine Breite von höchstens einem Kilometer hat und sich auf rund 15 Kilometer Länge in südwestlicher Richtung erstreckt. Es beginnt südlich meines Heimatortes Waldsieversdorf und endet an der Bundesstraße 1 bei der Ortschaft Heidekrug. Dieses „Rotes Luch“ genannte Urstromtal wird in der Mitte auf seiner gesamten Länge vom Stöbber durchflossen,

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