Unscheinbarkeiten. Dorothea Seth-Blendinger

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Unscheinbarkeiten - Dorothea Seth-Blendinger

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kostbares Geschmeide. Sie war ein Goldfisch, ein echter Goldfisch!

      Trotz aller Verliebtheit und Selbstverliebtheit stellte sich doch bei dem kleinen Fischchen nach einer Weile der Hunger ein. Richtig, das Zuckertütchen! Das hatte es ganz vergessen. Eilig schlüpfte es wieder aus seiner Bodenritze hervor und steuerte das Waschbecken an. Zu seinem großen Ärger konnte es schon von weitem die dusselige Assel mit ihren kurzen Beinchen hin und her wackeln sehen. Aber was war das? Nur noch ein paar Papierschnipsel und wenige lächerliche Krümelchen waren zu sehen!

      Ha! Wütend schnellte das Fischchen nach vorne und stellte die Assel zur Rede: „Hey, du Fettwanst! Das ist mein Zuckertütchen! Ich habe es zuerst entdeckt!“ Die Assel lutschte genüsslich an einem Zuckerstückchen, drehte sich kurz um und betrachtete das Silberfischchen abschätzig: „Reg dich ab, du Strich! Der Kakerlak hat fast alles aufgefressen. Nur die paar Bröckchen sind noch übrig.“ Sie kaute seelenruhig weiter, ohne sich um das aufgeregt hin- und her rutschende Silberfischchen zu kümmern. „Pah, ich verzichte freiwillig! Ich will schließlich nicht so fett werden wie du!“, rief das Fischchen hochnäsig.

      Dann rauschte es ab, nicht ohne im Vorüberhuschen sein Konterfei in der messingfarbenen Türleiste zu begutachten. Ja, ein goldener Glanz war es! Wieder zu Hause angekommen schleckte es jedoch mit Hingabe die winzigen Zuckerstückchen auf, die sich auf seinem Bauch verfangen hatten. Der Fuß! Wann würde er wiederkommen? Mit diesem Gedanken schlief das Silberfischmädchen ein – nach einem langen ereignisreichen Tag. Im Traum tanzte sie mit dem Fuß durch das Badezimmer. Aus dem Silberfischchen war ein großer prächtig glänzender Goldfisch geworden. Alle bewunderten sie wegen ihrer Schönheit und Eleganz.

       Die Assel

      Die Assel mümmelte weiter vor sich hin. Eigentlich war ihr Verlangen nach Zucker schon gestillt, aber sie hatte sich so über die Zickigkeit des Silberfischchens geärgert, dass sie nun – erst Recht! – auch die letzten Krümel vertilgte.

      Der Rücken schmerzte heute wieder fürchterlich und diese Krabbelei von der Speisekammer ins Bad machte es auch nicht besser. Die Assel streckte ihre vierzehn kurzen Beinchen aus und schüttelte sie der Reihe nach durch. Ja, das tat gut! Jetzt war es schon besser.

      Dieser unverschämte eingebildete Silberfisch! Er hatte sie „fett“ genannt! Die Assel wippte mit ihrem fülligen grauen Körper hin und her und klapperte dabei mit ihrem Rückenpanzer. Die Sache mit der Spinne gefiel ihr gar nicht. Nicht nur, dass sie sich jeden Morgen hier hoch schleppen musste. Sie fürchtete auch, dass der Präsident Wind von der ganzen Sache bekommen würde. Die Spinne wäre dabei fein raus, denn sie kann sich jederzeit in ihr Netz hoch oben an der Decke des Badezimmers verkriechen.

      „Der Präsident“ – das war der Kakerlak.

      Lustlos lutschte die Assel ein paar Erdklümpchen auf, die sich in den Fugen zwischen den Bodenfliesen sammelten.3

      Je länger sie über ihren „Spezialauftrag“ – wie es die Spinne nannte – nachdachte, desto ängstlicher und mutloser fühlte sie sich. Sie stützte ihren fülligen Körper auf den sieben Beinchen ihrer linken Seite ab. Was konnte sie nur tun? Irgendwann würde es der Kakerlak bemerken, dass sie ihn ausspionierte – und das würde ein furchtbares Ende nehmen, dessen war sie sich sicher. Da würde es ihr auch nichts mehr nützen, sich einfach totzustellen.4

      Ein leises zischendes „Naaaaaaaa?“ schreckte die Assel aus ihren trüben Gedanken.

      Die Spinne hatte sich unbemerkt an einem langen dünnen Faden von der Decke herabgelassen und war nun direkt vor der Assel zum Stehen gekommen. Mit ihren schwarz-glänzenden undurchdringlichen Augen musterte sie die Assel, die vor Schreck sofort ein paar Schritte nach hinten taumelte und dabei sieben ihrer vierzehn Beine verhakte. „Was hast du mir zu berichten vom Kakerlak?“ Dabei tätschelte sie die Spinne mit einem ihren langen schwarzen Beine am Kopf. Der Assel lief es eiskalt den Rücken hinunter. „Ich, ich …“, stotterte sie.

      Die Spinne kicherte ein wenig als sie die Angst der kleinen Assel bemerkte: „Hey, ich fress’ dich schon nicht! Also los, erzähl!“ Die Assel nickte tapfer: „Ok, Boss!“ Sie senkte ihre Stimme und berichtete kaum hörbar, was sie beobachtet hatte.

      Die Spinne fixierte sie währenddessen ununterbrochen aus dunklen unheimlichen Augen. Vier Beine hielt sie wie Mikrofone der Assel entgegengestreckt. Mit den anderen vier zog sie beiläufig an einem Faden, an dem eine nicht erkennbare, dicht eingesponnene Beute aufgehängt war.

      Die Spinne war die graue Eminenz im Haus. Alle respektierten sie und viele fürchteten sich auch vor ihr. Sie verfügte über ein weitreichendes Netz an Informationen und hielt stets die Fäden in der Hand.

      Sie hatte ihre Kommandozentrale, gut verborgen, hinter dem hohen Badezimmerschrank. Von dort aus konnte sie das ganze Geschehen überblicken und blieb doch selbst unsichtbar.

      „Und dann … dann … hat er gesagt, dass er der Präsident und der Boss ist und dass alle ihm gehorchen müssen. Wer sich gegen ihn stellt, das hat er auch noch gesagt, den würde er … würde er … auffressen!“

      Die Assel beendete ihren Bericht mit zitternder Stimme. Die Spinne fuchtelte mit ihren vorderen zwei Beinen wild in der Luft. Es sah aus wie Schattenboxen.

      Dann sagte sie mit leiser Stimme: „Ich werde sie den Kakerlak schon noch lehren, die Arachnophobie !5 “ „Karacho … was?“, fragte die Assel mit forscher Stimme. Sie fühlte sich nun sicherer als vorhin, fast als Komplizin der Spinne. Was würde denn die Spinne ohne sie tun? Woher bekäme sie sonst ihre Informationen?

      Die Spinne zerstörte mit einem einzigen Satz die rosige Illusion der Assel. „Arachnophobie, das ist … Ach, vergiss es! Du bist sowieso zu dusselig, um das zu verstehen!

      Und vermassel gefälligst nicht wieder alles!“

      Sie schwang sich mit einem Ruck an ihrem Faden nach oben in ihr sicheres Netz und wertete in Ruhe die neuen Informationen aus.

      Die Assel blieb beleidigt am Boden sitzen. Plötzlich schmerzte der Rücken wieder. Sie machte sich auf den Rückweg, quetschte sich unter der Estrichleiste durch und krabbelte so schnell es ging in die Speisekammer.

      Dort lag unter dem Regal noch diese leckere Kartoffel. Sie fraß sich in die Kartoffel hinein und fraß und fraß und fraß - bis sie unvermittelt vor Erschöpfung einschlief und mitten in der Kartoffel liegen blieb.6

      Was die Assel nicht wusste war, dass sie die ganze Zeit über im Bad vom Ohrwurm beobachtet wurde. Er hielt sich unter dem Schrank versteckt und himmelte sie an. Der Ohrwurm hatte auch mitbekommen, wie schlecht die Spinne die kleine Assel behandelt hatte.

      Er würde für sie herausfinden, was Arachnophobie bedeutet. Das würde ihr sicher imponieren und sie würde ihn endlich als das wahrnehmen was er war: ihr größter Verehrer! Die Spinne betrachtete von ihrem Netz aus die Assel, wie sie mit unbeholfenen Schrittchen hinausspazierte. Ihr Netz! Einerseits ihr größter Schutz, aber auch ihr größter Hemmschuh. Sie war einfach nicht so mobil wie die anderen. Von daher konnte sie nicht alles selber regeln, obwohl ihr das am liebsten gewesen wäre. Sie brauchte diese kleinen Nichtsnutze, um ihre Pläne in die Tat umzusetzen. Zum Beispiel diese dusselige Assel! Sie sollte

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