Das süße Gift des Geldes. Bhavya Heubisch
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Читать онлайн книгу Das süße Gift des Geldes - Bhavya Heubisch страница 16
Hinter dem Holztresen drängten sich meckernd die Ziegen, glotzten mit querstehenden Pupillen, kullerten ihre Kötel über den Boden. Breitbeinig, die Ärmel aufgekrempelt, hockte die Bäuerin auf einem Schemel.
Ein Mann reichte ihr sein Glas. Die Bäuerin klemmte es zwischen ihre Schenkel, molk ein dickeutriges Tier und ließ den schäumenden Strahl hineinsprudeln ins Glas. Der Mann legte vier Kreuzer auf den Tresen, leerte das Glas und wischte sich den Milchschaum vom Mund. „Noch eins.“
„Nix da.“ Eine Marktfrau, drall ins Dirndl gepresst, schob ihn weg. „Jetzt bin ich dran.“
Adele wurde nach vorne geschubst, ein Ellbogen rempelte ihr ins Kreuz. Gereizt drehte sie sich um. „Wennst so schiebst, geht’s auch nicht schneller.“
„Ich kann nix dafür. Die von hinten drucken so nach.“ Die junge Frau strich sich die blonden Locken aus dem Gesicht und blitzte Adele aus blauen Augen an. „Mir ist das Geschiebe genauso zuwider. Aber so gesund soll sie sein, die Milch, da muss man’s halt aushalten.“
Immer mehr Menschen drängten sich um den Stand. Begierig auf das Wundergetränk, das der Pettenkofer so gepriesen hatte, weil es gegen Krankheiten helfen sollte. Adele zog ihr Glas aus der Rocktasche, bekam es nicht richtig zu fassen, schon zersplitterte es am Boden.
„Jetzt müssen Sie aus meinem trinken.“ Lachend reichte ihr die Blonde den Becher. Ein heftiger Schubser stieß sie gegen Adele. Schallendes Gelächter von hinten. Die Naht an der Bluse der Blonden war aufgeplatzt und gab den Blick auf das Mieder frei.
Ein Kutscher dröhnte: „So was Schönes schon in aller Früh.“
Die Bauern klopften sich auf die Schenkel, die Frauen schimpften, die Ziegen meckerten.
Die Milchfrau plärrte: „Wenn nicht sofort eine Ruh ist, pack ich mein Sach zusammen.“
Adele zog die Blonde heraus aus dem Gedränge und legte ihr ihr Seidentuch um die Schultern. „Nix wie weg.“
Die Blonde war den Tränen nahe. „Meine neue Bluse ist hin.“ Sie hob den Arm und begutachtete den Riss, der sich vom Ärmelloch bis zur Taille zog.
„Ist nicht so schlimm. Das kann man leicht wieder nähen. Wie heißt du denn?“
„Die Ehinger Rosa bin ich. Aber so kann ich nicht durch die Stadt. Auf das Gschau von den Mannsbildern kann ich verzichten.“
„Komm doch mit zu mir. Dann geb ich dir was andres zum Anziehn.“ Adele zog das Tuch fester um Rosas Schultern und steckte die Enden in den Rockbund.
„Aber ich kenn Sie doch gar nicht.“
Adele lachte. „Dann lernst mich halt kennen. Komm. Ist nicht weit von hier.“ Sie bemerkte Rosas Zögern. „Wie gesagt, bei mir kannst dir was andres anziehn.“
Rosa betrachtete noch einmal die geplatzte Blusennaht. „Also gut.“
Sie schlängelten sich vorbei an den Gemüseständen mit den aufgeschichteten Krautköpfen, den Obstständen, an denen die Marktfrauen ihr Fallobst feilboten. Untergehakt gingen sie durch die Residenzstraße, wichen den Kutschen aus, die Besucher in der Stadt herumfuhren. Traten zur Seite, als die königliche Kutsche in die Residenz einbog.
Rosa blieb stehen. „Wie heißen Sie eigentlich?“
„Adele Spitzeder.“
„Sie sind wirklich das Fräulein Spitzeder?“
„Ja, warum fragst so erstaunt.“
„Hab schon viel gehört von Ihnen. Ganz reich …“ Rosa verstummte.
„Brauchst nicht alles glauben, was so geredet wird. Komm, gehn wir weiter.“
In der Schönfeldstraße öffnete Adele die Haustür und klatschte in die Hände: „Kathi, ich bin wieder da.“
Kathi kam aus der Küche und wischte sich die Hände an der Schürze ab. „Grad wollt ich Ihnen das Frühstück bringen.“
„Bring’s für zwei. Und mach uns einen besonders starken Kaffee.“
„Wo soll ich denn aufdecken?“
„Im Salon.“
Im Salon sprangen ihnen die Hunde mit lautem Gebell entgegen. Adele kraulte den Wasti, streichelte dem Basti die Schnauze. Die Daisi lief hin zur Rosa, legte sich auf den Rücken und wedelte mit dem Schwanz. Rosa schob sie mit der Schuhspitze weg. Daisi sprang auf und trollte sich beleidigt unter den Tisch.
Adele ergriff eine Bluse, die über einer Stuhllehne hing: „Zieh die an. Die müsst dir passen.“
Rosa zog ihre zerrissene Bluse über den Kopf.
Adele konnte den Blick nicht von ihr wenden. Das Mieder umfasste Rosas schlanke Taille, betonte die straffen Brüste. „Was hast denn da?“ Erschrocken deutete sie auf die Narbe auf Rosas Schulter.
„Das war mein Vater mit dem Schürhaken.“
„Hat er das öfters gemacht?“, fragte Adele ensetzt.
„Schon. Hat behauptet, ich tät mich rumtreiben. Aber jetzt ist er weg. Ich leb mit meiner Mutter allein.“
Die Kathi brachte das Frühstück: Butterweckerl, rösche Semmeln und auf einer silbernen Platte in knusprigem Speck verrührte Eier. Sie senkte den Blick wegen der halbnackerten Frau, die ihr irgendwie bekannt vorkam. Stumm deckte Kathi den Tisch, stumm ging sie wieder hinaus.
Rosa zog Adeles Bluse an und drehte sich vor der Fensterscheibe. „Als wär sie für mich gemacht.“
„Kannst sie behalten. Aber lass uns jetzt essen.“
Rosa setzte sich an den Tisch, bewunderte die kunstvoll bestickte Tischdecke, drehte den silbernen Kaffeelöffel in der Hand. Daheim saß sie mit ihrer Mutter in einer engen Küche am ausgebleichten Holztisch.
Adele legte ihr ein Butterweckerl auf den Teller und schob ihr die silberne Platte hin. „Bedien dich.“
Rosa deutete auf das Klavier, fragte mit vollem Mund: „Können Sie spielen?“
„Freilich. Hab schon Konzerte gegeben. Und komponieren tu ich auch.“
„Ich bin auch eine Künstlerin. Beim Theater. Hab aber immer nur das Dienstmädchen spielen dürfen. Und wie mir die Gläser vom Tablett gerutscht sind, direkt auf den Schoß von der Hofschauspielerin, haben sie mich entlassen.“
Lachend ging Adele zur Kredenz, füllte zwei Gläser mit Kirschlikör. „Lass uns anstoßen. Darauf, dass du noch ganz berühmt wirst.“
„Lieber auf unsere Freundschaft.“ Rosa stand auf und drückte Adele einen Kuss auf die Wange.
Adele zog die Rosa fest an sich: „Ab jetzt sagst Du zu mir. Und erzähl mir doch, was du den ganzen Tag so machst.“
Wie ein Wasserfall plapperte die Rosa. Wie sie sich mit ihrer Mutter, einer Büglerin, durchschlagen musste. Und wie sie aufpassen