Raue Februarwinde über den Elbmarschen. Manfred Eisner

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Raue Februarwinde über den Elbmarschen - Manfred Eisner

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vorankommen und hier und dort die vom Wind zusammengefegten Schneewehen überwinden müssen, unterhalten sie sich weiter über den grausamen Tod des Kollegen.

      »Vielleicht ist es ein günstiger Wink des Zufalls, dass du die nächsten Tage hier verbringen kannst, Nili. Es wäre sicherlich nützlich, wenn du – natürlich möglichst unauffällig – ein wenig auf die Pirsch gehst. Vielleicht erfährst du dabei ja etwas Nützliches.«

      »Daran habe ich auch schon gedacht. Ist doch nur natürlich, wenn ich meinen früheren Arbeitskollegen ein wenig unter die Arme greife, oder? Ich ahne sowieso, dass es nicht lange dauern wird, bis man mich um Unterstützung bittet. Brauchst keine Angst zu haben, selbstverständlich weiß ich überhaupt nichts davon, dass der arme Tote unser KK Werner Köppen ist, das müssen die hiesigen Kollegen schon selbst herausfinden, wenn sie es überhaupt ohne die Unterstützung durch das LKA schaffen. Am besten wäre es, wenn es dem LKA irgendwie gelingen sollte, die Leiche in die Rechtsmedizin der Uni in Kiel zur Obduktion überführen zu lassen. Lasst euch doch dazu etwas Passendes einfallen!«

       3. Verschollen

      »Und mehr habt ihr mir nicht zu berichten?«, keift Kriminaloberrat Heinrich Stöver in seiner üblichen missmutig tadelnden und lauten Art seine beiden Kriminaloberkommissare sowie die KTU-Mitarbeiter des gestrigen Einsatzes an. Nicht umsonst wird er von seinen Untergebenen hinter vorgehaltener Hand »Hein Gröhl« genannt. Fahrig schiebt der dickliche, unsympathisch wirkende Choleriker die auf dem Tisch liegenden Aufnahmen vom Tatort hin und her.

      »Mäßigen Sie doch bitte Ihren Ton, sehr geehrter Herr Kriminaloberrat! Ich bin es weder gewohnt noch bin ich gewillt, hier eine derartig unproduktive Arbeitsatmosphäre zuzulassen.« Staatsanwältin Dr. Cornelia Bach, eine aparte schwarzhaarige Erscheinung mit leicht milchkaffeebraunem Teint und in ein gut sitzendes Kostüm gekleidet, hat dieses ewige Genörgel satt. »Unter den gestrigen äußerst widrigen Wetterbedingungen war der Einsatz in der Tat eine extrem ungünstige Situation für alle Beteiligten. Dies sollten Sie entsprechend zu würdigen wissen, auch und nicht zuletzt deshalb, weil Sie nicht persönlich daran beteiligt waren!« Mit einem deutlichen Tadel in der Stimme betrachtet sie den mit einem feuerroten Kopf dasitzenden und vor Wut kochenden Leiter der Bezirkskriminalinspektion Große Paaschburg in Itzehoe.

      Alle seine Mitarbeiter tauschen heimlich schadenfrohe Blicke aus. Endlich hat jemand dem Griesgram Paroli geboten und ihm ordentlich die Meinung gegeigt!

      »Also, meine Damen und Herren«, Staatsanwältin Dr. Cornelia Bach lässt ihren Blick durch die Runde schweifen, »lassen Sie uns jetzt bitte zu unserem Fall zurückkehren. KOK Steffens, was haben wir?«

      »Na ja, ein wenig muss ich doch unserem Chef recht geben, Frau Staatsanwältin. In der Tat haben wir nicht viel vorzuweisen. Zwei Mitarbeiter der Windkraftfirma sollten den Zustand ihrer Maschinen am Windpark inspizieren und fanden die Leiche in einer bereits im letzten Jahr ausgebaggerten und nur zum Teil fertigen Fundamentgrube. Ein in einer wohl ausrangierten Lkw-Plane eingehüllter und bisher nicht identifizierter toter Mann, blondes Haar, blaue Augen, schätzungsweise dreißig Jahre alt. Wahrscheinlich wurde das Opfer an einem anderen Ort getötet und dann vor ein bis zwei Wochen in der Baugrube abgelegt. Wegen des starken Schneefalls konnte die Spusi vor Ort keine verwertbaren Spuren entdecken. Einziger Fund war sein Portemonnaie mit etwas Geld darin, ansonsten keine Papiere. Der Leichenbeschauer, ein Herr Doktor Günther Vollmert aus Sankt Margarethen, hat den Totenschein ausgestellt, auf dem er die Rubrik ›unnatürlicher Tod‹ angekreuzt hat, zumal er als Todesursache einen Genickbruch annimmt. Außer den beiden am Kopf des Opfers vorgefundenen konnte er keine weiteren äußerlichen Verletzungen feststellen. Die Bergung des Leichnams aus der Baugrube gestaltete sich ziemlich kompliziert, sie musste mit Hilfe des Baggers gehoben werden und wurde dann in die Pathologie des hiesigen Klinikums zur Obduktion überführt.«

      »Vielleicht sollten wir der Vollständigkeit halber erwähnen«, bemerkt KOK Dörte Westermann mit leichter Unsicherheit in der Stimme, »dass wir auf dem Weg zum Einsatzort zufällig auf zwei Kollegen stießen. Das war zum einen Haukes frühere Kollegin KHK Nili Masal, die zusammen mit ihrem Gefährten, dem Ersten Kriminalhauptkommissar Walter Mohr vom LKA in Kiel, auf dem Radweg neben der Landesstraße joggte. Da es gerade in diesem Augenblick heftig zu schneien begann, baten wir sie zu ihrem Schutz in unseren Wagen – wir konnten sie doch nicht einfach mitten auf dem Land stehen lassen, oder? Und so ergab es sich, dass wir die beiden zum Tatort mitnahmen. Danach setzten wir sie bei Nilis Onkel am Holsternhof wieder ab.«

      »Das ist ja die Höhe!« Kriminaloberrat Heinrich Stöver explodiert geradezu. »Das hat uns gerade noch gefehlt, dass das Landeskriminalamt die Nase in unseren Fall steckt!«, fügt er mit viel leiserer Stimme hinzu, als er den strafenden Wink der Staatsanwältin bemerkt.

      »Wenn das so war, wie Sie berichten, Frau Westermann, dann haben Sie durchaus richtig gehandelt, denn man lässt ja nicht Kollegen im Regen – oder in diesem Fall im Schnee – stehen«, kommentiert der ebenfalls anwesende Dr. Paul Kramer, Assessor bei der Staatsanwaltschaft Itzehoe.

      »Zwei zu null!«, murmelt mit offensichtlichem Vergnügen KTU-Leiterin Lilo Papst und erntet einen missbilligenden Blick ihres Kriminaloberrats. Dann ergreift die hübsche und jugendlich erfrischend wirkende Frau das Wort: »Wir haben bereits ein Foto des Toten an alle Polizeidienststellen und an das LKA in Kiel gesendet, aber noch keine Rückmeldung erhalten. Auch das Durchforsten unserer Kartei brachte bislang kein Ergebnis. Sobald wir hier fertig sind, machen wir uns an die Untersuchung der Lkw-Plane, in der der Leichnam eingehüllt war. Der Kollege Uwe Wildemann konnte einige wahrscheinlich fremde DNA-Abstriche von der Decke entnehmen, diese sind bereits in Bearbeitung. Zudem fanden wir an einem Saum der Plane einen Etikettenrest des Herstellerlogos, auf dem zu erkennen war, dass sie von der Firma Covertarp in Wilster hergestellt wurde. Also werden wir morgen dort nachfragen. Vielleicht können wir erfahren, für wen diese Lkw-Decke hergestellt wurde, und kommen auf diese Weise ein Stück voran. Außerdem planen wir, uns morgen Vormittag, falls dann der Schnee ganz verschwunden sein sollte, erneut an den Fundort zu begeben, um eventuell doch noch Spuren zu sichern. Der Leichenfundort wurde polizeilich abgesperrt. Sicherheitshalber wollten die Oldenmoorer Kollegen die Stelle entsprechend absichern und weiterhin bewachen.«

      Die Staatsanwältin nickt zufrieden. »Sehr gut, weiter so! Ich schlage vor, wir beenden jetzt die Lagebesprechung und machen uns alle an die Arbeit. Sobald der Obduktionsbericht vorliegt oder andere wichtige Indizien auftauchen sollten, treffen wir uns wieder. Danke also für Ihre Berichte. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und noch einen schönen Tag!« Während sie den Teilnehmern der Besprechung auf ihrem Weg aus dem Raum hinterhersieht, bittet sie ihren Assessor, noch ein wenig zu bleiben.

      »Was halten Sie von der Sache, Herr Doktor? Ich bin ja erst seit Kurzem hier an der Stelle des nach Kiel versetzten Herrn Uwe Pepperkorn. Sie hingegen haben längere Erfahrung vor Ort. Braust Kriminaloberrat Heinrich Stöver immer gleich so auf? Was ist das überhaupt für ein Mensch? Man hatte mir berichtet, er sei ein guter Polizist, aber so, wie er sich heute hier produziert hat, meine ich eher, dass er nicht gerade geeignet für die Rolle als Kripo-Führungsfigur sein dürfte.«

      Dr. Paul Kramer, ein stets ernst dreinblickender, ziemlich hagerer Geselle mit fortgeschrittener Glatze, in einen dunklen Zweireiher, ein weißes Hemd und eine schmal gebundene schwarze Krawatte gekleidet, antwortet: »Da bin ich überfragt, sehr geehrte Frau Staatsanwältin. Sehen Sie, ich hatte bisher wenig oder besser gesagt keinen direkten Kontakt zu unserem Herrn Kriminaloberrat. Alles, was ich im Laufe der Zeit über ihn erfahren habe, ist Hörensagen. Aber das, was man so hört, hat sich heute in seinen hier gezeigten Umgangsformen, vor allem gegenüber seinen Untergebenen, voll bestätigt. Nach diesem Auftritt kann ich nur sagen, dass ich sehr froh bin, Sie als Vorgesetzte zu haben und nicht ihm zu unterstehen. Andererseits – die Bemerkung gestatte ich mir – ist mir die angeblich rein zufällige Anwesenheit der beiden Kieler LKA-Beamten auch

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