Im Nebel kein Wort. Frank Hebben

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Im Nebel kein Wort - Frank Hebben

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      Nichts und.

      Am nächsten Tag waren die Kämpfe vorbei: Kein Gewehr funktionierte, kein Geschoss; kein Flugzeug kam vom Boden weg – kein Tank, kein Laster rollte. Auch die Gaskartuschen blieben zu. Mit dem Bajonett, mit dem Messer, mit dem Säbel konnten sie nicht mehr aufeinander losgehen, es war wie eine spontane Schüttellähmung; sie standen da, zum Angriff bereit, und rührten sich nicht von der Stelle.

      Ihre Stimme am Ohr, leise und warm, gar nicht wie sonst, sie erzählt, während Lilja in den Schlaf hinübergleitet, noch traumlos, noch schwarz; aber dann, eine Blase, die zur Oberfläche steigt, tritt der Kristall aus dunkler Tiefe, und in seinen Facetten flackern Szenen des Weltkriegs als Filme auf der Leinwand eines Lichtspielhauses: Sie sitzt vorn, in erster Reihe, schaut hin, während das Klavier klimpernd dröhnt — und sieht den Zug kommen. Dann die Kranken und Verletzten, von den Lastern gezogen wie Brote aus dem Ofen; und wie sie an den Leibern nähen und schneidern wie an Stoff. Blut, Dreck. Wolken. Himmel. Und über allem die Sterne …

      Wacht auf.

      Schläft wieder ein.

      Der Mond steht tief und fahle Wolken. Am Feuer, am Dreibein, von dem eine Kochkette mit dem Topf runterhängt, brockt Dostya die letzten Brotkrumen in eine Suppe ein, gibt Salz hinzu, etwas Zucker, etwas Schmalz – rührt um, hebt den Löffel zum Mund; pustet und probiert: Schmeckt! Sie zieht eine Blechtasse durch den Brei, streckt sie ihr hin. Noch Kümmel rein und ein Starkbier, seufzt sie, dann wär’s richtig lecker …

      Schade drum. Lilja greift nach der Tasse.

      Was meinst du, Kind?

      Ich hatte eins. Hab’s ausgetrunken.

      Im Morgengrauen treten sie das Feuer aus, werfen Erde drauf, bis die letzte Glut erstickt ist und legen alle Grassoden zurück an ihren Platz — erst danach schnallt Dostya den Rucksack auf, trägt erneut die eingerollte Zeltbahn, das Kochgeschirr, Jagdmesser, Gabel und Löffel; einen geschärften Klappspaten, die kleine, die große Decke; eine Zunderbüchse und den Feuerschwamm, das Taschentuch, den leeren Brotbeutel; die wenigen Gewürze, eine lindgrüne Schmalzdose mit Scharnier und Schloss, die innen emailliert ist; einen Angelhaken mit Schnur; eine Kernseife im Waschlappen und das Handtuch; fünf Binden aus Verbandsresten, das Unterzeug, Socken, eine Schere, einen Wetzstein; einen Taschenspiegel aus Metall, der bruchfest ist – einen Bleistiftstummel, ein Buch, drei Seiten fehlen; eine Fotografie, eine Ledertasche mit Reißverschluss, darin sind Mullrollen, Nadel und Faden, ein Fläschchen braunes Jod zum Desinfizieren.

      Den Rest hat Lilja am Leib, auch ihre Mütze – und den Pullover unter der roten Strickjacke unter dem gefütterten Mantel. Trotzdem ist ihr kalt.

      Der Boden wird zum Filz aus schwefelgelben Flechten, aus Kraut, das auch im Schatten blüht. Sie treten auf Wurzeln, auf Rinde, Lehm – eine blaue Scherbe, vielleicht von einem Krug, eingedrückt; wandern über Stock und Stein: Unter den Sohlen knacken die Zweige, Tannzapfen.

      Schau! Ein Eichhörnchen, flink erklettert es den Stamm, dreht sich, Nase zum Boden, verharrt krallend, ehe es hochhüpft: großer Ast, kleiner Ast – springt ab; noch ein Gurren. Verschwunden.

      En garde! Lilja ficht mit dem Regenschirm, sticht zu; klappt ihn auf, lässt ihn zuschnappen, wirbelt im Kreis herum.

      Bist du fertig?

      Ich beschütze euch, holde Maid! Leichte Verbeugung.

      Dostya muss lachen. Schluss damit.

      Beide erreichen den Scheideweg – lassen die Siedlungen hinter sich: diese Gülle im Acker, die gemauerten Schornsteine, das Meckern der Ziegen. Wie durch Kirchenfenster fällt Sonne ins Unterholz, sprenkelt die Bäume, den Weg vor ihren Füßen. Eine tiefgrüne Stille.

      Sie schweigen.

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