Raue Februarwinde über den Elbmarschen. Manfred Eisner

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Raue Februarwinde über den Elbmarschen - Manfred Eisner

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die ihnen entgegenweht, treibt ihnen die Tränen in die Augen, nur mühsam kommen sie gegen die oft böigen Luftmassen an.

      »Guck mal, Nili, der Wind ist so stark, dass die ganze Reihe Windräder dort hinten zum Stillstand gekommen ist!«, bemerkt Waldi mit keuchender Stimme.

      »Ja, das habe ich auch schon beobachtet«, antwortet Nili. »Das bedeutet, dass die Windgeschwindigkeit neunzig Stundenkilometer überschritten haben muss, denn da schalten die Windräder automatisch ab! Aber lass dich von dem Wind nicht ärgern und streng dich ruhig noch etwas an. Auf dem Rückweg laufen wir dafür mit achterlichem Wind viel leichter.«

      Kurz darauf hören sie von weit hinten das Martinshorn eines Polizeistreifenwagens, der sich ihnen mit Blaulicht und rasender Geschwindigkeit nähert. Neugierig bleiben sie stehen und beobachten den Wagen. Die Insassen haben sie offensichtlich erkannt, denn die Fahrerin steigt abrupt auf die Bremse und das Auto kommt etwa fünfzig Meter hinter ihnen zum Stehen. Nili und Waldi traben bis an das heruntergefahrene Fenster des Beifahrers.

      »Mensch, Nili, das ist aber eine echte Überraschung! Hallo, Herr Erster Hauptkommissar Mohr, Sie auch hier?«

      »Moin moin, Hauke, was macht ihr denn hier so früh am Morgen und bei diesem Schietwetter?« Nili schüttelt ihrem ehemaligen Kollegen Kriminaloberkommissar Hauke Steffens von der Polizeidienststelle in Oldenmoor, der wegen der Strukturreform zur Kripo Itzehoe versetzt wurde, freudig die Hand.

      In diesem Moment beginnt es heftig zu schneien. Starke Böen wirbeln die Schneeflocken wild durcheinander.

      »Steigt rasch ein, Leute, es wird verdammt ungemütlich da draußen!«

      Nili und Waldi lassen sich das kein zweites Mal sagen und sind froh, als sie die Wagentüren hinter sich schließen können.

      »Mannomann«, Hauke Steffens schüttelt sich, »wahrlich das optimale Wetter für einen Einsatz! Darf ich vorstellen? Meine Kollegin Kriminaloberkommissarin Dörte Westermann, die erfahrene Frau am Steuer. Dörte, diese beiden sind Kollegen vom LKA in Kiel.«

      Während Dörte anfährt und wieder aufs Gas drückt, bemerkt sie, ohne den Blick von der mit Schneeflocken bedeckten Frontscheibe abzuwenden: »Hallo, Sie sind also Nili und Waldi, die berühmten Kollegen, von denen mir Hauke schon so viel erzählt hat. Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen!«

      »Auch wir freuen uns, Frau Kollegin. Wohin des Weges?«, möchte Nili wissen.

      »Du kannst dich doch sicher an unseren Herrn Kriminaloberrat Heinrich Stöver erinnern, nicht wahr, Nili? Also, dieser ungnädige ›Hein Gröhl‹ rief uns einfach aus der heiligen Sonntagsruhe heraus und beorderte uns – wie immer in seiner betont freundlichen Tonart – zu diesem verwünschten Einsatz inmitten der Walachei. Es handelt sich um einen Leichenfund ausgerechnet in einer von zwei noch vor Frosteinbruch Ende des letzten Jahres ausgehobenen Fundamentgruben für den neuen Windpark.«

      Nur Minuten später trifft der Wagen an der Fundstelle ein, nachdem KOK Westermann von der Hauptstraße auf einen spärlich befestigten Pfad abgebogen ist. Zwei Polizeifahrzeuge und ein Pkw stehen bereits in der Nähe eines Baggers, mit dem offensichtlich die beiden Gruben ausgehoben wurden.

      Mit Vergnügen erkennt Nili ihren zweiten ehemaligen Kollegen, den Polizeiobermeister Seifert, der gerade aus einem der Streifenwagen aussteigt und freudestrahlend auf sie zueilt. Der Schneefall hört abrupt auf, der Himmel klart gerade ein wenig auf. »Hallo, Willi! Schön, dich zu sehen!«

      Die beiden begrüßen sich herzlich und POM Seifert macht, während sie alle in Richtung der Gruben gehen, sie und Waldi mit seinen beiden Kollegen der Polizeidienststelle Oldenmoor, Polizeimeister Dieter Klages und Polizeimeister-Anwärterin Helga Timm, bekannt.

      Nachdem sich auch der Rest der Truppe gegenseitig begrüßt hat, fragt KOK Hauke Steffens: »Wer hat die Leiche überhaupt gefunden?«

      »Diese Herren hier sind Wilfried Beuck und Sigfried Förster, Kranführer und Monteur der Windparkfirma«, stellt POM Seifert die beiden in Zivil gekleideten Männer vor. »Sie haben ausgesagt, ihr Vorarbeiter Alfred Klages hätte sie wegen der schlechten Wetterlage hergeschickt, um nach Bagger und Kran zu sehen. Als Förster dabei zufällig über den Grubenrand schaute, bemerkte er den länglichen Gegenstand in der dicken blauen Plane. Beuck startete den Bagger und ließ Förster mit der Schaufel herunter. Als dieser die Plane geringfügig aufwickelte, sei die Leiche zum Vorschein gekommen. Die beiden haben sofort bei der Polizeidienststelle in Oldenmoor angerufen. Weil ja Sonntag ist, werden Anrufe automatisch in die Wohnung des derzeit wegen hohen Fiebers bettlägerigen Dienststellenleiters geleitet. Hauptkommissar Boie Hansen hat daraufhin seine gesamte Crew herbeordert und danach gleich die Kripo in Itzehoe alarmiert.«

      »Wisst ihr schon, um wen es sich handelt?«, fragt KOK Dörte Westermann.

      »Ich habe mir den Toten nur oberflächlich ansehen können, da wir nichts berühren wollten, bevor die Spusi da ist. Eine mir unbekannte männliche Leiche, schätzungsweise um die dreißig. Sieht so aus, als ob sie schon länger da unten liegt.«

      Waldi begleitet Hauke bis an den Rand des kreuzförmigen und ungleichmäßig tiefen, weil offensichtlich noch nicht vollständig ausgebaggerten Fundamentgrabens und schaut hinunter. Der Tote liegt in einem Bereich, der etwa zweieinhalb Meter tief ist. Mit versteinertem Blick betrachtet Waldi dessen Gesicht, macht abrupt kehrt und geht wieder zurück.

      PM Dieter Klages schüttelt sich, offensichtlich ist ihm noch mulmig von seiner gruseligen Erkundungsfahrt in die Grube.

      »Es ist Döspaddels2 erster Leichenfund«, raunt Kollege Willi Seifert Nili zu und grient.

      Nili muss ebenfalls schmunzeln, erinnert sie sich doch an Willis damaligen Bericht, als er über Dieter Klages’ Versetzung von der geschlossenen Polizeistation Beidenfleth nach Oldenmoor berichtete und dabei dessen Spitznamen erwähnte.

      In diesem Moment treffen zwei weitere Fahrzeuge ein. Die beiden Beamten der KTU, in weiße Schutzkleidung gehüllt, stellen sich vor. Anschließend gehen Chemotechnikerin Lilo Papst und Laborant Uwe Wildemann zur Leichenfundstelle und werden vom Baggerführer in die Grube hinabgelassen. Kurz darauf gesellt sich der Allgemeinmediziner Dr. Günther Vollmert zu ihnen, um die Leichenschau durchzuführen. Nach Ankunft einer lang gezogenen schwarzen Begräbnislimousine steigen zwei dunkel gekleidete Männer aus und tragen einen Metallsarg bis an den Rand der Grube. Als erneut starke Windböen aufkommen und abermals heftiger Schneefall einsetzt, sucht die gesamte Mannschaft eiligst Schutz in ihren Autos.

      »Hat wohl keinen Sinn mehr, Dörte, was meinst du?«, bedauert Hauke Steffens.

      KOK Westermann schüttelt den Kopf. »Ich glaube, bei diesem Wetter sind sowieso keine brauchbaren Spuren zu finden, aber wir sollten wenigstens abwarten, ob der Arzt uns etwas Brauchbares berichten kann. Oder was meinen die Kollegen vom LKA?«

      Waldi sieht Nili an und sie nickt. »In der Tat, jetzt dürfte hier nicht viel zu holen sein. Wenn wir noch länger warten, ist die Grube sowieso halb zugeschneit. Ich glaube, es wäre das Beste, die Leiche herauszuheben und sie eiligst zur Obduktion in die Pathologie zu überführen, richtig, Waldi?«

      Dieser stimmt ihr zu und meint: »Seht mal dort, Doktor Vollmert wurde gerade vom Bagger wieder hochgeholt. Er geht jetzt zu seinem Wagen. Wollen wir ihn nicht gleich befragen?«

      Hauke, der am Steuer des Streifenwagens sitzt, lässt den Motor an, wendet und fährt in die unmittelbare Nähe von Dr. Vollmerts Pkw. Dieser steigt zu ihnen ins Auto. »Das war für mich wahrlich eine Premiere: So eine Leichenschau wie diese habe ich in der Tat vorher noch

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