Unscheinbarkeiten. Dorothea Seth-Blendinger

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Unscheinbarkeiten - Dorothea Seth-Blendinger

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zu verwenden – die Spinne sinnierte: Ja, das könnte funktionieren! Denn jemand, der einen anderen verspeiste, würde wohl von niemandem zum Präsident gewählt werden. So uneins und streitlustig auch alle Unscheinbarkeiten waren – da hielten sie zusammen!

      Zufrieden wippte sie hin und her, strich sich über ihre acht Beine und machte sich dann an ihr Abendessen – eine schon seit Stunden im Netz hängende kleine Mücke. Sie wollte ja nicht zum Präsident gewählt werden. Diese ganze Präsidenten-Sache war doch letztlich reine Panikmache. Die Spinne saugte genüsslich an ihrer Beute, während sie nachdachte. Gut, jeder von ihnen hatte wohl schon mal eine mehr oder weniger glimpflich verlaufende Begegnung mit den Bewohnern hinter sich – und einige waren dabei leider auf der Strecke geblieben. Aber sich gegen die Bewohner zu organisieren, das konnte doch nie klappen. Man musste ihnen eben aus dem Weg gehen. So einfach war das! Das musste die Spinne dem Kakerlak lassen: er hatte geschickt die Situation ausgenutzt und dieses Präsidenten-Ding auf den Plan gebracht. Als ob er etwas gegen die Bewohner ausrichten könnte – lächerlich! Sicher wieder so was Amerikanisches – davon erzählte der Kerl ja den lieben langen Tag. Jedenfalls musste man ihn gut im Auge behalten. Ihr konnte man so schnell nichts vormachen.

      Gesättigt zog sich die Spinne in die Tiefen ihres Netzes zurück. Die Assel jedoch fand in ihrem Kartoffelbett keinen ruhigen Schlaf. Von schlimmen Alpträumen geplagt schreckte sie immer wieder hoch.7

       Der Ohrwurm

      Wenn er nur endlich den Mut fassen würde, der kleinen Assel zu sagen, wie toll er sie fand. Wie niedlich sie war, wenn sie sich über ihren Rückenpanzer strich und mit ihren kleinen Beinchen strampelte.

      Der Ohrwurm klapperte mit seinen Zangen und sichtete seine Besitzstände.

      Seine kleine Behausung in den Bodendielen der Speisekammer war vollgestopft mit allem Möglichen: ein Krümel Brot, Papierschnipsel, ein Ameisenbein, ein Holzsplitter, ein kleines glänzendes Stückchen Alufolie, eine verschrumpelte Traube, eine tote Blattlaus, ein Wollfussel. Der Ohrwurm war zwanghafter Sammler. Nichts konnte er liegen lassen oder loslassen. Alles musste er mitschleppen und aufheben.

      Ob sich die Assel über einen kleinen leckeren Happen freuen würde? Wo war sie überhaupt? Er hatte sie heute noch gar nicht gesehen. Der Ohrwurm schnupperte an einem Bröckchen Käse, das er vor ein paar Tagen auf dem Küchenboden gefunden hatte. Ja, er würde der Assel dieses Käsestückchen schenken und dann würde er ihr sagen, was Arachnophobie bedeutet und dann würde er …

      Ein schrilles „Hey, Messie!“ riss ihn aus seinen träumerischen Gedanken. Unwirsch lugte der Ohrwurm aus seinem Versteck hervor. Die Stubenfliege! Die hat ihm gerade noch gefehlt! Krankhaft neugierig – ja, das war sie! Eine Frechheit, ihn Messie zu nennen! Wer sich wohl das wieder ausgedacht hatte! Die gute Laune des Ohrwurms war wie weggeblasen.

      „Was ich dich schon immer mal fragen wollte“, setzte die Stubenfliege erneut an und saugte hektisch mit ihrem Rüssel einen winzig kleinen Wassertropfen vom Holzboden auf, „warum heißt du eigentlich Ohr-Wurm?8 Du siehst gar nicht aus wie ein Wurm und Ohren hast du auch keine!“

      Laut brummend drehte sie hektisch ein paar Runden über dem Ohrwurm, ohne auf eine Antwort von ihm zu warten. Dann schwirrte sie kichernd Richtung Tür davon. „He, warte!“ rief der Ohrwurm, „warte doch mal!“

      Ihm war gerade eben eingefallen, die Stubenfliege nach der Bedeutung des Wortes Arachnophobie zu fragen. Die kam doch viel herum! Doch zu spät! Schon war sie weg!

      Verärgert und enttäuscht zog sich der Ohrwurm mit dem unpassenden Namen tief in sein Refugium zurück.

      Ja, sie würden ihn vermissen, wenn er nie mehr auftauchen würde. Sie würden sich alle fragen, was mit ihm passiert sei und die kleine Assel würde

      sicher sehr traurig sein.

      Er beschloss, sich einfach nicht mehr blicken zu lassen – vor allem nicht im Bad, wo dieses wichtigtuerische Silberfischchen lebte. Eines Tages würde es ihm nicht mehr entwischen können – das war sicher! Trotz Ärger und Wut stellte sich nach kurzer Zeit beim Ohrwurm ein kleiner Hunger ein. Glücklicherweise war wenigstens seine Vorratskammer gut gefüllt. Zielsicher angelte sich der Ohrwurm das Ameisenbein und biss herzhaft hinein.

      Es war knusprig und kross und schmeckte leicht säuerlich, gerade so wie er es liebte.

      Plötzlich schreckte ihn ein tiefes Beben und Grollen auf. Das hörte sich so an, als ob Hunderte von wild gewordenen Hornissen über ihm kreisten. Dieses beunruhigende Geräusch kam näher und näher. Seine Flügel begannen zu zittern und er spürte ein gewaltiges Brausen.

      Voller Panik flüchtete der Ohrwurm so tief er konnte in sein Labyrinth unter den Bodendielen. Selbst an diesem verborgenen Platz fühlte er noch einen unheimlichen Sog.

      Er krallte sich mit seinen kräftigen Zangen im Holz fest und verharrte so eine ganze Weile – bis das Tosen und Toben endlich vorüber war.

      Erst nach Stunden wagte sich der Ohrwurm wieder weiter nach oben – in seine Vorratskammer.

      Doch die war vollkommen leer! Alles war weg: der Wollfussel, die tote Blattlaus, das Stückchen Käse für die Assel. Seine ganzen Vorräte waren einfach verschwunden. Der Staubsauger hatte gründliche Arbeit geleistet.

       Der Bücherskorpion

      Die jüngsten Erlebnisse hatten den Ohrwurm in eine tiefe Krise gestürzt. Er hatte nicht nur seine gesammelten Schätze verloren, auch die Assel – in die er unsterblich verliebt war – hatte er seit Tagen nicht mehr zu Gesicht bekommen. So beschloss der Ohrwurm sich auf den Weg zu machen, um endlich herauszufinden, was „Arachnophobie“ bedeutete.

      Dies schien ihm die letzte sinnvolle Aufgabe, die ihm geblieben war. Er wartete ab, bis es endlich dunkel war, dann zog er los.

      Der Bücherskorpion9 lebte ein beschauliches Leben im Bücherregal. Nur selten verließ er seinen Lebensraum, denn hier hatte er alles, was er brauchte.

      Er machte Jagd auf Bücherläuse und Milben – wahre Leckerbissen, die er zwischen den vergilbten Seiten längst vergessener Bücher fand. Er betäubte seine Beute mit einer Giftinjektion aus seinen Scheren, bevor er sie aussagte. Und so verleibte er sich nicht nur unzählige Milben und Bücherläuse ein sondern auch das gesammelte Wissen des 52-bändigen „Meyers Konversationslexikon“.

      Zwei Regalfächer weiter hauste das Bücherskorpionweibchen. Sie war eine Poetin, weswegen sie immer gerne in Lyrikbänden herumschlenderte. Sie behauptete sogar, die Milben

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