Raue Februarwinde über den Elbmarschen. Manfred Eisner

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Raue Februarwinde über den Elbmarschen - Manfred Eisner

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der Fotografin Frau Dagmar Krause, Wilster wiedergegeben.

      Die Blütezeit der europäischen Windmühlen währte vom 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts, wo bis zu 200.000 Exemplare dieser ansehnlichen Bauwerke unsere Landschaften zierten. Der zunehmende Einsatz von Dampfmaschinen, elektrischer Strom und die Erfindung von Verbrennungsmotoren lösten schließlich die Windkraft ab und bedeuteten nach und nach das Ende ihrer Nutzung.

       Die Brokdorfer Mühle von 1721 – seit 1895 in Besitz der Familie Wolfsteller – thronte voll funktionsfähig auf dem Elbdeich bei Osterende, bis sie 1939 vollständig abbrannte. Das Gemälde ist ein Werk des Dithmarscher Malers Christian Hadenfeldt (1883–1971) aus dem Jahre 1935. Im Vordergrund die ehemalige Kate der Familie Pfingst, in der heute das »Café in de Hörn« untergebracht ist; auf dem linken Areal befindet sich das Brokdorfer Freibad. Eigene Fotoreproduktion eines Gemäldes des Autors.

      In den USA wurde 1887/88 die erste vollautomatische Windanlage zur Stromerzeugung gebaut. Dieser folgte 1891 ein Windkraftwerk in Frankreich, das elektrischen Strom produzierte. Ab den 1950er Jahren begann allmählich die Entwicklung von Wechselstrom generierenden Anlagen, vorwiegend in Dänemark, die zum Vorreiter in der Weiterentwicklung – allerdings zunächst kleinerer Anlagen – wurden. In Deutschland sammelte man die ersten Erfahrungen in diesem Fach mit der Einführung des Prototyps einer Groß-Windenergieanlage auf dem Dithmarscher Kaiser-Wilhelm-Koog Ende der 1970er Jahre. In Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg und der Firma MAN hatte das Bundesministerium für Forschung und Technologie die Errichtung dieser in die Geschichte als »GROWIAN« eingegangene Entwicklung eines großen Windkraftwerks – übrigens gegen den öffentlichen Druck und Widerstand der maßgeblichen Energieversorgungsunternehmen – zwecks Erforschung der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Windenergieerzeugung beschlossen. 1978 verordnete das Ministerium den Bau der bisher weltweit größten Windkraftanlage mit 100 Metern Turmhöhe und 100 Metern Flügeldurchmesser. Die Projektdurchführung oblag der Growian GmbH, an der die Hamburger Elektrizitätswerke (HEW), die Schleswag und die RWE beteiligt waren. Neben den bei der technischen Konzeption der Anlage begangenen Irrtümern (falsche Gehäuseauslegung, ungeeignete Werkstoffe, falsche Anbringung des Zweiblattrotors als Leerläufer auf der windabgewandten Turmseite) war es wegen der schon anfänglichen negativen Einstellung der Firmen, die hier agierten, voraussehbar, dass wenig oder überhaupt kein Interesse am Gelingen des Projektes bestand, ja sogar ein Vorstand eines der beteiligten Unternehmen bei deren Hauptversammlung öffentlich kundtat, man brauche den GROWIAN, um zu beweisen, dass Windenergie nicht gehe und das Ganze lediglich »so etwas wie ein pädagogisches Modell« sei, »um Kernkraftgegner zum wahren Glauben zu bekehren«. Weil von vornherein – unbewusst oder bewusst? – fehlerhaft konzipiert, konnte die Anlage niemals bei voller Leistung betrieben werden. Die meiste Zeit stand sie wegen technischer Probleme und Reparaturbedarfs still. Im Sommer 1988 wurde der GROWIAN – der während seines Testbetriebes von fast vier Jahren lediglich 420 Stunden Betrieb aufweisen konnte – endgültig stillgelegt und wieder abgerissen. Nach der Energiekrise 1973/74 erfolgte aber ein erneuter Startschuss, um die Erdölabhängigkeit zu reduzieren. In der Folge der ersten kleineren, hier und dort aufgestellten Windräder wurden diese Bemühungen später vor allem durch die Bundesregierung mit dem neuen Gesetz für den Vorrang Erneuerbaren Energien vom März 2000 forciert. Immer mächtiger wurden seitdem die hohen Masten, umfangreicher deren Flügel, gewaltiger die Leistung, zahlreicher die Windparks sowohl auf dem Lande als auch in unseren Küstengewässern. So rasch und offensichtlich planlos wuchsen diese, dass man es bis heute noch nicht schaffen konnte, all die erzeugten Wind-Energiemengen auch dorthin zu befördern, wo sie gebraucht werden.

       Diese GROße WIndenergieANlage (GROWIAN) entstand 1987 als einer der ersten Versuche zur alternativen windangetriebenen Energieerzeugung im schleswig-holsteinischen Kaiser-Wilhelm-Koog. Ihr war kein gutes Omen beschieden: Wegen grundsätzlicher Fehlkonzeption hatte sie mehr Pannen und Stillstand als brauchbare Funktionszeiten und wurde 1988 abgewrackt. Der Turm sowie eines der Rotorblätter werden im Technik-Museum in Sinsheim ausgestellt. Das Foto wird mit freundlicher Genehmigung von Mr. Paul Gipe – weltbekannter US-amerikanischer Spezialist für Regenerative Energien – wiedergegeben (Photo by Paul Gipe – All rights reserved).

      Ungeahnte Hindernisse bauten sich da auf: Den einen sind die riesigen Strommasten, den anderen die um ein Vielfaches kostspieligeren unterirdischen Kabeltrassen ein Dorn im Auge. Die derart entstandenen Staus bei Stromerzeugung und -transport verschlingen Unsummen, und diese gehen schamlos – den Letzten beißen bekanntlich die Hunde – zu Lasten der Verbraucher-Portemonnaies. Schade! Natürlich kann die Menschheit auf Dauer nicht ohne alternative – und vor allem auch absolut verbrennungslose – Arten der erneuerbaren Energiegewinnung überleben. Dennoch kann sich der Autor beim Anblick der pausenlos rotierenden Giganten sowie der während der Nacht unaufhörlich blitzenden oder rot blinkenden Umgebung nicht der nostalgischen Sehnsucht nach den ehemals von harmonischen Landschaften gesäumten formschönen und sanften Windmühlen erwehren.

       Manfred Eisner, im Herbst 2016

       1. GROWIAN lässt grüßen

      »Nichts ist mehr so, wie es früher einmal war!« Oma Clarissa legt mit einem tiefen Seufzer des Bedauerns den Courier beiseite und setzt die Lesebrille ab.

      »Wie meinst du das, Abuelita?« Nili sitzt mit ihrer Mutter Lissy und der Omi vor dem wohlige Wärme ausstrahlenden Kamin im Wohnzimmer vom Onkel Suhls Haus in Oldenmoor, der kleinen Stadt in den Elbmarschen. Der Februar hat bisher relativ wenig Niederschlag gebracht, bedingt durch das stabil herrschende Hochdrucksystem über Norddeutschland mit seinen rekordverdächtigen Niedrigtemperaturen. Draußen ist es eisig kalt und das Thermometer zeigte in der letzten Nacht minus 15 Grad Celsius an. Deswegen machen es sich die drei Frauen an diesem späten Samstagnachmittag auf Sofa und Sessel dicht vor dem Kamin gemütlich.

      »Ach, Kindchen! Ich meine ja nur so. Als ich noch ein Kind war, war das Lebenstempo viel gemächlicher. Man ließ alles ruhiger angehen, die Leute hatten – oder besser gesagt nahmen sich – für sich selbst und ihre Familien und Freunde viel mehr Muße, obwohl die tägliche Arbeitszeit doch erheblich länger war als heute. Ich möchte nicht das Gezeter hören, wenn man auf eine 48-Stunden-Woche zurückkehren wollte. Die alltäglich geläufigen Begriffe ›Stress‹ und ›Burn-out‹ waren absolut unbekannt, das Leben verlief in ruhigeren Bahnen. Obwohl – das muss ich fairerweise einschränken – dieses Idyll mit dem Aufkommen der Nazis und schließlich der Machtergreifung Hitlers ein abruptes Ende fand.«

      »Nun ja, liebe Oma, die Zeiten ändern sich, das ist nun mal so. Immerhin arbeiten viele Leute auch heute weit über das vorgegebene Maß hinaus. Sieh mal, ich muss erst wieder am nächsten Donnerstag zum Dienst, weil ich so viele Überstunden abzufeiern habe.«

      »Ja, ja, ich weiß! Die Zeit lässt sich eben nicht zurückdrehen. Aber das, was jetzt hier um uns herum passiert, ist auch nicht gerade beruhigend. Die eskalierenden Auseinandersetzungen von Befürwortern und Gegnern der Windkrafträder in unserer Region machen mir doch Sorgen. Heute berichtet Maddes Neffe, Jan-Jürgen Ploog, in seinem Leitartikel des Courier von den kontroversen Argumenten der heftig aufeinanderprallenden Eiferer auf beiden Seiten. Da wird mit echt harten Bandagen gerungen.«

      »Wat dem eenen sin Uhl, is dem anneren sin Nachtigall!«, zitiert Ima Lissy auf Plattdeutsch.1

      »Ja, Ima, stimmt! Aber es muss doch möglich sein, auch hier einmal Vernunft walten zu lassen und den realen Bedarf an erneuerbaren Energiequellen nüchtern und etwas leidenschaftsloser zu erörtern. Es ist wahr, dass die von der Bundesregierung als Reaktion auf die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima

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